Niemand hat die Absicht, von einer Eurokrise zu reden
Tage-, ja wochenlang haben die Medien uns eingebläut, ein “Nein” beim Renzi-Referendum bedeute eine neue Eurokrise. Nun, da das “Nein” da ist, wird alles wieder abgesagt.
“Es gibt keinen Grund, von einer Euro-Krise zu reden”, erklärte Europa-Finanzminister Schäuble in Brüssel. Er vertraue in die “Institutionen”, sagte Neben-Europa-Finanzminister Moscovici.
Gemeint waren die italienischen Institutionen, die schon manche Krise überstanden haben – und nicht die Troika, die gerade wieder in Griechenland wütet. Rom werde schon eine Lösung finden, heißt es in Brüssel.
Insgeheim hoffen Schäuble und Moscovici wohl, dass nun wieder ein Technokratenregierung das Ruder übernimmt. Und dass die ungefragt alles macht, was die EU-Institutionen verlangen.
Doch das ist eine ungedeckte Wette – genau wie die Wetten, die derzeit an den Börsen laufen. Der DAX hat sich erholt, der Dow Jones hat kurz nach Handelsstart sogar ein neues Rekordhoch erreicht.
Angeblich war das Nein zu Renzi an den Aktienmärkten schon eingepreist. Doch ausgerechnet Deutsche Bank-Chef Cryan widerspricht, warnt vor einer “Gefahr” für Europa. Was stimmt denn nun?
Nun ja, italienische und deutsche Banken müssen nun zittern. Und die Eurogruppe muss sich auf harte Zeiten und neue Krisensitzungen einstellen, sie will es nur noch nicht sagen.
Wegen Griechenland dürfte es vor Weihnachten ohnehin noch eine Sondersitzung geben, das trifft sich doch gut…
Alexander
5. Dezember 2016 @ 22:10
“Rom werde schon eine Lösung finden, heißt es in Brüssel.”
Ich zitiere aus einer dpa-Meldung:
“Allerdings müsste ein Euro-Austritt sowieso im Parlament entschieden werden und bisher gibt es kein festgeschriebenes Regularium, wie ein Land überhaupt aus dem Euro aussteigen kann. Für Gianluca Salford von der Bank JP Morgan ist eine “Italexit”-Mehrheit im italienischen Parlament unwahrscheinlich. Die Finanzmärkte würden die Politik schon rechtzeitig auf Linie bringen.”
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/news/politik/wahlen-droht-der-italexit-aus-dem-euro-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-161204-99-417616
Peter Nemschak
6. Dezember 2016 @ 07:25
Zuerst braucht es einen Mechanismus, der einen geordneten Ausstieg ermöglicht. Dieser ist gar nicht trivial, da die Märkte sofort Chaos verursachen würden. Keiner will der Letzte sein, jeder will möglichst schadenfrei den Ausstieg überleben.
S.B.
5. Dezember 2016 @ 20:06
Es ist höchste Eisenbahn, dass die Versager-Eliten im Hintergrund eine halbwegs praktikable Exit-Strategie ausarbeiten. EU und Euro krachen auf jeden Fall zusammen. Daran gibt es keinen Zweifel mehr. Die Frage ist nur, ob es das totale Chaos gibt, oder dieses einigermaßen abgewendet werden kann. Ohne Exit-Strategie kommt Alternative 1, die auch enorme Verwerfungen zwischen den europäischen Ländern nach sich ziehen wird. Es wäre der letzte Beweis, dass wir von Totalversagern regiert werden.
Peter Nemschak
5. Dezember 2016 @ 21:42
Versagereliten? 70 Jahre Frieden in weiten Teilen Europas waren eine Leistung, die ihresgleichen in den letzten 500 Jahren europäischer Geschichte sucht.. Dessenungeachtet wäre es nun an der Zeit den Euro zu reformieren, damit jene Länder, die kulturell und wirtschaftlich nicht wollen oder können, geordnete Ausstiegsmöglichkeiten bekommen, ohne das Gesamtsystem zum Einsturz zu bringen.. Italien konnte sich seit den 70-iger Jahren nur durch periodisch wiederkehrende Währungsabwertungen über Wasser halten. Hatte Prof. Sinn vom IFO München unrecht, wenn er Ausstiegsmöglichkeiten aus dem Euro forderte? Wenn ja, warum?
S.B.
6. Dezember 2016 @ 09:00
Versager-Eliten sind die Leute, die über die europäischen Völker hinweg, undemokratisch EU und Euro konstruiert und umgesetzt haben. Beides sind Fehlprojekte ersten Ranges, deren Abwicklung mehr als schwierig wird. Wären wir bei EWG und Ecu geblieben (und den unbedingten Willen zum friedlichen Miteinander per freiem Handel vorausgesetzt), so hätte es die derzeitigen wirtschaftlichen Schwierigkeiten in dem Umfang nie gegeben. Begründung: Die Anpassungsmechanismen der nationalen Währungen (Abwertungsmöglichkeit) und nationalen politischen Zuständigkeiten hätten viel früher gegriffen. Es ist nicht die Aufgabe irgendwelcher europäischer Länder bzw. übergeordneter politischer Einheiten, irgendein europäisches Land zu reformieren. Dies obliegt allein der Bevölkerung des jeweiligen Landes (…nennt sich Demokratie).
Prof. Sinn hat natürlich Recht. Allerdings ist das nur die ex post-Sichtweise zur Schadensbegrenzung. Hätten die Versager-Eliten auf die fachlich sehr versierten Gegenstimmen gegen die Einführung des Euro gehört, wäre es nie zu diesem Schlamassel gekommen, in dem alle Mitgliedsländer nun stecken. Aber wenn sich die politischen “Eliten” (die in der ganz überwiegenden Zahl von Tuten und Blasen keine Ahnung haben) in ihre Weltverbesserer-Utopien verrennen, gibt es ja, wie die Geschichte schon oftmals gezeigt hat, kein Zurück mehr. Leider ist die Weltverbesserei zumeist genau ins Gegenteil umgeschlagen. So auch mit EU und Euro.
Susanne
5. Dezember 2016 @ 18:46
Und nun geht das Spielchen der Not, welche politisch bei Bedarf eine ist, weiter. Italien muss reformieren, um im euro zu bestehen. Durch diese Wahl sind wieder alle auf Gedeih und Verderb dem jetzigen Weg von Politik ausgeliefert? Und dieses, obwohl man in vielen Ländern der eu und der dortigen euro-Zone massive und vor allem beständige Protestwahlen beobachten kann? Noch kann man diese Protestwahlen durch den Zusammenschluss der etablierten Parteien als demokratische Masse negieren…aber: die Einschläge kommen immer näher.
Keine 10 Jahre mehr kann diese eu auf dieser Art und Weise die Mitnahme durch Wahlen negieren…man will Hoffnung auf Besserung nach 5 Jahren harten Verzicht für die Allgemeinheit . Das Spielchen zur Rettung von Banken kann man keine weitere 10 Jahre durchstehen…das müßte z.B. auch Draghi wissen.