Selenskyj in Washington: Der Offenbarungseid

Selenskyj fliegt zu einem Treffen mit US-Präsident Biden nach Washington. Es ist seine erste Auslandsreise seit Beginn der russischen Invasion. Sie kommt einem Offenbarungseid gleich – für die Ukraine, die USA und für die EU.

  • Für die Ukraine läuft es offenbar nicht so gut, wie die Erfolgsmeldungen aus Kiew glauben machen sollen. Sie braucht mehr Waffen, in Washington dürfte es vor allem um das Patriot-Flugabwehrsystem gehen. Im Westen wird es als “Gamechanger” dargestellt – der Schuß könnte aber auch nach hinten losgehen. Denn Russland hat bereits mit gezielten Attacken gedroht, wenn die US-Patrioten kommen.
  • Die USA versuchen nicht einmal mehr, ihre zentrale Rolle in diesem Konflikt zu verbergen. Ohne US-Hilfe wäre die Ukraine längst geschlagen. Die Kehrseite der Medaillle ist, dass Selenskyjs Land nun in einen Stellvertreterkrieg gegen Russland verwickelt ist, der von den USA gesteuert wird. Seine Reise nach Washington ist ein für alle Welt sichtbares Eingeständnis dieser neuen, brandgefährlichen Lage.
  • Für die EU ist die Reise eine einzige Niederlage. Selenskyj hat es offenbar nicht einmal für nötig befunden, einen Zwischenstopp nach Berlin, Brüssel oder Paris einzulegen – dabei liegen diese Städte auf dem Weg nach Washington. Und das, obwohl die EU mehr für die Ukraine tut als die USA – nicht nur finanziell, sondern auch durch die Aufnahme von Millionen Flüchtlingen! Selenskyj dankt es ihr nicht…

Nun denn – jetzt weiß die ganze Welt, wo der Hammer hängt: in Washington. Dies gilt nicht nur für den Krieg, sondern auch für den Frieden. Wer diesen Konflikt eines Tages beenden will, kommt an Washington nicht vorbei, an Brüssel hingegen schon.

Auch dies macht Selenskyjs Trip unmißverständlich klar…

Siehe auch “Selenskyj stellt die Nato bloß”. Mehr zum Krieg in der Ukraine hier

P.S. Laut “Politico” (US-Ausgabe) kommt Selenskyj nicht nur, um noch mehr Waffen zu fordern. Er sorgt sich vielmehr um die Unterstützung in den USA und in der EU. In den USA nimmt bald der neue Kongress seine Arbeit auf – er dürfte der Ukraine nicht mehr so großzügig Hilfe gewähren. Und in der EU macht sich Ukraine-Fatigue aus, wie wir hier schon schrieben. In den Worten von “Politico”: U.S. officials say highlighting the administration’s support for Ukraine at this point in the war is critical for continuing to gain buy-in from Western allies in Europe, which have been strained by an energy crisis and fears of recession. Ich habe allerdings mein Zweifel, dass ein Besuch in Washington hilft, die EUropäer in Berlin, Budapest, Paris oder Brüssel davon zu überzeugen, dass ihre Probleme nicht so wichtig sind…