Der engstirnige Herr Hoekstra
Die Eurogruppe hat sich nach 16-stündigen Beratungen nicht auf einen Plan gegen die Wirtschafts- und Finanzkrise einigen können. Das lag vor allem an einem Mann – dem niederländischen Finanzminister Hoekstra.
Hoekstra erklärte nach dem vorläufigen Scheitern, sein Land lehne die von Italien, Frankreich und anderen Ländern geforderten Corona- oder Eurobonds weiter strikt ab.
Hoekstra sprach sich gleichzeitig dagegen aus, Kredite des Euro-Rettungsfonds ESM ohne jegliche Bedingungen zu vergeben. Damit lag er scheinbar auf einer Linie mit Bundesfinanzminster Scholz.
Der SPD-Politiker hatte vor dem Krisentreffen ein “Nonpaper” mit detaillierten Vorgaben für ESM-Kredite vorgelegt (mehr dazu hier). Allerdings geht dies Hoekstra offenbar noch nicht weit genug.
Der Niederländer fordert nämlich, Hilfen für Italien oder Spanien mit den bisher üblichen Strukturreformen, Rentenkürzungen und anderen Einsparungen zu verbinden.
Genau das hatte Spanien in der Eurokrise dazu gezwungen, sein Gesundheitssystem kaputt zu sparen – mit den bekannten Folgen: Mit zuletzt fast 15.000 Corona-Toten hält das Land einen tristen Rekord.
Deshalb sträuben sich Italien und Spanien nun auch mit Händen und Füssen gegen ein ESM-Programm. Und sogar Scholz scheint bereit, die Bedingungen zu lockern – zumindest auf dem Papier.
Hoestra hingegen ist zu keinen Zugeständnissen bereit. Ählich wie Ex-Finanzminister Schäuble argumentiert er mit dem “Moral hazard” – also falschen Anreizen, die eine unkonditionierte Hilfe setzen würde.
Dabei haben sich Italien und Spanien die Coronakrise und die vielen Toten gewiß nicht ausgesucht. Angesichts der humanitären und wirtschaftlichen Katastrophe von “Anreizen” und “Moral” zu sprechen, ist völlig verfehlt.
Genauso verfehlt ist Hoekstras Behauptung, die Südländer hätten vor der Krise einfach mehr sparen müssen, dann hätten sie nun keine Hilfe nötig. Italien hat einen höheren Primärüberschuss im Staatshaushalt als fast alle anderen EU-Länder, Griechenland ausgenommen!
Hoekstras Bemerkungen seien “abstoßend”, erklärte schon vor einer Woche Portugals Ministerpräsident Costa. Mit seinen Anwürfen versündige er sich am Geist der EU. Auch diesmal ist der Unmut groß.
Die Niederländer hätten “übermäßige Forderungen” gestellt, sagten EU-Diplomaten nach dem Patt in der Eurogruppe. “Ohne die Niederlande hätte es eine Einigung gegeben.”
Das heißt allerdings nicht, dass Deutschland an dem Debakel völlig unschuldig wäre. Schließlich lehnt auch Scholz weiter jede Debatte über Coronabonds ab – genau wie Hoekstra.
Und wenn es um die Euro-Reform oder das nächste EU-Budget geht, dann stecken Deutschland und die Niederlande sogar unter einer Decke. Hoekstras Chef, Premier Rutte, gilt als enger Partner von Kanzlerin Merkel…
Siehe auch “Der egoistische Herr Rutte”
European
9. April 2020 @ 13:56
Die Niederländer verfügen über ein einträchtiges Geschäftsmodell: Viele große Firmen, die sich in kleine Briefkästen zwängen.
Freiberufler
9. April 2020 @ 11:49
Der Kaiser ist nackt, bei Hofe toben byzantinische Intrigen und vor den Toren Corona. Das Imperium hat schon bessere Zeiten gesehen.
Holly01
9. April 2020 @ 08:49
good cop – bad cop – and the ugly
” 07.50 Uhr – Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier dringt auf eine Einigung der Finanzminister der Eurogruppe über milliardenschwere Hilfen in der Corona-Krise. Es wäre wichtig, dass heute der Beschluss über die Mittel in Höhe von 500 Milliarden Euro gefasst werde, sagt Altmaier im Deutschlandfunk. “Das ist eine unvorstellbar große Summe Geld”, mit der vielen Menschen gerade in den am stärksten betroffenen Ländern wie Spanien und Italien geholfen werden könne. “Und ich traue Bundesfinanzminister Olaf Scholz zu, dass er das gemeinsam mit seinem französischen Kollegen Bruno Le Maire heute voranbringen kann.” ”
vlg
Holly01
9. April 2020 @ 07:51
good cop – bad cop
André Tautenhahn
8. April 2020 @ 13:23
Die beiden letzten Absätze scheinen mir wichtig. Scholz und Maas hatten mit Namensbeiträgen in europäischen Zeitungen zunächst gut Wetter gemacht. Der deutsche Finanzminister konnte also nicht als Bremser in den Verhandlungen auftreten, obwohl die Bundesregierung vermutlich mit den Niederländern weiter gemeinsame Sache macht. Scholz war es schließlich auch, der das Nichtergebnis über den grünen Klee lobte. Man stand ja so kurz vor einer Einigung, also einer Einigung ohne Coronabonds. Er stellt es eben so dar, als sei der Süden ja einverstanden mit dem Dreiklang aus EIB, ESM und einem Programm für Arbeitsplätze.
ebo
8. April 2020 @ 15:27
Na klar, Scholz und Hoekstra ziehen an einem Strang. Der Niederländer möchte sich nur als Hardliner präsentieren, der SPD-Mann als Italien-Versteher. Das nennt man Arbeitsteilung 🙂 Allerdings müssen nun wohl die Chefs ran, denn es steht sehr viel auf dem Spiel…
JSFarinet
8. April 2020 @ 16:07
Zynisch könnte man sagen: Die Deutschen wollen den Italienern Geld geben, um sie dann aber zu zwingen, für ein “sozialverträgliches Frühableben” (zit. R. Missfelder) der Rentner zu sorgen.
Finanztechnisch ist es sogar so, dass jede finanzpolitische Massnahme, die nicht Coronabonds (durch die EZB) heisst, sogar die Vorteile für die BRD noch vergrössert – durch den Spread. Aber offensichtlich ist Scholz der kurzfristige Vorteil wichtiger als die Zukunft Europas.
Täuschen sollten sich die Nordeuropäer nicht: Die Italiener haben begriffen, dass Holländer und Deutsche ihnen ein griechisches Schicksal bereiten wollen. Ich glaube und hoffe, dass sie damit diesmal nicht durchkommen (alle haben verstanden, dass die Griechen, durch ihren Verbleib im € genau das erhalten haben, was man ihnen im Fall des Austritts angedroht hat).
ebo
8. April 2020 @ 16:24
Richtig ist, dass ESM-Kredite die Staatsschuld erhöhen und damit auch die Kreditwürdigkeit schwächen können. Normalerweise gibt es ESM-Hilfen deshalb nur für Staaten, die Probleme haben, sich an den Märkten zu refinanzieren. Diesmal will Berlin die Regierung in Rom regelrecht in den ESM hineindrängen…