Wie SWIFT von den USA zur Waffe umfunktioniert wurde – mit EU-Hilfe

Die USA wollen den Finanzdienstleister SWIFT nutzen, um Russland vom Finanzsystem abzuklemmen. Umsetzen soll diesen Plan die EU – dabei hatte die ursprünglich einmal geplant, die Bankdaten vor dem US-Zugriff zu schützen. Nun werden die EUropäer zu Komplizen.

Es war 2009, als ich zum ersten Mal mit SWIFT – der Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication mit Sitz in La Hulpe in Belgien – in Berührung kam. Ein Insider steckte mir den Entwurf eines brisanten Abkommens zu.

Fahnder aus der EU und den USA, so stand darin zu lesen, sollten Zugriff auf die Swift-Bankdaten bekommen, um Terroristen ausfündig zu machen. Mitbekommen sollte dies jedoch niemand – deshalb wurde das SWIFT-Abkommen geheim gehalten.

Schließlich war damals noch der Irak-Krieg und der amerikanische “War on Terror” in aller Munde. Die EU versuchte, sich nach außen von den USA zu distanzieren – auch wenn sie hinter den Kulussen eng mit den Amerikanern zusammen arbeitete.

Ich habe die Pläne damals exklusiv im “Handelsblatt” geleakt, ein Aufstand im Europaparlament war die Folge. Denn der Deal warf nicht nur bis heute ungeklärte Fragen zum Datenschutz auf. Er lief auch den Interessen der EUropäer entgegen.

Damals war geplant, die sensiblen Bankdaten in einen Server in die Schweiz auszulagern, um sie dem direkten Zugriff der USA zu entziehen. Die Amerikaner sollten nur auf Anfrage Einsicht erhalten. Es wäre ein Schritt zur “Datensouveränität” gewesen.

Doch dieser Plan wurde durchkreuzt. Ohne Rücksicht auf das Parlament haben EU-Kommission und Rat das SWIFT-Abkommen mit den USA durchgezogen – und den US-Fahndern so Zugriff gewährt. Der Datenschutz wurde ausgehebelt, die Souveränität auch.

Doch das war nur der erste Akt. Wenn man den Amerikanern den kleinen Finger reicht, dann nehmen sie meist gleich die ganze Hand. Nachdem sie den europäischen Datenschutz ausgehebelt hatten, begannen sie, SWIFT in eine Waffe umzufunktionieren.

Das erste Opfer war Iran. 2012 drängten die USA die EU, spezielle Regeln zu erlassen, damit iranische Banken von SWIFT ausgeschlossen werden. Mit dem neutralen Anspruch von SWIFT, das als Genossenschaft organisiert ist, war dies nicht vereinbar.

Dennoch hat die EU Folge geleistet. SWIFT windet sich heute noch, wenn es diesen ungewöhnlichen Vorgang darstellen soll:

In March 2012, pursuant to international and multilateral action to intensify financial sanctions against Iran, SWIFT was exceptionally prohibited under EU Regulation 267/2012 from providing financial messaging services to EU-sanctioned Iranian banks. SWIFT is incorporated under Belgian law and had to comply with this regulation as confirmed by its home country government. SWIFT implemented the regulatory obligation by disconnecting the related EU-sanctioned Iranian banks.

Quelle: SWIFT

Die iranischen Banken wurden vom Finanzsystem abgeklemmt – per EU-Gesetz. Doch was als außergewöhnliche Maßnahme geplant war, sollte vier Jahre andauern – und sich 2018, wieder auf Druck der USA, wiederholen. Die EU hat den Vorgang nie im Detail erklärt.

Das rächt sich nun – denn die EUropäer geraten schon wieder unter Druck. Diesmal wollen die USA noch weiter gehen als beim Iran – und Russland möglichst schon “präventiv” von SWIFT ausschließen, um einen möglichen Einmarsch in der Ukraine zu verhindern.

Dies würde jedoch auch deutsche und europäische Banken treffen, die mit Russland gute Geschäfte machen. Eine Unterbrechung könnte das gesamte Finanzsystem erschüttern. Aus der kleinen, diskreten Waffe ist eine gemeingefährliche “Atombombe” geworden.

Und die EU soll den Zünder auslösen…

Siehe auch “Die EU schießt sich selbst ins Knie”