Griechenland droht ein neues Memorandum
Das Geschachere um Griechenland wird immer verrückter. Als Gegenleistung für vage Schuldenerleichterungen soll Athen neuen Austeritäts-Maßnahmen nach 2018 zustimmen – es wäre das vierte Memorandum.
Wir erinnern uns: Der IWF will am laufenden dritten „Programm“ nur teilnehmen, wenn es signifikante Schuldenerleichterungen gibt. Die lehnt jedoch Bundesfinanzminister Schäuble ab.
Doch nun haben Schäuble und seine Gehilfen, womöglich auch der IWF, einen teuflischen Plan ausgeheckt: Man will zwar keine Schulden erlassen, aber den Schuldendienst auf dem Papier ein wenig erleichtern.
Im Gegenzug soll sich Athen verpflichten, auch nach dem Ende des laufenden dritten Programms neue Kürzungen und „Strukturreformen“ vorzunehmen. Es wäre der „4. Bailout“, schreibt Kathimerini.
Die Regierung Tsipras wäre, wenn sie sich darauf einließe, die erste, die gleich zwei Memoranden mit harscher Austerität akzeptiert – obwohl sie doch eigentlich angetreten war, die Austerität zu beenden!
Und das ist noch längst nicht alles: Um die nächste Kredittranche im laufenden Programm zu erhalten, soll Tsipras auch noch Massenentlassungen erleichtern und auf Tarifverträge verzichten.
Wenn er sich darauf einlässt, hätte er auch sein letztes Wahlversprechen gebrochen. Schäuble und die Bundesregierung hätten es geschafft, den Sozialstaat in Griechenland komplett abzuschaffen!
Und die EU-Kommission, die offiziell für einen „sozialen Pfeiler“ wirbt und die Austeritätspolitik beenden will, schaut schweigend zu – dabei könnte sie (als Teil der Troika) Nein sagen…
Siehe auch „Dieser Deal ist eine Falle“Â – einer der beliebtesten (und wichtigsten) Posts in diesem Blog
mrgarete52
3. Dezember 2016 @ 00:51
„Um die nächste Kredittranche im laufenden Programm zu erhalten, soll Tsipras auch noch Massenentlassungen erleichtern und auf Tarifverträge verzichten.“
Und dadurch wird dann die Wirtschaft angekurbelt und die „Schulden“ können zurückgezahlt werden?
„Schäuble und die Bundesregierung hätten es geschafft, den Sozialstaat in Griechenland komplett abzuschaffen!“
Genau darum ging es. Damit wäre das neoliberale Experiment für und in Griechenland abgeschlossen. Demokratie abgeschafft, Bürger entrechtet und ausgeplündert, aber die Oligarchie gestärkt und reicher denn je. Unsere schwarze Null kann stolz auf sich sein. Ohne Krieg hat ein solches Ergebnis bisher noch kein Deutscher Machthaber zu Stande gebracht.
Ich kann den europäischen Ländern nur noch zu erhöhter Vorsicht uns gegenüber raten!
Peter Nemschak
2. Dezember 2016 @ 10:21
@ebo die Produktivität der griechischen Wirtschaft lässt nach wie vor zu wünschen übrig. Ist die öffentliche Verwaltung in den letzten Jahren effektiver geworden? Wie sieht es mit dem Justiz- und Steuersystem aus? Gibt es im nennenswerten Umfang private Investitionstätigkeit? Auch die Energiewende in Richtung Solarenergie lässt auf sich warten.. Ich fürchte, Griechenland wird, unabhängig von der jeweiligen Regierung, ein wirtschaftliches Entwicklungsland bleiben.
Peter Nemschak
1. Dezember 2016 @ 13:16
Griechenland könnte überlegen den Euro zu verlassen. Vielleicht besser für alle Beteiligten.
S.B.
1. Dezember 2016 @ 16:19
Ich habe ja hier schon öfter gefragt, was die Griechen noch davon abhält, den Euro und die EU zu verlassen. Ohne kann es ihnen auch nicht mehr schlechter gehen. Sie hätten aber immerhin die Möglichkeit, ungegängelt von EU und Euro zu versuchen, wieder auf die Beine zu kommen. Ich bin sehr gespannt, ob ich irgendwann noch einmal erfahre, warum die nicht gehen (gegangen sind).
riri rap
1. Dezember 2016 @ 19:57
Es ist ganz einfach – nach wie vor profitiert Griechenland gewaltig von der EU.
Alleine schon die Transferzahlungen aus dem Brüssler Etat von 5 MRD € für die Landwirtschaft etc. zusätzlich wurden EU Projekte verbogen so dass diese weder einen Nationalen Anteil erfordern noch fertig gestellt werden müssen. Auf diese Weise fliessen weitere 3 bis 10 MRD Euro Jahr für Jahr nach Griechenland und zu großen Teilen in korrupte schwarze Kanäle.
Dann übernehmen die Europäer die Finanzierung für die Griechen. D.h. die Reputation des ESM und des IWF führt zu massiv subventionierten Zinsen.
Aber alleine schon noch neues Geld zu bekommen ist nur durch die EU möglich.
Griechenland ist schlicht und ergreifen insolvent und lebt auf viel zu großem Fuß – soll heißen, das Geld für die Renten und Staatsgehälter wird durch die Steuereinnahmen nicht gedeckt. Rund 5 MRD – 10 MRD € könnte der Staat gar nicht bedienen würde er nicht durch die EU bei den Finanuierungskosten entlastet, Subventionen bekommen und obwohl nicht Kreditwürdig neue Kredite bekommen.
Ach ja 100 MRD € haben die Griechen vor ein paar Jahren ja als Geschenk für ihre Betrug (Erfüllung Masstricht Kriterium) bekommen.
Der Zugang zum EU Markt nutzt und nützen viele Griechen.
– Es sollen über 500K Griechen in den letzten Jahren in andere EU Länder ausgewandert sein um dort zu arbeiten und Geld zu verdienen. Das würde beim EU Austritt entfallen.
– Tausende Firmen haben ihre Konten und ihren Firmensitz ins Ausland verlegt um bessere Geschäfte zu machen.
– Die Schengengrenze wurde lange genutzt um durch Schmuggel und Schleusen ein paar MRD € schwarz nebenher zu verdienen. Das Schleusen ist seit die Balkanroute zu ist, nicht mehr so lukrativ.
Unterm Strich dürfte die EU Mitgliedschaft einen Mehrwert von 15 – 20 MRD Euro für Griechenland pro Jahr bedeuten. Der EURO steht auf einem anderen Blatt, er würde die Einkommen weg von Rente und Beamten hin zu den fleissigen, jungen Leuten verteilen.
ebo
2. Dezember 2016 @ 00:26
@riri rap Griechenland erzielt einen Primärüberschuss, d.h. der Staat nimmt (vor dem Schuldendienst) mehr ein als er ausgibt. Die These, dass es über seine Verhältnisse lebe, ist also falsch. Falsch ist auch, dass Athen von den Bailouts profitiert. Sie haben die Schuldenlast stetig vergrößert – nach dem 3. Bailout liegt sie fast doppelt so hoch wie zu Beginn der Krise. Die Arbeitslosigkeit auch.
bluecrystal7
3. Dezember 2016 @ 06:49
Sorry, aber das Argument, dass Griechenland immer noch „auf viel zu großem Fuß“ lebt, zieht einfach nicht mehr. Stimmt nicht, wie ebo es ja schon erklärt hat. Und die Durchschnittsrenten in Griechenland sind eben nicht so hoch wie viele meinen…