Auf Crashkurs
Der Brexit nimmt seinen Lauf – doch alle tun so, als könnten UK und EU Freunde bleiben. Kanzlerin Merkel hat dies Premier May sogar persönlich zugesichert. Doch es ist falsch – London, Brüssel und Berlin sind auf Crashkurs.
Das zeigt eine einfache Analyse der unterschiedlichen Positionen. May möchte zuerst über Handel sprechen, die EU über die Bürgerrechte. Brüssel fordert 60 Mrd. Euro, London will nicht zahlen.
Allein das birgt schon Sprengstoff. Hinzu kommt, dass May parallel zur Scheidung auch über eine neue Partnerschaf verhandeln will. Merkel & Co., lehnen das ab – Streit ist programmiert.
Ärger wird es auch innerhalb der EU-27 geben. Die Briten werden versuchen, die EUropäer zu spalten. Schon jetzt liegen die Positionen weit auseinander; vor allem Polen gilt als anfällig für britische Attacken.
Und das nicht nur wegen der mehr als eine Million Polen, die in UK leben und arbeiten und nun um ihre Zukunft fürchten. Die rechtsnationale Regierung in Warschau liegt auch mit der EU über kreuz.
Wenn man dann noch die britische Außenpolitik betrachtet, wird endgültig klar, dass die EU auf Crashkurs ist. May droht in ihrem Brexit-Brief unverhohlen, Militär und Geheimdienste als Hebel zu nutzen.
Trumps trojanisches Pferd
Gleichzeitig versucht US-Präsident Trump, UK als trojanisches Pferd einzusetzen: Beim Handel, in der Außenpolitik, in der Flüchtlingspolitik etc. Die Briten sollten eine Führungsrolle einnehmen, so Trump.
Zwar wehrt sich May gegen die Umarmung – doch wie lange noch? Wenn sie nicht den gewünschten Deal mit der EU bekommt, könnte sie sich schnell auf ihre “special relationship” mit den USA besinnen.
Doch die EU tut immer noch so, als könne sie die Rechnung ohne Trump und seine britischen Fans machen. Über Außenpolitik wurde am Tag eins des Brexit kein einziges Wort in Brüssel verloren.
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Pflicht zur Loyalität – vergessen?
Zudem hat es die EU versäumt, die Briten an ihre Pflicht zur Loyalität zu erinnern. Solange sie noch EU-Mitglied sind, dürfen sie nicht ausscheren, sondern müssen sich an die Regeln halten.
Doch was, wenn London das einfach ignoriert? Was, wenn May beginnt, EU-Beschlüsse zu blockieren, wenn sie nicht ihren Willen bekommt? Die EU müsste gegensteuern und rote Linien ziehen.
Hat man das einfach nur vergessen – oder sich nicht getraut? Fest steht, dass am B-Day fast nur nette Worte gewechselt wurden. Vom drohenden Crash sprach keiner…
Mehr zum Brexit hier
Ein Europäer
31. März 2017 @ 08:12
Die EU wird/will ein ähnliches Spiel mit den Briten spielen genau wie mit Griechenland. Die Briten müssen, aus Sicht der EU bullies, erst alle gestellten EU-Förderung erfüllen, dann kann man über einen Deal reden.
Das ist so Arrogant und überheblich ein Land wie Großbritannien so zu behandeln.
Dr. Strangelove und die restliche EU Bullies reden über Regeln die Großbritannien akzeptieren muss. Wobei mit Regeln hier sind Förderung gemeint.
Ich wünsche Theresa May und Großbritannien viel Glück.
ebo
31. März 2017 @ 09:21
Das kann gut sein. Allerdings glauben einige, dass UK – anders als Griechenland – einen Plan B hat (den harten Brexit ohne Einigung). Außerdem droht May ja schon durch die Blume mit Konsequenzen für die Sicherheitspolitik. Ganz so unvorbereitet wie Tsipras geht sie nicht in die Battle…
Peter Nemschak
31. März 2017 @ 21:27
Der Beitrag des UK zur Sicherheitspolitik ist etwas wert. aber es geht auch ohne ihn, wenn die Rest-EU entsprechend investiert.Nichts und niemand ist unersetzbar.
winston
31. März 2017 @ 13:19
@ Europäer
1) Ja die Überheblichkeit und Arroganz des deutschen “EU”ropa ggü UK und nicht nur ggü UK ist nur noch zum kotzen. Die Kraftausdrücke gewisser deutschen Politiker ggü ihren Europäischen und seit kürzlich amerikanischen Partner ist nur noch erbärmlich und lässt dunkle Erinnerungen wieder hoch kommen.
2) UK ist nicht Griechenland.
3) Verhandlungstechnisch wird die deutsche EU vs. UK kein Stich machen und befindet sich in einer Position der Schwäche aus dem einfachen Grund: Der Britische Markt ist für das Exportorientierte (dank Merkel) deutsche “EU”ropa viel zu wichtig. Die EU kann schlicht und einfach sich nicht erlauben UK als Absatzmarkt zu verlieren, das wissen auch die EU Schaumschläger und das weiss auch May und ihre Berater sehr gut. UK ist verhandlungstechnisch in einer Position der Stärke.
Übrigens die britischen Manufakturbetriebe frohlocken. Die Auftragserwahrtung britischer Manufakturbetriebe soll sich auf ein 22 Jahreshoch befinden, dank Pfund-Sterling Abwertung.
Post Skriptum:
Deutschland führt sich seit der Euro-Krise auf, als ob ihr ganz Europa gehöre. Es sieht so aus als Europa und die Welt ein drittes mal innert 100 Jahren sich mit der “Deutschen Frage” befassen muss und vermutlich befassen wird. Hatte das nie für möglich gehalten.
Oudejans
31. März 2017 @ 22:03
Ein geläufiges englisches Bonmot dazu: One world cup, two world wars.
Der Oberst
30. März 2017 @ 15:53
Bin ja gespannt welches EU-Mitgliedsland als erstes mit England verhandelt. Ich tippe auf die BRD. Merkel wird versuchen für die deutsche Wirtschaft einen erträglichen Deal auszuhandeln. Brüssel wird mit leeren Händen darstehen. Außer natürlich man würde die Schotten in ihrem Austritt aus der englischen Union unterstützen. Das würde May würde das überhaupt nicht schmecken. Aber dazu fehlt der EU den nötigen Willen.
hintermbusch
31. März 2017 @ 06:33
Wenn die EU die Unabhängigkeit der Schotten unterstützt, muss auch die Unabhängigkeit Bayerns von Preußen auf die Tagesordnung und die Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien.
Der Oberst
1. April 2017 @ 20:27
Die Engländer wolles aus der EU raus. Die Schotten hingegen wollen in der EU bleiben. Es soll sogar eine weitere Abstimmung geben um den Verleib von Schottland in der Union. Hier hätte die EU einen wunden Punkt um hart durchzugreifen. Deshalb passt der Vergleich mit den Bayern nicht.
Peter Nemschak
30. März 2017 @ 15:47
Jedes Land hat ein mehrdimensionales Optimierungsproblem von teilweise einander widersprechenden Zielen, verschärft dadurch, dass praktisch alle Variablen endogen sind. Wer am geschicktesten situativ agiert, hat in einer Situation eingeschränkter Sichtweite nach vorne die besten Karten. Auch die mächtigsten politischen Akteure kochen letztlich nur mit Wasser. Es ist eine Binsenweisheit, dass der historische Prozess ergebnisoffen ist und Voraussagen daher stets gescheiter sind.
Peter Nemschak
30. März 2017 @ 08:45
Wenn die verbleibenden Mitglieder der EU intelligent sind – ich nehme an die Eliten sind es, stehen aber unter Druck ihrer Massen – werden sie sich nicht spalten lassen. Als ersten Schritt sollte die EU27 umgehend und in aller Stille ihre Ausgaben für Sicherheit massiv erhöhen, nachdem Sicherheit zum einen ein Problem der Vernetzung der Geheimdienste, zum anderen im heutigen Umfeld eine technologische Herausforderung ist. Der dadurch beschleunigte Eintritt der EU27 in die digitale Zukunft hätte auch wohltuende Wirkungen auf den zivilen Bereich. Gleichzeitig würde die EU27 gegenüber den USA aufholen. Auch hier zeigt sich, dass die geballte Wirtschaftskraft der EU, wenn es gelingt sie voll zur Wirkung zu bringen, stärker ist als das, was das UK Im Wettbewerb um Sicherheit auf die Waage bringen kann. Die relative Schwäche der EU27 besteht darin, dass sie in sich potentiell uneiniger ist als das UK, das allerdings auch ein Schottland-Irlandproblem zu lösen hat. Das Thema Handelsbeziehungen erst nach Abschluss der Austrittsmodalitäten anzugehen, ist aus EU-Sicht taktisch richtig, wird aber, so steht zu befürchten ,während der nächsten zwei Jahre nicht durchzuhalten sein. Es wird ein spannendes Rennen werden.
hintermbusch
30. März 2017 @ 09:49
“Wenn die verbleibenden Mitglieder der EU intelligent sind … werden sie sich nicht spalten lassen.”
Gut gebrüllt Löwe. Aber was ist mit den bereits bestehenden Konflikten zum Beispiel mit Polen und Ungarn, mit Portugal und Griechenland? Bedeutet das, dass die 2 Jahre lang eingefroren werden? Auf wessen Kosten? Kaum vorstellbar. Sich nicht spalten lassen, klingt gut, bedeutet aber wenig.