Streit um Euro-Föderalismus (Update)

Kassieren die Roten Roben Merkels Euro-Plan?

Vier Tage nach dem Euro-Krisengipfel verfliegt die anfängliche Euphorie. Die Risikoaufschläge für Spanien und Italien steigen schon wieder, Moody‘s stuft die Bonität Griechenlands auf “fast pleite” herab. Auch in der Politik macht sich Ernüchterung breit: Die Grünen wollen gegen den Merkel-Plan klagen, da sie sich unzureichend informiert fühlen. Selbst bei Merkels Christdemokraten und bei den Liberalen rumort es.

Für Ärger sorgt vor allem die neue Möglichkeit, über den Euro-Rettungsfonds EFSF Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt zu kaufen und so überschuldete Länder zu stützen. Dies wird wahlweise als Transfer- oder Haftungsunion, Einstieg in einen Europäischen Währungsfonds oder sogar in einen neuen Föderalismus gewertet – je nachdem, ob man sich als konservativ oder fortschrittlich betrachtet (bzw. deutsch oder französisch denkt).

Fest steht, dass die neue Flexibilität nötig war, um eine unkontrollierte Ausweitung der Euro-Krise zu verhindern. Fest steht aber auch, dass sie reichlich spät kommt und noch dazu ohne demokratische Kontrolle, fast handstreichartig, eingeführt wurde. Merkel spricht ungern über die Öffnung des EFSF, denn bis zuletzt hatte sie sich mit Händen und Füßen dagegen gesträubt, während Frankreichs Präsident Sarkozy offen dafür warb.

Die spannende Frage ist nun, ob der Bundestag bzw. das Bundesverfassungsgericht mitspielt – und ob sich das neue

Instrument tatsächlich in einem positiven, solidarischen Sinn nutzen lässt. Ich habe bei beidem meine Zweifel. Die Grünen-Klage gibt den Roten Roben im BVerfG die Möglichkeit, die Reform wieder zu kassieren, noch bevor sie in die Praxis umgesetzt wurde. Zumindest dürften die Richter den Euro-Rettern neue Schranken setzen.

Doch selbst wenn Bundestag und BVerfG mitspielen, bleiben Zweifel. Auch bei dem neuen EFSF bleibt das Prinzip der Einstimmigkeit; zudem hat die EZB ein gewichtiges Wörtchen mitzureden. Demgegenüber haben die Parlamente – wenn überhaupt – nur nachträglich die Möglichkeit, über „Rettungs“aktionen zu entscheiden. Wenn dies Föderalismus ist, dann ist es ein autoritärer Föderalismus der Gläubiger – mit Demokratie und Solidarität hat es wenig zu tun.

Aber vielleicht wird jeder nächste oder übernächste Krisengipfel auch diese Probleme lösen…

 

Nachtrag 26.7.11

Die Krise ist zurück, heißt es nun auch im Fachdienst Eurointelligence. Derweil erteilt J. Quatremer Monsieur Sarkozy Nachhilfe in Sachen Föderalismus – denn das, was da in Brüssel beschlossen wurde, ist bestenfalls ein pseudo-föderaler Intergouvernementalismus (zu deutsch: die Regierungen entscheiden allein und tun nur so, als stünden sie zusammen).

 

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