Alles fürs Protektorat Ost

Nach der Ukraine sollen nun auch Georgien und Moldawien näher an die EU rücken. Ratspräsident Van Rompuy hat auf Reisen in beide Länder die Weichen gestellt, im Juni kommt es zum Schwur. Wieder einmal werden die EU-Grenzen nach Osten verschoben. Aber auch andere Hürden fallen.

Wenn es gegen Moskau geht, dann kann Brüssel so richtig Druck machen. In Rekordtempo wurden die neuen Assoziierungsabkommen vorbereitet, in Windeseile werden nun Fakten geschaffen.

Offiziell geht es dabei nur darum, die Staaten enger an Europa zu binden, weil sie von Russland bedrängt und gegängelt werden. Doch müssen dafür EU-Regeln über den Haufen geworfen werden?

  • Noch nie hat die EU so schnell so viel Geld bereitgestellt wie für die Ukraine und demnächst auch für Georgien und Moldawien. Dabei sind diese Länder nicht einmal für den EU-Beitritt vorgesehen – noch nicht.
  • Noch nie wurden alle Regeln über Good governance, Minderheitenrechte, Korruptionsbekämpfung etc. so nachlässig behandelt. Die EU fordert ihre Einhaltung nicht ein, sondern will das nötige Recht selbst schaffen – nachträglich.
  • Noch nie hat die EU ihre Handels- und Agrarpolitik so leichtfertig über den Haufen geworfen. Für die Ukraine wurden mal eben Zölle im Wert von 500 Mill. Euro abgeschafft, nun können Billig-Eier den Markt überschwemmen.
  • Noch nie wurden die internationalen Spielregeln so schnell geändert. Russland mutierte nicht nur über Nacht vom strategischen Partner zum Paria, für Moskau wurde auch eigens das EU-Sanktionsrecht geändert.
  • Noch nie hat man so fest beide Augen zugedrückt, wenn die Ukraine ihren „Anti-Terror“-Krieg führt, Moldawien die abtrünnige Region Transnistrien abriegelt oder Georgien die armenische Minderheit drangsaliert.
  • „Frozen conflits“ werden nicht etwa gelöst, sondern eher noch angeheizt – siehe Transnistrien. Dabei hatte sich die EU nach dem Debakel auf Zypern geschworen, nie wieder ungelöste Konflikte zu importieren.

All dies deutet darauf hin, dass es hier um mehr geht als um eine „normale“ Nachbarschaft, sondern um eine neoimperiale Politik. Zu einem Teil mag man dies auf das feindselige Verhalten Russlands zurückführen.

Dafür wagt man schon mal eine Grenz-Überschreitung

Genauso plausibel ist aber die Vermutung, dass es darum geht, die Grenzen in Europa ein für allemal neu zu ziehen. Dafür wagt man auch schon mal eine Grenz-Überschreitung, wenn es um die eigenen Spielregeln geht.

Letztlich macht Brüssel genau das, was es Moskau vorwirft: Es weitet seine Einflusszone aus – dabei haben Van Rompuy & Co. kein Mandat für eine neue Ost-Erweiterung bzw. ein neues Protektorat (im Kosovo gibt es schon eins).

Was mich besonders ärgert, ist, dass dies kein Thema im Europa-Wahlkampf ist. Bestenfalls wird über die Härte der Sanktionen diskutiert. Ob die ganze Richtung noch stimmt, steht gar nicht mehr zur Debatte…

Siehe auch „Annexion vs. Expansion“ und „Zweierlei Maß“