Gefährliche Signale aus der Eurogruppe
Sie müssen in einem Parallel-Universum leben, die Finanzminister der Eurogruppe. So haben sie nicht nur die Gefahr einer neuen Eurokrise in Italien heruntergespielt. Sie haben auch andere surreale Entscheidungen getroffen.
So soll Italien nun noch mehr sparen – und nicht etwa weniger, wie es bisher geplant war. Damit wird es für den Nachfolger des scheidenden Premiers Renzi noch schwieriger, das Land zu stabilisieren.
Auch Griechenland soll noch mehr kürzen – und zwar wahrscheinlich über das Ende des laufenden Bailouts hinaus. Das läuft auf ein viertes Memorandum hinaus, wie in diesem Blog schon angekündigt.
Gewonnen wird damit aber nichts. Denn Schäuble & Co. verweigern immer noch den Schuldenschnitt, den der IWF fordert. Die zentrale Frage, ob der IWF an Bord bleibt, wurde vertagt.
Last but not least haben die Euro-Minister es abgelehnt, die Fiskalpolitik zu lockern, wie dies die EU-Kommission gefordert hatte. Euroland geht also mit angezogener Handbremse in das Krisenjahr 2017.
Insgesamt sind dies gleich drei gefährliche Signale. Das Schlimmste ist aber, dass Schäuble & Co. die neue Realität in Rom, London und Washington leugnen. Sie machen weiter so, als wenn nichts geschehen wäre…
S.B.
6. Dezember 2016 @ 14:28
„Was die Deutschen davon haben, steht auf einem anderen Blatt.“ So ist es!
Peter Nemschak
6. Dezember 2016 @ 13:12
Der politische Druck kam von Frankreich und Italien. Ich bin Zeitzeuge.
ebo
6. Dezember 2016 @ 13:38
Ich bin auch Zeitzeuge. Zur fraglichen Zeit war ich Korrespondent in Paris. Und ich kann Ihnen sagen, dass Waigel und Tietmeyer alles durchgesetzt haben. Trichet war am Ende deutscher als die Deutschen.
S.B.
6. Dezember 2016 @ 14:11
@ebo: Noch einmal die Frage: Welchen Nutzen hatte und hat D davon? Siehe hierzu auch: http://think-beyondtheobvious.com/stelter-in-den-medien/zehn-gruende-warum-wir-die-verlierer-des-euro-sind/
ebo
6. Dezember 2016 @ 14:14
S.B. Was für eine Frage. Deutschland führt in Europa heute politisch und ökonomisch, die britische, französische und italienische Industrie wurden an die Wand gedrückt. Was die Deutschen davon haben, steht auf einem anderen Blatt.
Peter Nemschak
6. Dezember 2016 @ 16:45
Die Franzosen und Italiener bekamen letztlich zwar den geforderten Euro, aber nicht den, welchen sie sich vorgestellt hatten. Es wurde eine auf Euro umetikettierte DM, die ihrer Wirtschaftskultur fremd war. Eine Hartwährungspolitik setzt eine disziplinierte Lohnpolitik voraus, die in den romanischen Ländern traditionell nie gegeben war. Sollte Fillon gewählt werden, wird es spannend, wie er mit dem Thema Euro umgehen wird. Dass die Deutschen in letzter Zeit Lohnerhöhungen hatten, von denen ihre Nachbarn nur träumen können und welche damit auch den deutschen Inlandskonsum stützen, soll nicht unerwähnt bleiben.
Peter Nemschak
6. Dezember 2016 @ 12:11
S.B. Diesen Vorwurf müssen Sie jenen machen, welche den EURO (es war nicht Deutschland) erfunden haben. Damit er funktionieren kann, müssen die strukturschwachen Wirtschaften im Süden Europas produktiver oder durch Transferleistungen aus dem Norden gestützt werden. Beides ist politisch unerwünscht bzw. nicht durchsetzbar, weshalb Ausstiegsmöglichkeiten eröffnet werden müssen.
ebo
6. Dezember 2016 @ 12:17
@Nemschak Natürlich hat Deutschland den Euro erfunden. Die EZB ist ein Klon der Bundesbank, die Stabilitätsregeln wurden von Waigel diktiert, selbst der Name des Euro kommt aus Deutschland.
S.B.
6. Dezember 2016 @ 12:25
Wenn ich mich richtig erinnere, hätte es die deutsche Einheit ohne Teilnahme am Euro nicht gegeben (http://www.spiegel.de/politik/ausland/historischer-deal-mitterrand-forderte-euro-als-gegenleistung-fuer-die-einheit-a-719608.html). Jedenfalls haben die damaligen deutschen Polit-Idioten den Euro gefeiert wie Kleinkinder ihren Geburtstag und zwar gegen jeden vernünftigen Rat von sachverständiger Seite. Der Preis dafür, dass D dem Euro beitreten musste, war die Übernahme der Stabilitätsregeln der Bundesbank durch die EZB. Das begründet die Vermutung, dass der Euro von vornherein scheitern sollte.
ebo
6. Dezember 2016 @ 13:06
Unsinn. Über den Euro, damals noch ECU, haben schön Schmidt und Giscard gesprochen. Sie glauben doch selbst nicht, dass Mitterrand die Wiedervereinigung verhindert hätte – er war ja nicht einmal eingebunden, Kohl machte es im Alleingang!
S.B.
6. Dezember 2016 @ 13:25
Ich würde das nicht so kategorisch mit Unsinn abtun wollen. Meiner Ansicht nach, hat D mit dem Euro nichts hinzugewonnen. Wozu sollte D den Euro gehabt haben wollen? Um Europa defacto zu regieren? Um riesige Exportüberschüsse zu erzeugen, die von den Schuldnern niemals beglichen werden können? Oder einfach nur, damit die Polit-Elite Eine-Welt spielen kann?
ebo
6. Dezember 2016 @ 13:29
Die DM war doch schon Leitwahrung. Mit dem Euro entfällt das Abwertungsproblem, Frankreich und Italien verlieren ihre letzten Hebel
GS
6. Dezember 2016 @ 13:59
Eben weil die DM bereits Leitwährung war, war der alte status quo für Deutschland attraktiv.
Peter Nemschak
6. Dezember 2016 @ 10:55
Mit einer expansiven Fiskalpolitik lässt sich kurzfristig die Konjunbktur beleben, ohne tiefgreifende, politisch schwer durchsetzbare Reformen wird es allerdings kein nachhaltiges Wachstum geben und die Verschuldung weiter steigen. Eine expansive Fiskalpolitik würde zwar politisch bequem sein, aber Reformen weiter hinauszögern. Sollte die Eurozone daran scheitern, dann je früher desto besser. Nachdem Renzi für seine Reformen abgewählt wurde, ist dies ein Zeichen, dass die Italiener reformunwillig sind. Das kann man nicht der Eurogruppe anlasten.
ebo
6. Dezember 2016 @ 11:22
@Nemschak Man kann es sehr wohl der Eurogruppe anlasten, dass sie Italien nun auch noch neue Budgetkürzungen zumutet, obwohl die Neuverschuldung unter den 3 Prozent von Maastricht liegt. Und man muss es Schäuble anlasten, dass er sich weigert, eine expansive Fiskalpolitik in Deutschland zu machen, denn darum geht es im Kern.
Peter Nemschak
6. Dezember 2016 @ 11:50
Warum sollte Deutschland, wo die Konjunktur gut läuft, eine expansive Fiskalpolitik betreiben? Das wäre wider jegliche ökonomische Vernunft. Der Euro passt eben nicht für alle. Entweder passt sich der Süden durch Reformen an oder er verlässt den Euro. Um dies möglichst friktionsfrei zu gestalten, müssen geordnete Ausstiegsmöglichkeiten geschaffen werden. Auch bei einer eigenen Währung bliebe Italien, wie die 1970-iger Jahre gezeigt haben, von Währungskrisen nicht verschont, weil die Märkte nicht unbeschränkt bereit wären, das italienische Staatsbudget zu finanzieren. Die EU darf, um zu überleben, von den Bürgern nicht als Zwangsjacke empfunden werden.
ebo
6. Dezember 2016 @ 11:56
@Nemschak Das fordern auch IWF und OECD, siehe hier: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/oecd-deutschland-soll-mehr-in-industrie-4-0-investieren-14548008.html Derweil warnen die Arbeitgeber vor Mini-Wachstum 2017, siehe hier: http://www.n-tv.de/wirtschaft/IW-Forscher-sagen-Mini-Wachstum-voraus-article19151656.html
S.B.
6. Dezember 2016 @ 11:51
Das Kernproblem ist, dass es weder die Eurogruppe, noch Schäuble, noch sonst wen etwas angeht, was Italien reformiert und was nicht. Dieses ganze EU-/Euro-Konstrukt ist eine extreme Anmaßung und Einmischung von außen in Angelegenheiten souveräner Staaten. Die politische Elite setzt sich über diesen Fakt selbstherrlich hinweg und spielt mal eben Eine-Welt. Für die Quasi-Auflösung der Nationalstaaten wurden sie aber von niemandem legitimiert, schon gar nicht von deren Bevölkerungen. Das Ganze ist grober Unfug und gehört sofort beendet.
kaush
6. Dezember 2016 @ 10:18
Frei nach Clausewitz: Nichts ist schwerer, als der Rückzug aus einer unhaltbaren Position.
Und die Postion,in die sich Schäuble & Co. manövriert haben, ist unhaltbar.
Der Euro ist unhaltbar.
Das können sie nicht eingestehen.
Das Resultat in Italien:
„…Italien, selber Gründungsmitglied der Montanunion, war immer äußerst europafreundlich, geradezu europabegeistert. Das Land hat seit 25 Jahren eine hektische Serie von Reformen oder Reformschüben unter dem Druck Europas gemacht, die das Land dorthin gebracht haben, wo es heute steckt: Am Abgrund einer tiefen Bankenkrise und einer potentiellen Staatsschuldenkrise, die in einen zerstörerischen Prozess der Schuldendeflation wie in Griechenland münden können.
(…)
An diese Art von ‚Reformen’, die im Kern Stagnation, Abbau, Verarmung, Ausgrenzung, Entwürdigung und Hoffnungslosigkeit implizieren, ist der Glaube in Italien breit basiert verloren gegangen…“
https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2016/12/05/italien-sagt-nein-nicht-zu-europa-sondern-zu-korruption-und-nepotismus/
S.B.
6. Dezember 2016 @ 10:43
„Frei nach Clausewitz: Nichts ist schwerer, als der Rückzug aus einer unhaltbaren Position.“
Die wahre Größe einer Person macht es aus, sich Fehler einzugestehen, dafür gerade zu stehen und diese – soweit möglich – wieder gut zu machen. Das die herrschende Politiker-Kaste kein einziges Element davon erfüllt, zeigt ihre ganze Erbärmlichkeit. Stattdessen klammern die Nichtsnutze an ihren weltfremden Utopien, um ihre gut dotierten Posten nicht zu verlieren. Der ein oder andere wird es damit leider sogar noch bis ins Grab schaffen (nach mir die Sintflut), wenn es schlecht läuft.