Sie reden von Exit
Wann können die EU-Staaten endlich wieder den Ausnahmezustand lockern und den “Exit” aus der Coronakrise vorbereiten? Darüber ist ein heftiger Streit entbrannt, der nun sogar die EU-Kommission lähmt.
Eigentlich wollte Kommissionschefin von der Leyen am Mittwoch ihre “Exit-Strategie” für die Coronakrise vorlegen. Doch daraus wird nichts: Mehrere EU-Staaten haben die schwache deutsche Präsidentin zurückgepfiffen. Vor allem Frankreich soll sauer sein, dass Brüssel schon zum Abpfiff pfeift, während die Krise daheim in Paris noch so richtig tobt – zuletzt sogar mit einem (idiotischen) Verbot für Freiluftsport.
Aber auch Deutschland kann es nicht passen, dass Österreich vorprescht und Kanzler Kurz sich zum Corona-Helden aufspielt. Das würde ja die Führungsrolle von Frau Merkel infrage stellen – und die zögert, wie immer.
Dabei ist “Exit” ohnehin ein großes Wort. Selbst Kurz will nach Ostern zunächst nur ein paar kleine Läden wieder aufmachen. Die Ausgangssperre hingegen wird bis Ende April verlängert, die Schulen bleiben sogar bis Mitte Mai geschlossen.
Einen Ausstieg aus dem Ausnahmezustand stelle ich mir anders vor – zumal er wohl mit weiteren Einschränkungen bei den Freiheitsrechten erkauft wird: Masken-Pflicht, Tracking-Apps auf dem Handy, saftige Strafen für Verstöße etc. pp.
Aber auch die Idee, die man sich in Brüssel vom ersehnten “Exit” macht, ist problematisch. Von der Leyen denkt offenbar nicht nur daran, nationale Alleingänge wie bei den Grenzschließungen zu verhindern – was dringend nötig und begrüßenswert wäre.
Nein, sie fühlt sich wohl auch berufen, den EU-Staaten vorzuschreiben, wann und wie sie zum Status quo ante zurückkehren sollen, d.h. wie die während der Krise suspendierten EU-Regeln wieder zum Leben erweckt werden können.
Den Auftrag dazu hat sie vom letzten EU-Gipfel erhalten, er geht auf Drängen der deutschen Bundesregierung zurück. Dabei würde ein solcher “Exit” vor allem auf eine Restauration der Vorkrisenzeit hinauslaufen – mit all den Regeln und Vorschriften, die man aus Brüssel so kennt.
Kann man sich so einen Exit wünschen? Müsste es nicht vielmehr darum gehen, dass die EU die Lehren aus der Krise zieht – und sich neu erfindet?
European
9. April 2020 @ 12:00
Deutschland stellt nun fest, dass es unabänderlich vom Export abhängt. Sie können nicht im Alleingang die Wirtschaft wieder hochfahren, wenn die Kunden bzw. Zulieferer noch am Boden liegen. Also muss die EU das lösen.
Dabei wäre jetzt die Gelegenheit, die Binnenwirtschaft mehr zu stärken und damit endlich mal auf eine ausgeglichene Handelsbilanz hinzuarbeiten, weniger vom Ausland abhängig zu sein und unseren Nachbarn auch mehr von ihren Produkten abzukaufen. Wenn die nicht genug Einnahmen haben, können sie auch ihre Schulden nicht bedienen. Nur allein durch Sparen geht nämlich nichts. Das heißt nur jahrelange Rezession.
Reinhard
8. April 2020 @ 11:44
Einen Ausstieg aus dem Ausnahmezustand stelle ich mir anders vor – zumal er wohl mit weiteren Einschränkungen bei den Freiheitsrechten erkauft wird: Masken-Pflicht, Tracking-Apps auf dem Handy, saftige Strafen für Verstöße etc. pp.
Genau genommen wäre das kein Ausstieg aus dem Ausnahmezustand, sondern ein Formwandel desselben – und einer mit langfristigen Folgen: die einmal installierte Tracking-App wird sich nicht so einfach wieder deinstallieren lassen. Das ist ohnehin das aus meiner Sicht Bedenklichste der ganzen Situation: dass unter dem Vorwand der Pandemiebekämpfung lauter Sachen einreißen, die man eigentlich nicht machten sollte: Kleinstbeträge mit der Karte bezahlen, Bücher im Internet statt bei der Buchhandlung des Vertrauens bestellen, Wochenmärkte meiden usw. usf.
Oudejans
9. April 2020 @ 13:24
>>”Das ist ohnehin das aus meiner Sicht Bedenklichste der ganzen Situation: dass unter dem Vorwand der Pandemiebekämpfung lauter Sachen einreißen, die man eigentlich nicht machten sollte: […]”
Mit den Populisten ante portas.
Holly01
8. April 2020 @ 10:29
Mit dem “Exit” würden einige Probleme sichtbar, die man lieber nicht “sehen” möchte. Das schieben “die” so lange vor sich her, wie möglich.
Es gibt nur EINE Wirtschaft, denn es gibt nur EIN Personal, EIN Invest, EINE Wertschöpfung.
Nun sind aber sehr viele Wertschöpfungsketten zum Erliegen gekommen.
Die Verantwortlichen können nicht einfach zurück und weiter machen.
Wenn die Wertschöpfung geändert wird, wechseln Produktionsstätten, Personal, Investitionen, Warenwege.
Es ist also klar, da werden eine Menge Produktionsstätten ohne Nachfrage enden.
Es fehlen neue Produktionsstätten, um die Probleme die sichtbar geworden sind zu beheben.
Die Nachfrage wäre ja da, nur die Produkte sind (noch?) nicht da.
Da kommt noch ein Problem dazu.
Grob 50%-60% der durch unselbstständige Arbeit und Sozialtransfer finanzierten Haushalte haben keine Rücklagen. Die Krise führt zu Verschuldung. Da bricht Nachfrage weg, bzw da konzentriert sich Nachfrage auf lebensnotwendige Güter.
Das wird Zeit kosten, einen neuen stabilen Stand zu erreichen.
Es werden sich aber auch Lebensumstände bleibend verändern.
Homeoffice, verminderter Individualverkehr, leere Immobilien und ganz neue Kostenstrukturen für Arbeitgeber werden bleiben.
Die resultierende Nachfrage wird bleibend verändert.
….. und das ist der beste anzunehmende Fall ^^
vlg