Brexit: Vom „bestmöglichen“ zum unmöglichen Deal
Wie haben sie sich selbst gefeiert, die 27 EU-Länder. In aller Freundschaft habe man Brexit-Land den „bestmöglichen“ Deal angeboten, hieß es vor zwei Wochen beim Sondergipfel in Brüssel. Nun zeigt sich: Dieser Deal ist unmöglich durchzusetzen, Premierministerin May zieht die Notbremse.
Die ursprünglich für Dienstag geplante Brexit-Abstimmung im Unterhaus werde auf unbestimmte Zeit verschoben, teilte May mit. Sie hätte die Abstimmung mit einem „deutlichen Abstand“ verloren, gab May erstmals zu.
Das war allerdings schon vor zwei Wochen abzusehen, als der Deal auf einem Sondergipfel besiegelt wurde. Er trägt die Handschrift der EU und enthält einen „Backstop“, der UK dauerhaft an EU-Recht binden könnte.
Der fast 500 Seiten dicke Knebel-Vertrag, der in einem geheimen „Tunnel“ ausgehandelt wurde und am Ende sogar vom zuständigen Brexit-Minister Raab abgelehnt wurde, stellt niemanden in London zufrieden.
Bei einer Abstimmung hätten May bis zu hundert Stimmen für eine Mehrheit gefehlt, schätzen Insider. Die Premierministerin kaufe sich nun Zeit, um mehr Abgeordnete auf ihre Seite zu ziehen, meldet AP.
Doch wie sollte das gelingen? Die EU hat klargestellt, dass der Austrittsvertrag nicht mehr geändert wird. Allenfalls könnte man ein paar kosmetische Änderungen an der beigefügten politischen Erklärung vornehmen.
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May will es trotzdem versuchen. Sie werde ihren EU-Kollegen die „klaren Bedenken“ des britischen Unterhauses vortragen und beim EU-Gipfel Ende dieser Woche „weitere Zusicherungen“ verlangen, erklärte sie.
Es ist eine „Mission impossible“!
Aus Brüsseler Sicht sind nur noch zwei Optionen denkbar: Entweder hält man die Uhr an – und schiebt den Brexit-Termin ein paar Wochen hinaus, um Neuwahlen oder ein zweites Referendum zu ermöglichen.
Oder aber May zieht den Austrittsantrag zurück. Dass das geht, hatte passenderweise ein paar Stunden zuvor der Europäische Gerichtshof in Luxemburg erklärt…
Siehe auch „Volles Risiko beim Brexit“
Peter Nemschak
11. Dezember 2018 @ 12:35
@ebo Das Geschwätz von gestern ist heute überholt. Morgen kann sich keiner mehr daran erinnern. Ist doch nicht neu.
Kleopatra
11. Dezember 2018 @ 06:28
Vernünftigerweise hätte man auf EU-Seite drei Dinge bedenken sollen:
1) Man sieht sich immer mehrmals. Aus diesem Grund versucht man, einander auf EU-Gipfeln nicht zu demütigen; und aus diesem Grund sollte man nicht versuchen, Nachbarstaaten zu für diese demütigenden Verträgen zu zwingen. Man hat zu sehr Wert auf die „Einheit der EU gegenüber dem bösen Feind“ und auf den Grundsatz, dass „es den Briten außerhalb der EU schlechtgehen muss“ gelegt. Im schlimmsten Fall wird Großbritannien vorerst in der EU bleiben und die Atmosphäre langfristig vergiften, weil sie diese Umgangsweise nicht vergessen werden (und warum sollten sie auch?)
2) Der Wunsch, aus der EU auszutreten, ist legitim (immerhin ist die Möglichkeit in den Verträgen ausdrücklich vorgesehen); Bestrafungswünsche sind schon deshalb illegitim. Man hätte von vornherein darüber verhandeln sollen, wie das zukünftige Verhältnis aussehen soll (und ohne ideologische Vorbehalte wie von der „Untrennbarkeit der Prinzipien des Binnenmarkts“). Stattdessen hat man sich auf Details des Austritts konzentriert, mit dem Ergebnis, dass gegenwärtig auch die Wirtschaft außerhalb Großbritanniens nicht weiß, woran sie ab April 2019 sein wird. Ist die Antwort auf diese Frage aber nicht wichtiger als die Aufteilung der Pensionslast für britische EU-Beamte?
3) Generell weist der Umgang der EU mit Staaten als Vertragspartner imperialistische Züge auf; anders kann man die Vorgehensweise, dass man z.B. den Vertragspartnern Beschlüsse des Europäischen Parlaments und des Rates als für sie verbindliches Recht aufnötigt, nicht bezeichnen. Die Worte „Text von Bedeutung für den EWR“ in den Veröffentlichungen im Amtsblatt kaschieren diese imperialistische Haltung nur unvollkommen. Dem liegt offenbar die Vorstellung zugrunde, als „Friedensprojekt“ könne die EU gar keine negativen Eigenschaften haben; damit legitimiert man moralisch die Anmaßung, anderen Staaten Vorschriften zu machen. Mit etwas Distanz betrachtet, erinnert das an die Haltung von Kolonialmächten gegenüber ihren „Eingeborenen“; man weiß besser als sie selbst, was für sie gut ist. Das pathologisch gute Gewissen der EU verhindert hier offenbar Selbstkritik. (In diese Falle tappt auch die deutsche „liberal“ Presse in ihrer Gesamtheit).
ebo
11. Dezember 2018 @ 11:21
Volle Zustimmung zu allen drei Punkten. Ich würde noch ein altes deutsches Sprichwort hinzufügen: „Reisende soll man nicht aufhalten“. Die EU tut das genaue Gegenteil – und das könnte sich noch bitter rächen. Will man UK etwa zwangsweise oder „faute de mieux“ im EU-Club behalten? Vielleicht noch mit dem alten Briten-Rabatt und anderen teuren und ungerechten Rosinen, die Thatcher & Co. „gepickt“ haben?? Das würde gleich die nächste Krise auslösen…
Peter Nemschak
11. Dezember 2018 @ 12:16
Ein großer Nettozahler wie das UK ist trotz teurer Rosinen, die jahrelang nicht wirklich gestört haben, willkommen. Außerdem wäre ein harter BREXIT auch für die EU nicht vorteilhaft. Politisch dürfte daher der Widerstand innerhalb der EU gegen einen Widerruf des Austritts verhalten sein.Ein zweites, diesmal pro-EU-Referendum würde die notwendige Legitimationsbasis darstellen. Die Sorge, dass zu viele Osteuropäer in das britische Sozialsystem einwandern, ließe sich auch innerhalb der EU lösen bzw. abmildern. Daher könnten sich folgende Präferenzen in der Endphase herausbilden: Verbleib, harter BREXIT, ausverhandelter BREXIT, letzterer als am wenigsten präferierte Variante.
ebo
11. Dezember 2018 @ 12:30
„No more cherrypicking“ – Juncker, Tusk, Merkel, Macron, Verhofstadt etc. pp
Peter Nemschak
10. Dezember 2018 @ 17:40
Nur Mut: bleib oder geh. Das Volk hat die Chance seine Entscheidung zu korrigieren – wenn es will und man es läßt.