Ein Tabu fällt: Baerbock räumt Scheitern der Sanktionen ein
Nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs wollte sie Russland mit Sanktionen “ruinieren”. Nun räumt Außenministerin Baerbock ein, dass der Wirtschaftskrieg gescheitert ist – ein Tabubruch für die EU.
Diesmal ist es kein Ausrutscher oder ein bedauerliches Mißverständnis. Denn die Einschätzung, die Baerbock zu den Sanktionen gibt, wurde schon im Juli aufgenommen – für ein Buch und einen Film. Sie hatte also genug Zeit, sich zu korrigieren.
“Eigentlich hätten wirtschaftliche Sanktionen wirtschaftliche Auswirkungen”, erklärte Baerbock in dem nun veröffentlichten Interview. “Das ist aber nicht so. Weil eben die Logiken von Demokratien nicht in Autokratien greifen.”
Das ist eine ziemlich abstruse Begründung, denn wirtschaftliche Mechanismen wirken auch in Autokratien. Und die EU und die USA wußten vorher, dass sie es nicht mit einer Demokratie zu tun haben – und dass Sanktionen selten die erwünschte Wirkung zeigen.
Doch Baerbock treibt ihre bizarre Logik noch weiter. “Wir haben erlebt, dass mit rationalen Entscheidungen, rationalen Maßnahmen, die man zwischen zivilisierten Regierungen trifft, dieser Krieg nicht zu beenden ist”.
Das ist gleich in mehrfacher Hinsicht falsch. Schließlich gab es bereits im März 2022 Versuche, diesen Krieg zu beenden. Damals war der Westen gegen eine Verhandlungslösung, Baerbock hat dabei keine konstruktive “rationale” Rolle gespielt.
Zudem räumen selbst deutsche Diplomaten ein, dass Putin durchaus rational handelt – wenn auch nach seiner eigenen, imperialen Logik. Demnach kann der Krieg nicht enden, solange der Westen die Ukraine gegen Russland in Stellung bringt.
Die Denkverbote wanken
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Baerbocks Aussagen haben dennoch ihren Wert. Denn sie zeigen, dass die Bundesregierung an ihrer eigenen Politik zu zweifeln beginnt – und dass die bisher in Berlin und Brüssel geltenden Sprech- und Denkverbote wanken.
Einen Fauxpas hat Baerbock trotzdem begangen: Ihr (längst überfälliger) Tabubruch wurde ausgerechnet am ukrainischen Nationalfeiertag bekannt…
Siehe auch “Blinken setzt sich von Baerbock ab” sowie “In Brüssel werden erste Zweifel an der Ukraine-Strategie laut”
P.S. Von den schädlichen wirtschaftlichen Folgen der Sanktionen für Deutschland und die EU hat Baerbock übrigens nicht geredet. Vor der nächsten Bundestagswahl ist das wohl auch nicht zu erwarten 😉
KK
27. August 2023 @ 22:02
@ MarMo:
„Baerbock – einfach nur zum Fremdschämen!“
Ich frage mich ja, ob ihre Eltern, die sie laut Wikipedia „in den 1980er Jahren mit zu Menschenketten gegen das Wettrüsten und zu Anti-Atomkraft-Demos“ genommen haben sollen, die offenbar völlig aus der Art geschlagene bellizistische Tochter inzwischen verstossen haben…
MarMo
26. August 2023 @ 23:11
„Zudem räumen selbst deutsche Diplomaten ein, dass Putin durchaus rational handelt – wenn auch nach seiner eigenen, imperialen Logik. Demnach kann der Krieg nicht enden, solange der Westen die Ukraine gegen Russland in Stellung bringt.“
Das selbst in diesem Blog Putin eine imperiale Handlungslogik unterstellt wird, finde ich nervtötend. Der wirklich sehr gewitzte John Mearsheimer sagt ganz deutlich, dass es KEINE Evidenz dafür gibt, dass Putin imperial handelt. Russland möchte aus gut nachvollziehbaren Gründen nicht von NATO-Staaten eingekreist sein. Das ist zumindest durchaus rational. Insbesondere vor dem grassierenden Russenhass in der USA und den europäischen Staaten.
Baerbock – einfach nur zum Fremdschämen! Ich frage mich, wie kann es sein, dass so ein brunsblödes Huhn ein derart wichtiges Amt ausüben darf.
ebo
26. August 2023 @ 23:45
Nun ja, Putin hat sich wiederholt auf das alte russische Imperium berufen und seiner verlorenen Größe nachgetrauert. „Putin ist in seinen historischen imperialen Denkmustern gefangen“, sagt der Historiker M. Schulze Wessel. Allerdings ist dies ein rückwärtsgewandter, “historischer” Imperialismus oder auch Revisionismus. Dass Putin heute oder in Zukunft ein neues Imperium errichten will, denke ich nicht – sein Vorgehen liefert dafür keine Anhaltspunkte, der Kriegsverlauf auch nicht. Auch Schulze Wessel relativiert: “Nachdem der schnelle Sieg nicht gelungen ist, setzt er auf einen langen Krieg, in dem Territorium „befestigt“ wird.”
european
27. August 2023 @ 16:09
Putin wird aber auch das folgende Zitat nachgesagt.
“Wer die Sowjetunion nicht vermisst, hat kein Herz. Wer sie zurückhaben will, keinen Verstand”
Stammt aus einem Vortrag von Gabriele Krone-Schmalz.
Wenn ich mir ansehe, wie in der Zeit Putins nach der Jelzin-Katastrophe aus Russland ein durchaus wirtschaftsliberales Land wurde, kann ich mir auch beim besten Willen nicht vorstellen, dass er sich die Sowjetunion zurückwünscht. Welche Vorteile würde er wem verkaufen wollen? Was sollte er sonst noch wollen? Noch mehr Fläche? Es gibt doch jetzt schon genug Probleme dieses gigantische Land über 11 (?) Zeitzonen unter einen Hut zu bringen.
Die gesamte Zeit des Ukrainekrieges und auch die davor ist geprägt von westlichen Irrtümern, Falschbehauptungen, Fehlinterpretationen, Wunschdenken jenseits der Realität. Deshalb bin ich sehr vorsichtig, wenn Dritte erklären wollen, was jemand bestimmtes denkt.
Vieles, was jetzt so eingeräumt werden muss, einschließlich der Wirkunglosigkeit der Sanktionen, wurden auf diesem Blog schon sehr früh kritisch hinterfragt, in realistischem Zusammenhang. Kann man ja alles noch nachlesen.
Und Baerbock’s neue ökonomische Erkenntnisse über die unterschiedlichen Wirkungen von Sanktionen in Demokratien und Autokratien macht sicher nicht nur die Ökonomenwelt sprachlos. Da siegt wieder mal Wunschdenken über Wissen. “Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt”
KK
25. August 2023 @ 14:54
@ Thomas Damrau:
“Deshalb die Gegenfrage: Wo sind die Hoffnungsträger?”
Ich fürchte, in mindestens einem Paralleluniversum.
Oder eben einer anderen Matrix/Simulation.
Thomas Damrau
25. August 2023 @ 14:08
@Helmut Höft + @KK
Wir haben jetzt herausgearbeitet, dass die aktuellen PolitikerInnen in der augenblicklichen Situation fehl am Platze sind:
– Selenskjy hat sicherlich zu viele Rambo-Filme gesehen und ist jetzt enttäuscht, dass der Drehbuchautor das Happy-End im Script vergessen hat. (Vermutlich beschwert er sich ja jeden Sonntag beim großen Drehbuchautor der Juden/Christen/Muslime.)
– Baerbock ist leider eine schlecht programmierte KI, die so manches Stück Zeitgeist falsch in ihr neuronales Netz eingebaut hat.
– Scholz ist als Oberbuchhalter der Nation niemand, von dem man kreative Ideen erwarten kann.
– Biden ist die letzte Patrone der demokratischen Partei-Spitze (bevor die Partei Beute ihres progressiven Flügels wird – Maria hilf !!). Er soll
— die konservativen Wähler binden, denen Trump zu radikal ist,
— die von den Republikanern desertierten Neo-Cons bei der Stange halten,
— den Großspendern der Partei neue Investitionsmöglichkeiten in fremden Ländern eröffnen,
— genügend Zeitgeist inhalieren, damit der progressive Flügel der Demokraten auch ein wenig Freude hat.
Ein bisschen viel für einen konservativen Parteisoldaten weit jenseits der Pensionsgrenze.
– von den Laien ist …
So könnte ich endlos weitermachen.
Deshalb die Gegenfrage: Wo sind die Hoffnungsträger?
ebo
25. August 2023 @ 14:58
Derzeit gibt es wenig Hoffnung. Scholz könnte als der deutsche Hollande in die Geschichte eingehen, fürchte ich. Und nach Macron könnte Le Pen kommen.
Von der EU-Ebene ist bisher auch nichts zu erwarten. Oder wäre Rutte besser als von der Leyen? Wohl kaum.
KK
25. August 2023 @ 13:47
” „Wir haben erlebt, dass mit rationalen Entscheidungen, rationalen Maßnahmen, die man zwischen zivilisierten Regierungen trifft, dieser Krieg nicht zu beenden ist“”
Beim wiederholter Reflektion dieses Baerbock-Zitats setzt sich eine Frage bohrend in meinem Hirn fest:
Was wäre denn nach Baerbocks Meinung wohl die “irrationale Entscheidung”, “diesen Krieg” zu beenden?
Ein Eingreifen der NAhTOd vielleicht bis hin zur nuklearen Eskalation und der weitgehenden Zerstörung EUropas, ganz sicher aber MittelEUropas? Während Baerbock samt Familie und politisch-bellizistischer Mischpoke schon auf Sonderflügen ins US-Exil gebucht sind?
KK
25. August 2023 @ 13:00
@ Thomas Damrau:
“In jedem Fall sprechen beide Erklärungen nicht für den Politiker Selenskyj.”
Selenskyj ist ja auch gar kein Politiker – er ist ein Schauspieler, der einen Politiker spielt!
Die Politik betreiben im Hintergrund ganz andere, die ihm das Drehbuch schreiben, und die heissen wahrscheinlich in erster Linie Biden, Nuland und – zumindest bis zum Krieg – auch Kolomojskyj (nicht nur der Eigentümer des TV-Senders, der Selenskyj bekannt gemacht hat, sondern als einer der reichsten Ukrainer auch ein massgeblicher Förderer und Geldgeber nationalistisch-faschistischer Kampfregimenter wie ASOW und anderer).
Katla
25. August 2023 @ 12:59
@ Kleopatra: “Aber warum sollte ein Land gegenüber einer feindlichen Macht kapitulieren…”
Die von Ihnen behaupteten genozidalen Absichten Russlands sind derart unterste Propagandaschublade (ähnlich dem Russenbild der Deutschen im 2. Weltkrieg), dass ich es einfach mal ignoriere.
Sie sollten bei Ihrer Liebe für die Ukraine und für das ukrainische Volk aber eines bedenken: nach allen frei verfügbaren demographischen Indikatoren sieht es so aus, dass die Ukraine demographisch bereits jetzt die maximale und schon jetzt unumkehrbare Katastrophe durchmacht. Man kann natürlich aus lauter Liebe zu diesem Volk sagen, oh ja, kämpft bis zum letzten Mann und wenn es noch Jahre dauert. Für manche mag es moralisch erscheinen, ein ganzes Volk für die sog. Gerechtigkeit zu opfern, ich bin da anderer Meinung. Wenn man eine zwar territorial souveräne, aber leere Staatshülse und ein aussterbendes Volk als adäquates Ergebnis der legitimen Selbstverteidigung ansieht, dann sollte man in diesem Fall unbedingt weiter für “Gerechtigkeit” trommeln und die Ukraine zur weiteren “Selbstverteidigung” ermuntern.
Und nein, Putin ist nicht an allem schuld, weil er die Ukraine angegriffen hat – diese Entwicklungsstufe hat man hier im Westen früher schon im Kindergarten überwunden. Ein Konflikt wird immer von allen Konfliktparteien gestaltet – wenn sich Selenskij sehenden Auges für die Weiterführung eines aussichtslosen Krieges entscheidet, obwohl sein Land und sein Volk bereits jetzt in jeder Hinsicht und demographisch unwiederbringlich zerstört sind, dann ist das ganz allein seine Entscheidung.
Helmut Höft
25. August 2023 @ 12:19
@ Thomas Damrau
– Verzicht auf NATO-Mitgliedschaft (das wollten die USA nicht) Hä? Was haben denn die Amis damit zu tun, die gehören doch zu den Guten!? 😉
– Umsetzung von Minsk II (das wollten die Rechten in der Ukraine nicht) Umsetzung nach ~ 10 Jahren? Heißt das nicht auch, dass der Wertewesten® sich selbst enttarnen muss? (“War alles nur Fake um Zeit für die ukrainische Armee zu schinden”!)
– Schwierige Verhandlungen zum Status der Krim (was in jedem Fall zu einer längeren Hängepartie geführt hätte) Ein Blick auf die Landkarte hat 2014 schon gezeigt, wer da gegen wen antritt.
_________
Wer hat denn da erwartet, dass Annalena aus Borbeck irgendwas von irgendwas versteht, gar von Ökonomie, dem Völkerrecht oder (US-)Geopolitik? Es hat gerade mal zum “Global Young Leader” und zur Mitgliedschaft in der Atlantik-Brücke. 🙁
Armin Christ
25. August 2023 @ 08:55
Was ist denn rational oder gar zivilisiert an Frau Baerbocks Äußerungen ? Arrogant und selbstgefällig kann ich sie nur verstehen – das soll ein Tabu-Wanken sein ?
Cornelia Henke
25. August 2023 @ 08:51
Zitiert: „Allerdings stellt sich nach mehr als einem Jahr Krieg die Frage, ob moralisch und rechtlich daraus immer noch die Fortführung des Krieges abgeleitet werden kann. Denn inzwischen hat der Krieg einen enormen Preis an Menschenleben, Zerstörung, ökonomischen und politischen Kollateralschäden in der Ukraine und weltweit gefordert.“
Das Kohlhaas-Syndrom: Wenn „Waffenstillstand“ zum Bäh-Wort wird
Frieden das Unwort des Jahres 2023!
Zudem muss sich die EU fragen lassen, ob sie nicht mit zweierlei Maß misst:
Der Krieg im Irak (Angriffskrieg), an dem viele EU-Länder beteiligt waren, der gescheiterte Nato-Einsatz in Afghanistan oder die Gräuel in Libyen bleiben ungesühnt? Eine lange Liste von Massakern – Aber na ja – wir sind die Guten
16. September 1982 das Massaker von Sabra und Schatila es gab nie eine Aufarbeitung und auch der internationale Gerichtshof kam nicht zum Einsatz. Da haben die Resolutionen Nr. 521, 19 September 1982/ Resolution Nr. 37/123 der Vereinten Nationen auch nichts genützt. Die Verbrecher sind noch heute aktiv.
Noch mehr „Friedensmissionen der USA/EU und die Apokalypse ist keine Zukunftsvision, sondern ein Versprechen!
Thomas Damrau
25. August 2023 @ 07:41
@Kleopatra
@Kleopatra
Natürlich war mein Beitrag als Provokation gedacht. Ich weiß natürlich nicht, welche Gespräche zwischen den USA und der Ukraine während der Regierungszeit Selenskyjs stattfanden und was dort besprochen wurde.
In jedem Fall wurde im Jahr 2021 die Zusammenarbeit zwischen der Ukraine und der NATO vorangetrieben ( https://www.sueddeutsche.de/politik/ukraine-manoever-mit-nato-truppen-1.5415919 ). Selenskyj hat 2021 von einer baldigen „De-Okkupation“ der Krim geredet ( https://www.n-tv.de/politik/Selenskyj-Countdown-fuer-Rueckholung-laeuft-article22758971.html ). Daraus habe ich damals geschlossen, dass Selenskyj sich der Rückendeckung durch die USA sehr sicher wahr.
Woher kam Selenskys Optimismus? Da sehe ich zwei alternative Erklärungen:
– Entweder gab es wirklich massive Ermunterungen von Seiten der USA: „Mach mal, Wolodymyr – falls Putin Amok läuft (was wir nicht glauben), helfen wir Dir.“
– Oder Selenskyj hat die Möglichkeiten der NATO, ihm im Zweifelsfall zu helfen, völlig falsch eingeschätzt.
Zur zweiten Erklärung passt, dass Selenskyj immer wieder versucht, die NATO zum direkten Eingreifen zu bringen (Stichwort: Flugverbotszonen, Getreidetransporte im Schwarzen Meer).
In jedem Fall sprechen beide Erklärungen nicht für den Politiker Selenskyj. Ob Selenskyj zurücktreten muss oder einfach nur von seiner Forderung „zurück zu den Grenzen von 2013“ Abstand nehmen muss, ist dabei zweitrangig.
In jedem Fall wird die Idee „Was legitim ist/scheint, muss militärisch durchgesetzt werden“ nicht durch eine höhere göttliche Gewalt abgesichert, die für Gerechtigkeit sorgt. Wie so oft in der Geschichte klafft auch im Ukraine-Krieg eine große Lücke zwischen Wünschenswertem und Realisierbarem (wie auch in Afghanistan, Libyen, Iran, Nordkorea, Ungarn, …).
Interessant finde ich Ihr Argument, Selenskyj müsse im Amt bleiben, um Friedensverhandlungen führen zu können. Bei Putin ist das Denkmuster ja umgekehrt: „Putin muss weg, bevor man in Friedensverhandlungen eintreten kann.“
Normalerweise kommt man einfacher aus einer Sackgasse heraus, wenn die Personen, die sich in die Sackgasse verrannt haben, aus dem Spiel sind.
Übrigens: Selenskyj hat zwar mit dem Versprechen „Ich werde mich mit Putin einigen“ die Wahl gewonnen, aber danach wenig getan, um zu einer Einigung zu kommen. Vermutlich ist Selenskyj damals schnell klar geworden, dass Verständigung mit Russland bedeutet:
– Verzicht auf NATO-Mitgliedschaft (das wollten die USA nicht)
– Umsetzung von Minsk II (das wollten die Rechten in der Ukraine nicht)
– Schwierige Verhandlungen zum Status der Krim (was in jedem Fall zu einer längeren Hängepartie geführt hätte)
Wenn Selenskyj Pech hat, kommt er mit einem schlechteren „Deal“ aus dem Krieg heraus.
Stef
25. August 2023 @ 06:43
@ Kleopatra:
Haben Sie für die angeblichen genozidalen Absichten der russischen Staatsführung irgendwelche Belege? Ich höre immer nur halbgare Vorhaltungen, man entführe Kinder und begehe Kriegsverbrechen. Obwohl diese (wie üblich in einem laufenden Krieg) umstritten und unbelegt sind, wird dann darauf noch die Schlussfolgerung einer Absicht montiert. Das würde mir als Beleg nicht reichen. Für die von Ihnen behauptete Absicht, die ja auch offen kommuniziert sein soll, müsste es doch Belege geben so wie z.B. eine offizielle Verlautbarung oder eine öffentliche Äußerung von Präsident oder Außenminister.
Kleopatra
24. August 2023 @ 23:49
@Thomas Damrau: Nach Ihrem Beitrag könnte man meinen, Zelens’kyj sei ein durchgeknallter Militarist, der mit einem Kriegsprogramm die Präsidentschaftswahl gewonnen und im Februar 2022 unprovoziert Russland angegriffen hat.
Ich halte Sie für zu intelligent, als dass Sie nicht wissen könnten oder müssten, dass es genau umgekehrt war (Zelens’kyj war ausgesprochen auf Verständigung mit Russland aus, aber Russland bzw. sein Präsident strebten seit langem – siehe Putins Aufsätze vom Juli 2021 – die “Heimholung der Ukraine ins russische Reich” an). Auch Ihre Unterstellung, dass alle Entscheidungen Zelens’kyjs von den USA inspiriert oder gesteuert wären, ist nicht mehr als eine böswillige Unterstellung (freilich haben die USA die Ukraine ausführlich über ihre geheimdienstlichen Erkenntnisse über die russischen Kriegsvorbereitungen informiert, und das hat offenbar zur Abwehr der ersten Angriffsphasen eine entscheidende Rolle gespielt). Ihre Idee, Zelens’kyj sollte zur Vorbereitung einer Kapitulation der Ukraine zurücktreten, ist auch unsinnig, denn eine Kapitulation setzt eine existierende Autorität seitens der kapitulierenden Seite voraus (oder wollen Sie darauf hinaus, dass er für eine von Putin ferngesteuerte Marionettenregierung Platz macht?). Aber warum sollte ein Land gegenüber einer feindlichen Macht kapitulieren, die ihre genozidalen Absichten offen kommuniziert und die in den zeitweilig besetzten Gebieten demonstriert hat, dass sie keinen Funken der nach Kriegsrecht üblichen Rücksichtnahme auf Zivilisten auszuüben gedenkt?
Thomas Damrau
24. August 2023 @ 21:22
@Kleopatra
Die Beendigung des Konflikts hängt nicht von Waffenlieferungen ab – weder die Beendigung noch die Erweiterung der Lieferungen wird viel ändern. Das Patt ist relativ stabil.
Als erster Schritt aus dem Schlamassel müsste Selenskyj vor sein Volk treten und mit dem Wortgeklingel aufhören: „Sorry Leute, ich habe mich verspekuliert. Frau Nuland hat mir gesagt, dass sie die Ukraine in die NATO und die EU bringt, ohne dass Putin Widerstand leistet. Die Russen hätten, so Nuland, seit den 1990ern immer wieder gegen die Erweiterung der NATO protestiert, aber am Ende nix dagegen unternommen. Putin habe halt keine Cochones. Das war leider eine Fehleinschätzung. Und jetzt haben wir die Barbaren im Haus. Und ich befürchte, die Barbaren werden sich nicht vertreiben lassen, ohne dass wir territoriale Zugeständnisse machen. Es tut mir leid und ich trete hiermit zurück.“
Das wird Selenskyj sicher nicht machen – aber es würde sehr viele Tote vermeiden helfen. Man darf ja mal träumen.
ebo
25. August 2023 @ 14:03
Solange der Westen seine Waffenlieferungen mit der ausdrücklichen Absicht verknüpft, die russischen Truppen zu vertreiben und Russland niederzuringen, wird der Krieg weiter gehen. Aus russischer Sicht sind diese Lieferungen eine existentielle Bedrohung, wie man sogar bei der Nato in Brüssel eingesteht (natürlich nur im vertraulichen Hintergrund-Gespräch ohne Namensnennung).
Daraus lässt sich natürlich nicht schließen, dass der Krieg bei Einstellung oder Mäßigung der westlichen Lieferungen enden würde – vermutlich würde Russland dann seinen militärischen Vorteil nutzen. Diese kleine Gedankenexperiment zeigt aber, dass es keine militärische “Lösung” gibt; ein Ende des Krieges muß auf anderem Weg gesucht werden.
Kleopatra
24. August 2023 @ 20:08
@ebo: Wenn Waffenlieferungen “nur das Drama (verlängern)”, muss man jedenfalls überlegen, was geschieht, wenn sie beendet werden. Die Folge wäre ein relativ baldiger Zusammenbruch der ukrainischen Armee und entweder ihre Kapitulation oder Unterwerfung.
Wir haben es mit einem großen Staat zu tun, der seinen kleinen Nachbarn nicht nur überfallen hat, sondern auch offen zugibt, dass er die Ukraine total unterwerfen will. Beispiele: Timofej Sergejcev, Čto Rossija dolžna delat‘ s Ukrainoj -https://ria.ru/20220403/ukraina-1781469605.html erklärte Anfang April 2022, dass Russland eine brutale Umerziehungspolitik betreiben solle, da große Teile des ukrainischen Volkes gegenüber Russland schuldig geworden seien, und sieht bestenfalls um L’viv eine Art “Homeland” für Unverbesserliche vor, aber unter strenger Kontrolle. Die Aktionen zur Verschleppung ukrainischer Kinder und ihrer Adoption durch russische Familien erfüllen einerseits einen Teiltatbestand des Völkermordes, andererseits erinnern sie an ähnliche Aktionen der Nazis in besetzten osteuropäischen Ländern. D.A. Medvedev, immerhin Präsident des Sicherheitsrats der RF, erklärte in seinem Telegram-Kanal am 19.8.2023 wörtlich u.a.: “Wir dürfen nicht stillhalten, solange das seinem Wesen nach terroristische ukrainische Staatswesen nicht vollständig demontiert ist. Es muss in Schutt und Asche gelegt werden. Besser noch so, dass noch nicht einmal Asche davon übrigbleibt. Dass diese Scheußlichkeit nie, unter keinen Umständen, wieder hochkommen kann. Wenn dafür Jahre oder gar Jahrzehnte nötig sind, dann sei es so.”
Das überzeugendste Argument, weshalb eine Einstellung der Waffenlieferungen an der Ukraine keinen Frieden bringen würde, sind m.E. derartige Äußerungen russischer Vertreter.
Annette Hauschild
28. August 2023 @ 10:35
Nun ja, bei den Ukrainischen Nationalisten kann man durchaus ähnliche ‘Töne vernehmen, Se müssen nur mal hinhören. Z.. was mit den ‘”Russen” den “Orks” passieren soll, wenn die Krim wieder erobert wird, oder das Donezkbecken. Da gibt es jede Menge Äußerungen. Oder haben Sie davon noch nie etwas mitgekriegt?
Thomas Damrau
24. August 2023 @ 19:40
Unsere Praktikantin Annalena strapaziert mal wieder die Grenzen der abendländischen Logik. Wenn „mit rationalen Entscheidungen, rationalen Maßnahmen, die man zwischen zivilisierten Regierungen trifft, dieser Krieg nicht zu beenden ist“, stellt sich mir die Frage „Womit dann?“
Nach den Gesetzen der Logik wäre „mit irrationalen Entscheidungen oder irrationalen Maßnahmen, die man mit möglicherweise unzivilisierten Regierungen trifft“ die (grobe) Umkehrung von Baerbocks Aussage. Ob dieser Ansatz helfen würde?
Aber vielleicht hat Annalena ja falsch abgelesen, und sie wollte empfehlen, dass wir aufhören, auf „irrationale Entscheidungen und Maßnahmen“ zu setzen und endlich mal Rationalität walten lassen.
Viele Fragen – wie so oft, wenn Empörung den Akteuren das Hirn verklebt.
Katla
24. August 2023 @ 17:38
Es ist mir wirklich schleierhaft, welche “rationalen” Entscheidungen, “rationale” Maßnahmen sie meinen könnte – als Industrieland sich selbst von russischer Energie abzuschneiden, ohne adäquaten Ersatz als rationale Massnahme? Massive Waffenlieferungen, auch schwerer Waffen in ein Kriegsgebiet als rationale Entscheidung? Die Einführung von Bumerang-Sanktionen -rational? Die Zerstörung aller Beziehungen zu Russland auf Jahrzehnte, obwohl Russland eine unbestreitbare Realität ist – rational?
Für die Beendigung des Krieges hat diese Frau bisher jedenfalls nichts getan, aber eine ganze Menge dafür, ihn immer wieder auf eine neue Eskalationsstufe zu heben, s. ihre Meinung zu den Taurus-Lieferungen. Aber vielleicht meint sie es so, wenn durch den massiven Einsatz von noch mehr Waffen alle tot sind, dann ist der Krieg automatisch zu Ende, dann hat man ja etwas für sein Ende getan? Da hätte sie ja wirklich mal recht.
ebo
24. August 2023 @ 17:48
Sie glaubt, durch Waffenlieferungen könne man den Krieg beenden. Genau wie Borrell. Dabei verlängern sie nur das Drama – und sie schwächen Deutschland und die EU…
KK
24. August 2023 @ 16:05
“Ihr (längst überfälliger) Tabubruch wurde ausgerechnet am ukrainischen Nationalfeiertag bekannt…”
Nicht, dass sie noch auf der Todesliste der ukrainischen Regierung landet… Engel fallen schnell, wie ihr Regierungs-Chef ja erst unlängst zu verkünden wusste.
KK
24. August 2023 @ 16:03
“Schließlich gab es bereits im März 2023 Versuche, diesen Krieg zu beenden.”
Ein Jahr vorher bereits, im März 2022 – falls ich korrigierend eingreifen darf… zB durch Naftali Bennett aus Israel.
ebo
24. August 2023 @ 16:33
Stimmt, wird geändert!
Arthur Dent
24. August 2023 @ 15:37
Ach! Nein? Wirklich? Dass man das noch erleben darf. Und dabei war Russland doch ein “ökonomischer Zwerg”. Und jetzt? Alles wieder zurück auf Anfang – wir tun so, als hätte es die Sanktionen nie gegeben?
Und hatte sie denn dem Habeck eigentlich nicht zugehört? Der hatte doch gesagt, wir werden alle ärmer werden, das ist doch klar. Jeder müsse seinen Beitrag leisten. Die Frage ist, wer ist wir? Höhere Preise bedeuten immer auch steigende Erlöse, die bei irgendjemandem hängen bleiben.
“Baerbocks Aussagen haben dennoch ihren Wert. Denn sie zeigen, dass die Bundesregierung an ihrer eigenen Politik zu zweifeln beginnt” – vermutlich wird ihr mulmig angesichts der ständig steigenden Umfragewerte der AfD.
european
24. August 2023 @ 15:01
Der beste Kommentar zu Annalena Baerbock kam von Dieter Nuhr. “Es ist ja jetzt Karneval und Annalena Baerbock geht als Aussenministerin.”
https://youtube.com/shorts/_NgARx8UrkA?feature=shared
Damit ist alles gesagt.