Wo Macron Recht hat
Frankreichs Präsident Macron hat mit mehreren Interviews zur China-Politik für Wirbel gesorgt. Deutsche Politiker zeigen sich schockiert, eine deutsche Nachrichtenagentur sieht Macron auf einer Linie mit der KP Chinas. Dabei hat er nicht viel Neues gesagt – in vielen Punkten hat er Recht. – English version here
Erst der “Hirntod” der Nato, nun der “Affront” gegen die USA: So stellen deutsche Medien die Aussagen von Macron nach seiner China-Reise dar. Dabei hat er lediglich davor gewarnt, in der Taiwan-Frage blinde Gefolgschaft zu leisten.
Man dürfe weder der amerikanischen Politik folgen noch eine chinesische Überreaktion provozieren – so die Kernaussage in einem Interview mit “Les Echos”. Zu gegebener Zeit müsse die EU vielmehr ihre eigenen Interessen definieren.
Was soll daran falsch sein? Ein Aufreger ist das nur für jene, die so tun, als seien amerikanische und europäische Interesssen identisch, und als müsse die EU auch in der Taiwan-Frage den USA nacheifern. Macron hat hier ganz klar einen Punkt.
Recht hat er auch mit der Einschätzung, dass Europa um “strategische Autonomie” kämpfen und sich zu einem “dritten Pol” in der neuen multipolaren Weltordnung entwickeln muß. “Ohne diese Autonomie scheiden wir aus der Geschichte aus”, warnt er.
Was sonst? Schon im Kalten Krieg hat die EU begonnen, sich von den USA zu emanzipieren. In den letzten drei Jahrzehnten hat sie sogar versucht, ein eigenständiger internationaler Akteur zu werden. Was fehlt, ist die “strategische Autonomie”.
Den Kampf um die Selbständigkeit nun ausgerechnet in dem Moment aufzugeben, da mit China, Indien, Südafrika oder Brasilien neue Akteure auf die Weltbühne treten, käme einer Selbstaufgabe und einer Beerdigung des europäischen Projekts gleich.
Kritik nur aus der zweiten Reihe
Nichts anderes hat Macron gesagt. Und genau so wurde er übrigens auch in Brüssel und Berlin verstanden. Weder die EU-Kommission noch die Bundesregierung haben sich von seinem Interview distanziert. Kritik kommt nur aus der zweiten Reihe.
Verdammt unglücklich war allerdings das Timing. Zudem bleibt unklar, wie die EU die “strategische Autonomie” erreichen soll. Die strategisch wichtige Gaspipeline “Nord Stream” wurde in die Luft gesprengt, bald legt Deutschland die letzten AKW still.
Bei seltenen Erden und vielen “grünen” Technologien ist EUropa auf Gedeih und Verderb von China abhängig. Bei der Rüstung geht nichts ohne die USA. Und nun machen uns die Amerikaner mit ihrem IRA-Subventionsprogramm auch noch die Industrie streitig…
Siehe auch “Geopolitik für Dummies”. Mehr zu Macron hier, zur China-Politik hier
P.S. Dass Macron falsch verstanden wurde, liegt auch an “Politico”. Das amerikanische Portal, das Springer gehört, hat seit Beginn der China-Reise versucht, den Franzosen in ein schlechtes Licht zu rücken und Streit zu stiften. Die meisten deutschen Medien beziehen ihre Zitate leider aus “Politico” und nicht aus französischen Original-Quellen wie “Les Echos”. Manches ist auch “Lost in Translation”, mehr dazu hier
KK
13. April 2023 @ 01:55
@ Klaus-Jürgen Voigts:
“Leider werden in unserem Land vom sog. Main Stream abweichende Meinungen ignoriert und nur beiläufig genannt – wenn überhaupt noch.”
Sie verkennen die Situation: abweichende Meinungen werden nicht ignoriert, sie werden stigmatisiert! Das ist eine ganz andere Nummer!
Klaus-Jürgen Voigts
12. April 2023 @ 16:33
Macron hat absolut das Richtige gesagt.
Die europäischen Interessen – und damit auch die deutschen – sind nicht identisch mit den amerikanischen. Das haben bereits andere Informierte – u.a. Klaus von Dohnany – gesagt.
Leider werden in unserem Land vom sog. Main Stream abweichende Meinungen ignoriert und nur beiläufig genannt – wenn überhaupt noch.
Europa muss sich auf eigene immer noch vorhandene Stärken beziehen und nicht blind den amerikanischen Anwürfen folgen, die grundsätzlich aus anderen historischen und vor Allem wirtschaftspolitischen Gründen entwickelt wurden und weiterhin werden.
Nicht zuletzt auch aus machtpolitischen Erwägungen.
KK
12. April 2023 @ 13:17
@ european:
“Es wird wohl einsamer werden um die EUCO-Präsidentin…”
Ja, es gibt heute wieder Personen in der Politik, wo ich die früher gängige Massnahme der “Verbannung” schmerzlich zu vermissen beginne.
Hat Deutschland nicht eine hundsteure Station in der Antarktis, die man für diesen Zweck so mal einer wirklich allen Bürgern zugutekommenden Bestimmung zuführen könnte? Sibirien steht uns ja wohl bis auf weiteres nicht zur Verfügung….
european
12. April 2023 @ 07:51
Es bröckelt in Europa: “European Council president says EU cannot ‘blindly, systematically follow’ Washington.”
https://www.politico.eu/article/europe-warming-up-to-macrons-strategic-autonomy-push-says-charles-michel/
Nun halte ich Michel nicht für den Inbegriff eines Politikers mit Rückgrat. Gerade bei ihm denke ich auch, dass er eher 2024 im Blick hat und deshalb so langsam den Rückwärtsgang einlegt, denn die Bevölkerungen der EU denken nunmal schon sehr lange völlig anders. Bemerkenswert allerdings ist dieser Satz: “Michel suggested that the French politician’s position was not isolated among EU leaders.”
Es wird wohl einsamer werden um die EUCO-Präsidentin, deren erster Agendapunkt in China ein Frühstück in der US-Botschaft war. Ohne Briefing geht da nichts. 😉
KK
12. April 2023 @ 03:25
@ ebo:
Das liegt aber nicht an den Kartoffeln, sondern dass sie in 13mm-Stäbe geschnitten und vor dem Frittieren nicht vorgekocht werden.
Belgische Fritten bekommt man auch aus deutschen Kartoffeln… 🙂
EUropa könnte so schön sein, wenn alle sich gegenseitig inspirieren… stattdessen fährt man gemeinsam die Karre, die man jahrzehntelang zusammengedengelt hatte, in nur einem Jahr völlig in den Dreck!
Arthur Dent
11. April 2023 @ 23:44
Bütikofer, Weber, Röttgen… die blubbern ihr Blabla in jedes hingehaltene Mikro. Macron, der große Kommunist… hahaha, ich lach mir ´n Ast.
“Nord Stream” wurde in die Luft gesprengt, bald legt Deutschland die letzten AKW still. – Seid getrost, bald kommt der grüne Wasserstoff – und bis dahin, baut Deutschland für die Welt Kartoffeln an. (wird der Plan endlich auch mal verwirklicht)
ebo
11. April 2023 @ 23:48
Die Kartoffeln aus Belgien sind aber besser – zumindest für Pommes
european
11. April 2023 @ 20:32
Kleine Randnotiz: Die Weltbank hat ihre Prognose für die russische Wirtschaft entscheidend nach oben korrigiert. Statt einer Schrumpfung um 3.3% geht sie nun von einer Kontraktion von ca. 0.2% aus. Für 2024 erwartet man ein Wachstum von 1.2% und 2025 von 0.8%. Trotz Krieg und Sanktionen.
https://intellinews.com/world-bank-upgrades-russia-s-2023-growth-forecast-to-0-2-contraction-275331/?source=russia
Für China prognostiziert die Weltbank ein Wachstum von 5.1%. Für Deutschland erwartet man einen Rückgang um 0.1% – und dass obwohl man diese 200 Mrd Finanzspritze gewährt hat.
Nurmalso.
KK
11. April 2023 @ 16:26
“Kritik kommt nur aus der zweiten Reihe.”
Und da muss man sich auch immer fragen, wollen sich die aus der zweiten Reihe nach vorn drängeln, oder werden sie von denen aus der ersten Reihe quasi als Vorhut vorgeschickt, um das Terrain zu sondieren? In diesen Fällen wartet die erste Reihe dann die Umfragen dazu ab und positioniert sich dann entsprechend…