Varoufakis lesen: Bailoutistan
Griechenland war schon 2010 pleite, schreibt Varoufakis in seinem neuen Buch. Doch die EU habe den Bankrott verschleppt, indem sie schlechtem Geld gutes hinterher warf. Waren sich Schäuble & Co. dessen bewußt?
Ja, so Varoufakis. IWF-Chefin Lagarde habe nicht nur seine Analyse geteilt, sondern auch davor gewarnt, dass die von der Eurogruppe gesetzten Spar-Ziele nicht erreicht werden können.
Auch Schäuble räumte ein, dass das Austeritätsprogramm schlecht für das Wachstum sei. Wenn das stimmt, dann stellt sich die Frage, warum der Kurs beibehalten wurde?
Offenbar gibt es dafür zwei Gründe. Zum einen konnte man Griechenland 2010 nicht bankrott gehen lassen, weil dies kurz nach der Weltfinanzkrise einen neuen Schock ausgelöst hätte.
Zum anderen brauchte man die Geschichte vom bösen “Schuldensünder” Griechenland, um von den potentiell viel größeren Problemen in Deutschland und Frankreich abzulenken.
Berlin und Paris hängen an einer Illusion
Beiden Ländern sei es von Anfang an nur um die Rettung “ihrer” Banken gegangen, so Varoufakis. Allein die französischen Banken hätten Schrottanleihen im dreifachen Wert des BIP gehalten.
In Deutschland war er noch schlimmer – denn nach der ersten, offiziellen Bankenrettung infolge der Finanzkrise musste Merkel schon zum zweiten Mal den Kollaps des deutschen Finanzsystems verhindern.
Das wollte sie ihren Wählern aber nicht sagen. Der Trick lag darin, so Varoufakis, die Stützung als solidarische Hilfe für Griechenland zu verkaufen – und neben der EU auch den IWF an Bord zu holen.
Hätte es eine Alternative gegeben? Ja!
So entstand “Bailoutistan” – ein verlogenes Regime, unter dem die Griechen noch bis heute leiden. Hätte es dazu eine Alternative gegeben? Ja, wenn Schäuble & Co. auf den IWF gehört hätten.
Denn dann wäre es spätestens 2015 zum Schuldenschnitt gekommen. Allerdings hätten die Gläubiger – also vor allem die reichen Euroländer – dafür auf etliche Milliarden verzichten müssen.
Genau das wollte Kanzlerin Merkel um jeden Preis verhindern. Sie hat sich, was Griechenland betrifft, nie ehrlich gemacht. Schäuble war da offener und direkter – er forderte den “zeitweisen” Grexit.
Doch auch das hätte zu Turbulenzen geführt, die auch Italien getroffen hätten, Frankreich war strikt dagegen. Und so wurde Bailoutistan 2015 einfach fortgeschrieben – obwohl die Griechen mit “Oxi” stimmten.
Austerität wird zur Institution
Auch jetzt, nach den Wahlen in Frankreich und Deutschland, wird das ebenso verlogene wie absurde Austeritäts-Regime weitergeführt. Statt es endlich zu reformieren, soll es nun institutionalisiert werden.
Auf nichts anderes läuft der “Europäische Währungsfonds” hinaus, der aus dem Euro-Rettungsfonds ESM entstehen soll. Denn der “EWF” bricht mit den Regeln (und dem Rat) des IWF.
Wenn es nach Merkel geht, soll er zudem nationaler – also vor allem deutscher – Kontrolle unterliegen. Ob die SPD daran noch etwas ändern kann, ob sie es überhaupt? Zweifel sind erlaubt…
Siehe auch “Bailoutistan wie es leibt und lebt”
Harald Schumann
16. Januar 2018 @ 17:18
Das ist doch kalter Kaffee, das haben viele Kritiker einschließlich mir seit Jahren geschrieben bzw. gesendet einswchließlich der zugehörigen Memos des IWF
ebo
16. Januar 2018 @ 18:02
@Harald Schumann – Stimmt, neu ist das alles nicht. Doch die Hintergründe schildert Varoufakis sehr anschaulich und eindringlich. Was wir bisher nur aus Memos und Analysen wussten, wird nun mit Anekdoten und Zitaten unterlegt. Dabei wird die Janusköpfigkeit der Akteure und die Absurdität der Strukturen deutlich, die nun ja wohl – via ESM – institutionalisiert werden sollen. Das wär übrigens mal eine eigene Analyse wert…
Manfred Waltermann
16. Januar 2018 @ 11:18
Varoufakis
hat mit seiner Darstellung über die betrügerischen Manipulationen absolut recht!! –
Kaum je ist in der jüngeren Geschichte so viel gelogen worden wie bei dem Leugnen der griechischen Pleite, die ja schon mit der Aufnahme von Griechenland in die EURO-Zone zu Anfang des Jahrtausends begann!
Da hat insbesondere Frau Merkel ihre Glaubwürdigkeit verloren! – Und so hangelt sie sich mit ihrer Groko von Lüge zu Lüge. –
Wehe die Regierung fällt in andere Hände! – Was dann wohl noch alles herauskommt?!
Peter Nemschak
15. Januar 2018 @ 17:37
Die Schrottanleihen der französischen Banken im wert vom Dreifachen des BIP betrafen nur zu einem kleinen Teil Griechenland. Im Zuge der ersten Umschuldung hatten die Banken einen kräftigen Kapitalschnitt hinzunehmen. Danach gab es praktisch nur mehr die öffentlichen Gläubiger der EU. Dort ist der Schnitt sukzessive über unterpreisige Verzinsung und Laufzeiterstreckung bereits weitgehend erfolgt. Wenn man total abschreibt, verliert die EU die Kontrolle über die griechischen Budgetpolitik, was Deutschland bisher nicht wollte.