Aufgelesen: “Deutschland verhindert Lösung der Asylkrise”

In Brüssel ist Urlaubszeit. Wir nutzen das „Sommerloch“, um lesenswerte Beiträge anderer Blogs und Medien zu präsentieren. Heute ein Beitrag zur Flüchtlingskrise und der unglücklichen deutschen Rolle in der geplanten europäischen Aslyreform.

Die Asylzahlen in Deutschland erreichen einen neuen Höchststand und machen die Bundesrepublik zum Spitzenreiter in der EU. Der Migrationsforscher Ruud Koopmans erklärt, warum die bisherige europäische Asylpolitik mehr Schaden als Nutzen bringt und warum Deutschland „entscheidende Schritte verhindert“.

Die Asylzahlen in Deutschland sind auf ein Rekordniveau gestiegen: Mehr als 243.000 Anträge gingen im vergangenen Jahr bei den Behörden ein. Damit ist die Bundesrepublik Spitzenreiter in der Europäischen Union, gefolgt von FrankreichSpanien und Österreich. Und auch in diesem Jahr sind die Antragszahlen in den ersten sieben Monaten mit 175.000 Asylanträgen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 78 Prozent gestiegen. Vor diesem Hintergrund wünschen sich viele Bundesbürger eine stärkere Kontrolle der Zuwanderung. Dass dies der Politik nicht gelingt, birgt nach Ansicht des Migrationsforschers Ruud Koopmans, Professor an der Humboldt-Universität zu Berlin, die Gefahr einer Demokratiekrise.

In einem Interview mit der „ Welt“ erklärt der Experte den starken Anstieg in diesem Jahr: „Während der eingeschränkten Mobilität und der Grenzschutzmaßnahmen in der Corona-Zeit mussten viele ihre Migration verschieben. Jetzt ist die Gelegenheit wieder da, also kommen wieder mehr.“ Von den jüngsten EU-Asylreformen hält er wenig. Die Umsetzung dieser Grenzverfahren könne noch lange dauern – wenn die Reformpläne überhaupt so vom EU-Parlament verabschiedet werden.

„Ein Grundproblem bleibt in jedem Fall: Was geschieht mit den Menschen, die in die geplanten Grenzverfahren kommen und abgelehnt werden? Können sie zügig zurückgeführt werden? Nein“, so Koopmans zu „Welt“.

Solange das Problem der Rückführung nicht gelöst sei, werde sich nichts ändern. Eine Lösung sei nur durch Abkommen mit Herkunfts- und Transitstaaten möglich, einschließlich einer Ausweitung des Prinzips der sicheren Drittstaaten.

Grundsätzlich ist der Migrationsforscher vom europäischen Asylsystem wenig überzeugt. Es koste mehr Menschenleben als es rette, schreibt Koopmans etwa in seinem Buch. Wie er zu diesem Schluss kommt, rechnet der Experte vor: In den vergangenen zehn Jahren seien mehr als 25.000 Menschen bei der Überquerung des Mittelmeers gestorben, mindestens 5000 auf dem Weg durch die Sahara.

Nach Schätzungen des UNHCR starben sogar mehr Menschen auf dem Weg an die nordafrikanische Küste als auf dem Meer. Der Status quo der europäischen Migrationspolitik bedeute also 30.000 bis 60.000 Tote in den letzten zehn Jahren. „Auf der anderen Seite müssen wir uns fragen: Wie viele Menschenleben haben wir gerettet? Das sind verschwindend wenige.“

Weiterlesen auf FOCUS online. Siehe auch “Nordsee ist Mordsee – und alle schauen zu”