Streit ums Geld: Berlin bremst bei Waffen für die Ukraine
Mehr Geld und mehr Waffen für die Ukraine: Dafür veranstaltet die EU am 1. Februar einen Sondergipfel. Je näher der Gipfel-Termin rückt, desto mehr rückt Deutschland in den Fokus – denn die Bundesregierung steht auf der Bremse.
Dies zeigte sich erneut beim letzten Treffen der Außenminister. EU-Chefdiplomat Borrell will die sog. Europäische Friedensfazilität (EPF) aufstocken, aus der Brüssel die Waffenlieferungen finanziert. Doch Berlin steht auf der Bremse – Borrell konnte keine Einigung verkünden.
Nun droht der Streit auf den Sondergipfel überzuschwappen. Denn die Fronten sind verhärtet. Die Bundesregierung kämpft dafür, dass auch bilaterale Hilfen angerechnet werden.
Berlin will in diesem Jahr Waffen im Wert von 8 Mrd. Euro nach Kiew schicken und fordert, diesen Beitrag beim EPF anzurechnen. Dazu macht die Bundesregierung mächtig Druck, wie aus internen Papieren hervorgeht.
Orban unterstützt Scholz
So blockierte Berlin vor dem EU-Gipfel im Dezember eine Entscheidung über den neuen „Ukraine Assistance Fund“ (UAF). Man könne „keinem UAF zustimmen“, der bilaterale Hilfen „nicht zu 100 Prozent als gleichwertige Alternative zu finanziellen Beiträgen zur EPF behandeln würde“.
Damit stand Deutschland allerdings ziemlich allein. Nur Ungarn unterstützte den Vorstoß, bilaterale Hilfen anzurechnen. Ausgerechnet der chronische Neinsager Orban schlug sich auf die Seite von Kanzler Scholz.
“Deutschland will Alleingang”
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Die Mehrheit der EU-Staaten unterstützte dagegen Borrells Vorschlag, 20 Mrd. Euro für den UAF bereitzustellen und die Friedensfazilität auch künftig zu nutzen.
„Deutschland will einen Alleingang hinlegen“, kritisierte der für Verteidigung zuständige französische EU-Kommissar Thierry Breton.
Vor allem kleinere EU-Staaten beschuldigen Scholz, die gemeinsame Hilfe für die Ukraine in Wahrheit nicht auszuweiten, sondern sogar kürzen zu wollen. Immerhin äußerten Frankreich und einige andere Länder auch Verständnis für die deutschen Haushaltssorgen.
Suche nach Kompromiss
Paris legte sogar eigene Ideen für die Reform der gemeinsamen Kriegskasse vor. Auch der Auswärtige Dienst der EU hat sich auf die Suche nach einem Kompromiss gemacht. Der Vorschlag, den er nun vorgelegt hat, kommt Frankreich allerdings mehr entgegen als Deutschland.
Beim Vergleich der Waffenlieferungen sollen künftig zwar bilaterale Hilfen berücksichtigt werden, wie dies Berlin fordert. Im Mittelpunkt sollen aber gemeinsame Rüstungsprojekte stehen – ein Wunsch, den Paris seit Jahren hegt.
Kommt “Buy European”?
„Buy European“ würde es künftig heißen, wenn es um die Ukraine-Hilfe geht. Zudem sollen die Regeln für die Rückerstattung nationaler Beiträge verschärft werden.
Wird sich die Bundesregierung darauf einlassen? Oder eifert Scholz neuerdings Orban nach und riskiert eine Blockade? Die Diskussion sei völlig offen, jetzt gehe es um die Details, heißt es in Brüsseler EU-Kreisen.
Beim Ziel sei man sich immerhin einig, so ein Diplomat: Der Ukraine schnell und effizient mehr Waffen zu liefern…
KK
24. Januar 2024 @ 14:07
“Denn die Fronten sind verhärtet.”
Tja, würde man mit diplomatischen Mitteln dafür sorgen, dass die Fronten in der Ukraine nicht mehr verhärtet wären, sondern der Krieg zu einem Ende findet, bräuchte man das ganze Geld nicht, über das jetzt gestritten wird.
Warum einfach, wenns umständlich geht?
BTW, die Waffen werden ja auch offensichtlich von der Ukraine weiterverscherbelt, wie nicht nur der russische Aussenminister Lawrow*, sondern auch der US-Kongress festgestellt hatte.
* Lawrows Rede vor dem UN-Sicherheitsrat vom 22.01.24 ist wirklich beachtenswert; hier in deutscher Ãœbersetzung:
https://globalbridge.ch/auch-europa-soll-geschwaecht-werden/
Thomas Damrau
24. Januar 2024 @ 09:10
Ich kann mich nur wiederholen: Nicht (nur) die Waffen für die Unterstützung der Ukraine werden knapp werden, sondern zuerst das Geld. Scholz hat eigentlich überhaupt kein Geld für die Ukraine (er müsste eigentlich viel Geld in die Hand nehmen, um den Vormarsch der AfD zu stoppen) – und vor allem kann er nicht gleichzeitig direkte Hilfe und indirekte Hilfe über die EU bezahlen.
Auch Biden (sollte er wiedergewählt werden) kann die Schulden der USA nicht beliebig in die Höhe treiben: Je mehr der $ seine Rolle als Welt-Leitwährung verliert, je weniger kann die US-Administration ihre Schulden einfach durch Gelddrucken implizit anderen Ländern unterjubeln. Und über Trump möchte ich gar nicht erst nachdenken ….
Arthur Dent
24. Januar 2024 @ 09:00
„Fuck the freedom and democracy for the ukrainian people“ – Kriege werden nicht aus hehren ideologischen Gründen geführt, sondern vor allem aus ökonomischen Interessen. Auch Deutschland will Beute machen – also nicht ganz Deutschland, eher so die Mega-Reichen…
Kleopatra
24. Januar 2024 @ 08:20
Aus ukrainischer Sicht kann es immerhin vollkommen egal sein, wer ihnen einen Panzer finanziert. Man muss ja auch bedenken, dass dann, wenn es für jedes EU-Land verbindliche Beiträge zur Waffenhilfe für die Ukraine gibt, jeder Euro, der nicht von Deutschland unmittelbar ausgegeben wird, an die gemeinsame Rüstungsbeschaffung überwiesen werden müsste; deshalb kann der deutsche Widerstand die Menge der an die Ukraine gelieferten Waffen bei ansonsten gleichen Konditionen nicht verringern.
Deshalb dürfte es eher um Industriepolitik gehen – Scholz will schlicht selbst die Entscheidung in der Hand haben – und darum, dass die eigene Rüstungsindustrie EU-Entscheidungen möglichst entzogen bleibt bzw. nicht zu Kooperationen gedrängt wird, die sie nicht selbst will.