Wie Merkel die EU-Institutionen ausbooten will
Auf den ersten Blick ist es nur eine Kleinigkeit: Nicht die EU–Kommission, der Rat oder die EZB sollen neue Vorschläge zur Überwindung der Wirtschafts- und Finanzkrise erarbeiten, sondern die Finanzminister der Eurogruppe. Doch dahinter steckt eine gezielte Strategie von Kanzlerin Merkel.
Beim EU-Krisengipfel war Merkel schwer unter Druck geraten. Neun EU-Staaten hatten neue, gemeinsame Finanz-Instrumente wie Coronabonds gefordert. Die EU-Institutionen sollten binnen zehn Tagen Vorschläge ausarbeiten, forderte Italiens Premier Conte.
Das Problem für Merkel: Die fünf Präsidenten der Institutionen sind eigentlich alle für Coronabonds. Es ist ganz ähnlich wie in der Eurokrise, wo sich die EU-Chefs bereits für Eurobonds ausgesprochen hatten. Damals drückte Merkel das weg.
Diesmal war es nicht ganz so einfach. Um das Problem zu lösen, verfiel Merkel auf einen Trick. Nicht die eigentlich zuständigen EU-Institutionen, sondern die Eurogruppe soll nun einen Plan ausarbeiten. Dabei ist das nur ein informelles Gremium.
Wie intransparent und unberechenbar die Eurogruppe arbeitet, hat zuletzt J. Varoufakis in seinen “Euroleaks” dokumentiert. Im Kreise der Euro-Finanzminister geht gegen Deutschland gar nichts. Das hat sich in der Eurokrise immer wieder gezeigt.
Wie raffiniert Merkels Trick ist, beschreibt der “Spiegel”:
Der Unterschied ist nicht nur für Feinschmecker der Brüsseler Ränkespiele entscheidend: die fünf Präsidenten der EU-Institutionen, also die Präsidenten von Rat, Europaparlament, Kommission, Europäischer Zentralbank und Eurogruppe zählen ganz überwiegend zu den Anhängern von sogenannten Coronabonds und gemeinsamen Schuldtiteln. Wenn man ihnen den Job gibt, Mittel gegen die Krise zu finden, stehen am Ende Coronabonds. In der Eurogruppe hingegen haben die Gegner dieser Instrumente, allen voran die Niederlande aber auch Deutschland deutlich mehr zu sagen.
Der Verfahrenstrick läuft darauf hinaus, die formal und rechtlich zuständigen EU-Institutionen auszuhebeln. Nicht einmal Merkels Busenfreundin von der Leyen darf am Finanzplan gegen die Mega-Krise mitwirken. Die EU-Kommission wird entmachtet.
Das Ganze ist aber noch pikanter. Denn während Merkel die Brüsseler Behörde in dieser brisanten Frage übergeht, will sie ihr gleichzeitig Sondervollmachten übertragen. Dabei geht es um die EU-Regeln, die wegen der Krise ausgesetzt worden sind, wie den Stabilitätspakt.
Die Bundesregierung fordert, dass die Kommission einen Fahrplan zur „schrittweisen Rücknahme der außergewöhnlichen Maßnahmen, die ergriffen worden sind“ vorlegen soll, meldet die FAZ. Das gehe aus einem internen Papier vom 24. März hervor.
Merkel schaffte es zwar nicht, ihre Wünsche eins zu eins in den Gipfelbeschluß zu überführen. Doch immerhin zeigt der Vorstoß, wie aktiv sie sein kann, wenn es darum geht, dass die EU nach den alten deutschen Regeln funktioniert…
Siehe auch “Italien und Spanien gegen Merkel-Deutschland” und meinen Beitrag für die taz: “Die Grenzen der Solidarität”
moi
13. April 2020 @ 08:44
Echt? Wer hat ihn denn beraten, als es darum ging, ab diesem Jahr nicht existente Gewinne zu besteuern? Selbstredend nur bei Kleinanlegern?
Holly01
13. April 2020 @ 09:37
Hey nicht unfair werden, er hat dieser Bank doch die cum ex Strafe als Ausgleich erlassen …..
https://www.youtube.com/watch?v=mkY-Ac3WFpA
Marc Uwe Kling – SPD Lied 😉
KlausM
29. März 2020 @ 12:41
immer locker bleiben. Die gute Nachricht für ebo. Auf Merkel-Deutschland folgt Olaf-Deutschland. Aber ich glaube in diesem Blog hat Olaf Scholz keine Chance. Der kann machen was er will. Selbst wenn er über Wasser läuft, wird es hier heißen: Noch nicht einmal … (Na, wie geht der Satz weiter?)
Für mich ist es kein Problem, wenn die Euro-Gruppe dem folgt, was jetzt in Deutschland umgesetzt werden soll. Die Vorschläge scheinen mir durchaus geeignet, dass das Geld auch bei denen ankommt, die es am dringensten brauchen… (Zugegeben: ich weiß selbst, wie schwer es in unserem Alter ist, sorgfältigst entwickelte Vorurteile aufzugeben.) Nix für ungut und Feuer frei!
ebo
29. März 2020 @ 14:25
Wieso? Ich habe doch geschrieben, dass es nun auf Olaf ankommt. Ich kenne sogar einige seiner Berater, gute Leute…
Burkhart Braunbehrens
28. März 2020 @ 10:31
Schäuble dirigiert immer noch die europäische Finanzpolitik. Europa unter deutscher Führung !
Kleopatra
28. März 2020 @ 06:48
Die genannten fünf Präsidenten haben an sich primär Koordinierungs- und Repräsentationsaufgaben. Insofern sind sie nicht die beste Adresse, um Politikentwürfe zu bestellen. Für die Ausarbeitung von Politikentwürfen ist traditionell die Kommission zuständig, und sie hat am ehesten einen Beamtenapparat, der das auch leisten kann. Außerdem bringt es nicht viel, wenn jemand einen schönen Plan ausarbeitet, den Merkeltorpediert, weil sie noch nicht sicher ist, dass sie für ihre Zustimmung in Deutschland geliebt werden wird.
Allerdings ist die Eurogruppe erst recht nicht für eine Politik für die gesamte EU zuständig.
Kleopatra
27. März 2020 @ 18:48
Das sind die Folgen der Verträge, die in den frühen Neunziger Jahren geschlossen wurden. Diese sehen eine Pflicht zum gegenseitigen Einstehen nicht vor und – wenn man sie wörtlich liest – scheinen solches sogar zu verbieten. Weil die EU nur die Kompetenzen hat, die ihr explizit zugewiesen wurden (“Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung”), können auch in einer Krise die Institutionen nicht aus eigenem Recht tätig werden, wenn es nicht in den verträgen vorgesehen ist, sondern es ist im Grund eine neue Abmachung und erfordert daher die Zustimmung aller. Somit kann jeder Beteiligte seine Zustimmung von seinen Bedingungen abhängig machen.
Wenn die Franzosen sich eine solche Situation im Jahr 1992 hätten vorstellen können, wäre der Maastrichter Vertrag und damit die Währungsunion sicher mit Pauken und Trompeten im Referendum durchgefallen.
ebo
27. März 2020 @ 18:52
Nun ja. Kohl hätte anders reagiert, und Juncker hätte sich das von Merkel nicht bieten lassen.
Die Kanzlerin hat ja schon in ihrer berüchtigten Rede in Brügge klargemacht, dass sie wenig von der Gemeinschaftsmethode hält. Nun hebelt sie die Gemeinschaft aus. Und das in der Stunde der höchsten Not…
Kleopatra
28. März 2020 @ 06:26
Kohl hätte mit Sicherheit anders reagiert; ihm hätte ich die Souveränität zugetraut, in einer nicht vorhergesehenen Krise auch mal an der Rechtsgrundlage vorbei zu handeln, Merkel ist dazu zu feige. Aber dass ein anderer Kommissionspräsident sich ohne die dafür nötige Rechtsgrundlage gegen Merkel durchgesetzt hätte, bezweifele ich. Ein lautes Auftreten,wenn man in Wirklichkeit nichts zu sagen hat, wirkt kontraproduktiv; es zeigt allen, dass der Schreier machtlos ist.
Wegen der rechtlichen Einschränkungen kann die Kommission auch in einer außerordentlichen Situation nicht aus eigener Machtvollkommenheit Anordnungen treffen, die über die ihr ausdrücklich zugewiesenen Kompetenzen hinausgehen; sie kann nur höflich bitten.