Schlechtes Timing: Ukraine und Moldau haben ein Demokratie-Problem
Wenn die EU-Kommission ihre “Fortschrittsberichte” zum geplanten Beitritt der Ukraine und Moldaus vorlegt, dann wird es auch um die Demokratie gehen. Ausgerechnet jetzt gibt es massive Probleme.
So hat Präsident Selenskyj sich gegen Wahlen in seinem Land ausgesprochen. “Das ist nicht der Moment für Wahlen”, erklärte er mit Verweis auf den Krieg gegen Russland.
Zuletzt hatte Selenskyjs früherer Berater Oleksij Arestowitsch angekündigt, gegen ihn antreten zu wollen. Auch der Oberbefehlshaber der ukrainischen Armee, Saluschnyj, liebäugelt mit einer Kandidatur.
Selenskyj ist seit Mai 2019 im Amt. Wegen des Kriegsrechts waren die für Oktober vorgesehenen regulären Parlamentswahlen bereits ausgefallen. Ohne den Krieg stünden im kommenden März Präsidentschaftswahlen an.
Man darf gespannt sein, was die EU-Kommission zur “kriegsbedingt ausgesetzten Demokratie” in der Ukraine sagt! Normalerweise sind Wahlen eine unabdingbare Voraussetzung für den EU-Beitritt.
Verwirrend ist die Lage auch in Moldau. Dort haben zwar gerade Kommunalwahlen stattgefunden. Doch die proeuropäische Regierungspartei PAS von Staatspräsidentin Maia Sandu hat eine schwere Schlappe erlitten.
Zudem stellt die OSZE fest, dass die prorussische Opposition massiv behindert wurde. Ihre Redefreiheit wurde eingeschränkt, einige Kandidaten durften erst gar nicht antreten. Zitat:
“The broad powers of the government commission for exceptional situations were used to restrict freedom of speech and association as well as the right to stand”.
Wie lässt sich das mit den demokratischen Spielregeln vereinbaren? Könnte es sein, dass eine Mehrheit der Moldauer gar nicht in die EU strebt – aber mit aller Macht dorthin “geschoben” wird?
Die EU hat sogar extra einen Sondergipfel in Moldau ausgerichtet. Dabei war ganz viel von Geopolitik und von Russland die Rede – von Demokratie eher weniger. Kurz danach wurde die größte Oppositionspartei verboten…
Siehe auch “Der Bluff mit dem EU-Beitritt”
Arthur Dent
9. November 2023 @ 15:39
@Helmut Höft
Die Zinsen für die „kleine Hypothek“ lagen 2021 etwa bei 0,75 bis 1%, dürften heute bei etwa 4,5 % liegen. Bei der Wärmepumpe, neue Heizkörper, Dämmung, ggf. neue Fenster kann die „kleine Hypothek“ schnell bei 100.000 Euro liegen. Also zusätzlich zur alten Hypothek, falls noch Belastungen auf dem Haus lagen. Hinzu kommt noch die 2. Miete für Grundbesitzabgaben, Strassenreinigung, Schornsteinfeger, Müllabfuhr, Abwasser… macht je nach Größe der Immobilie und Kommune schnell mal ein paar Hunderter im Monat aus. Hinzu kommen Strom, Wasser, Gebäude-Versicherungen, Dachwartung und und und.
Und rein klimatechnisch gesehen, müssten erstmal alle öffentlichen Gebäude auf Fordermann gebracht – da haben die Kommunen gar kein Geld für. Selbst wenn Deutschland seine Klimaziele im Gebäudesektor auf Null bringt (völlig utopisch) hätte das keinen Einfluss auf den Klimawandel.
Arthur Dent
8. November 2023 @ 23:55
@Thomas Damrau
„Kein Abschluss – kann aber gut schwätzen“). Schauen sie sich z.B. die Biographien von Lindner, Amthor, Baerbock, Merz und Habeck an: Die Ausbildung geht nahtlos ins Politiker-Leben über…” – das sind genau die Auswüchse eines Verhältniswahlrechts. Hinzu kommt das in vielen Think-Tanks und “Beratungsfirmen” (NABU, BUND, Agora-Energiewende, Bundesnetz-Agentur, Verbraucherzentralen) Parteifreunde an entsprechenden Stellen sitzen.
“Im Blickpunkt steht der Selbstständige oder der finanziell abgesicherte Angestellte/Facharbeiter (absichtlich von mir nicht ge-gendert) mit Familie und Eigenheim, dem man immer neue Vergünstigungen zuschieben möchte. Und wenn dieses Zielpublikum (laut Umfragen) murrt, wird die Politik geändert – Ach, echt? Kann ich so nicht bestätigen. Aus eigener Erfahrung mit Wohneigentum kann ich allenfalls sagen, dass man sich bei Hypothekenzinsen von 8 – 9 Prozent (durchaus üblich in der 1990er Jahren) über mehr als drei Jahrzehnte ganz schön abstrampeln musste für sein Häuschen. Und jetzt im Alter hat “Wirtschaftsgenie” Habeck das mal alles mit einem Federstrich entwertet. Nicht jeder Wohneigentümer ist mit einem goldenen Löffel im Mund zur Welt gekommen
Thomas Damrau
9. November 2023 @ 08:27
@Arthur Dent
Wohneigentum per se macht Sie nicht zum Zielpublikum der bürgerlichen Parteien. Ich kenne genügend Menschen, die “prekäres Wohneigentum” haben: Für die sind anstehende Investitionen von mehreren 10-Tausend Euro nicht darstellbar.
Auf der anderen Seite kenne ich Menschen, die mir im Habeck-schen Sinne vorrechnen, dass sich eine energetische Sanierung für € x0 000 mittelfristig betriebswirtschaftlich rechnen wird (was vermutlich stimmt – nur wie sagte John Maynard Keynes: “mittelfristig sind wir alle tot”), und die deshalb gar nicht verstehen können, warum ich immer mit der sozialen Frage komme. Die sind das Zielpublikum.
Es hat sich nur herausgestellt, dass dieses Zielpublikum bezüglich Wärmewende doch etwas kleiner ist, als die Fortschrittskoalition gedacht hat. Deshalb wurde heftig zurück gerudert. Wie oben gesagt: Wenn das Bürgertum murrt, …
Helmut Höft
9. November 2023 @ 11:30
@Thomas Damrau
Ich will nicht „Korinten kacken“ aber es heißt bei Keynes: „In the long run we are all dead“ https://de.wikiquote.org/wiki/John_Maynard_Keynes
Betreffend Kosten für’s Häusle: Wir stehen vor einem ähnlichen Problem: In die DHH investieren – und damit den Wert erhalten und so den VK-Wert für die Erben erhöhen – oder nicht. Die aufzunehmende (kleine) Hypothek würde dann analog zu Miete anzusehen sein.
Ich kenne solchen Diskussionen hier in der Nachbarschaft, dort heißt es, wörtlich: „Rechnet sich nicht für uns … und für die Erben machen wir nix“!
Es ist beispielhaft diese Denkart, die uns voran bringt, näher an den Rand der Klima-Klippe!
Was die Diskussion um Politikerkarrieren anlangt gibt’s ja das bekannte Bonmot: „Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsaal“! Dem ist nichts hinzuzufügen.
Thomas Damrau
9. November 2023 @ 12:22
@Helmut Höft
Danke für den Hinweis bzgl. Keynes (muss ich bei mir im Notizbuch ändern).
Und natürlich gibt es auch die von Dir beschriebenen Immobilienbesitzer, die könnten, aber nicht wollen – aus ideologischen Gründen, weil das Break-Even jenseits der eigenen Lebenserwartung liegt, weil ihnen die nötigen Baumaßnahmen Angst machen, …
Aber Politik versucht heutzutage entweder, Widerstand brachial zu brechen, oder kapituliert (unter dem Druck der Meinungsumfragen) bedingungslos: siehe Gebäude-Energie-Gesetz, aber auch Flüchtlings-Politik. Eine Analyse, was den Widerstand auslöst, wie man den Widerstand reduzieren kann, wie ein Kompromiss aussehen könnte., ist scheinbar zu aufwendig: Alles oder nichts sind die zwei Alternativen.
european
9. November 2023 @ 20:06
@Helmut Höft
Ich würde warten, bis die Zinsen wieder unten sind und abwarten, wie dann die Gesetzeslage ist. Irgendetwas sagt mir, dass jemand wieder bis vor’s Verfassungsgericht gehen wird. Das heißt nicht, dass man nicht in energiesparende Maßnahmen investieren soll, aber wenn ich mir das Maßnahmenpaket der Bundesregierung ansehe, dann ist der Strom, mit dem die Wärmepumpen betrieben werden sollen, alles andere als sauber. Klima- und umweltschädliches Frackinggas konkurriert mit Kohlekraftwerken, die wieder angeworfen werden, und importiertem Atomstrom. Auf einmal ist der Klima- und Umweltschutz egal.
Dass der Ukrainekrieg der “Auslöser” war, sämtliche Klimaschutz-Vorhaben der Bundesregierung über Bord zu werfen, macht mich hier extrem misstrauisch. Ebenso die Gleichgültigkeit, dass damit viele Menschen, die bis dato alles richtig gemacht haben, weil sie sich an bestehende Gesetze gehalten haben, plötzlich große Teile ihrer Rücklagen einfach durch einen gezielten Spekulationsverlust verlieren. Beispiel: Freunde und wir haben um 2000 herum gleichzeitig neu gebaut. Wir haben damals schon ein Ökohaus mit einer Wärmepumpe gebaut, was für großes Aufsehen, Ärger in der Nachbarschaft und in der Gemeinde sorgte. Unsere Freunde entschieden sich für die damals geförderte Gasheizung mit Hightec Boiler. Die Käufer unseres Hauses finden gar nicht so viele Korken, die sie seit Einzug und jetzt erst recht knallen lassen könnten und unsere Freunde müssen sich mit dem staatlich organisierten Werteverlust abfinden oder tief in die Tasche greifen.
Wohneigentum ist ja nicht nur für die Erben da, sondern auch als Polster für den persönlichen Pflegenotstand und da machen ein oder zweihunderttausend im Wert einen großen Unterschied. Mich treibt vielmehr die Frage um, wer letztlich davon profitieren wird, dass so viele Menschen gezielt diesen Vermögensverlust erleiden bzw. u.U. ihre Häuser verschleudern müssen, weil Notverkauf. Eine kleine Rente gibt ein neues Hypothekendarlehn einfach nicht her. Für manch einen ist es auch eine Altersfrage. Die Bank gibt nix mehr, wenn man weit über 70plus ist.
Wer steckt dahinter? Wer profitiert davon? Bei wem klingelt die Kasse und was hat das mit unserer Regierung zu tun, für die das alles seit dem Ukrainekrieg keine Rolle mehr spielt?
Thomas Damrau
9. November 2023 @ 08:31
@Arthur Dent
PS: Gut schwätzen zu können ist im stark Personen-bezogenen Mehrheitswahlrecht noch viel wichtiger als im Verhältniswahlrecht.
Beim Verhältniswahlrecht hat kompetent-aber-nicht-Lanz-kompatibel eher eine Chance.
Monika
9. November 2023 @ 12:28
..kein Abschluss, kann aber gut schwätzen…
Technik, Digitalisierung, Informationsflut, alles dreht sich immer rasanter! Daraus ist ja der überforderte Ruf nach der belastbaren, frischen technikaffinen Jugend entstanden! Überall wurden und werden sie händeringend gesucht, bekniet, “Verantwortung zu übernehmen”. Sie sollten und sollen die Älteren mit ihrem analogen, teils noch in den Gesetzen der Mechanik verhafteten Denken, durch digitale Segnungen und KI ect. “von ihrer Rückständigkeit erlösen”. Die Jungen haben sich nicht vorgedrängt, sie wurden in diese Positionen, denen sie auf andere Weise oft noch nicht gewachsen sind, förmlich hinein gepusht! Jede Partei wollte sich mit den Jüngsten schmücken, wer stellt den jüngsten Kanzler ect. (da wird Sebastian Kurz noch länger den Rekord halten…wobei er das perfekte Beispiel abgibt für diese Entwicklung) Wir lassen es zu, dass die technischen “Errungenschaften” die Folgenabschätzung durch den Menschen außer Kraft setzt (selbst Leute aus dem innersten Kreis der IT.Technik wie Musk ect. warnen allen Ernstes vor ihren eigenen Produkten). Jetzt den jungen Leuten, die dem Ruf gefolgt sind, Unredlichkeit und Karrieregeilheit vorzuwerfen? Ist ein bisschen schäbig. Oder?
Thomas Damrau
9. November 2023 @ 13:12
@Monika
Ich bin kein Freund von Vorwürfen wegen Karrieregeilheit o.ä.. Ich beobachte nur eine aus meiner Sicht ungute Tendenz “von Null auf Minister in 10 sek.” fest. Und das hat, wie Sie richtig feststellen, mit dem Zeitgeist zu tun: Jung und Hipp is beautiful.
KK
9. November 2023 @ 14:35
Für den Bundespräsidenten gibt es ein Mindestalter (40 Jahre) – vielleicht sollte man jegliches politisches Amt und Mandat ebenfalls an ein Mindestmass an Lebenserfahrung knüpfen – das muss sich nicht (nur) am Alter festmachen. Jemand, der bis zum 30. Lebensjahr nur Schul- und Hörsaalbänke gedrückt hat, hat oft weniger Lebenserfahrung als ein 22jähriger, der seit 6 Jahren im Beruf steht. Ein Parlament sollte alles abbilden, aber in unseren sitzen zu über 90% Akademiker. Und immer mehr davon sind ohne eigene Berufserfahrung, weil sie schon in der Pubertät in irgendeine Partei-Jugendorganisation eingetreten sind, um dort und im Politikbetrieb Karriere zu machen. Die “Ausbildung” dient, selbst abgebrochen, nur der Schönung des Lebenslaufs (siehe unsere derzeitige Chefdiplomatin oder den nach seiner “Berufung” völlig gehirngewaschenen SPD-Generalsekretär).
Thomas Damrau
8. November 2023 @ 20:12
@Arthus Dent
Ich habe mich in meinem Kommentar nicht auf die Innenpolitik der USA bezogen, sondern auf die Außenpolitik. Und die Außenpolitik der USA, die Schulnoten nach politischen Opportunitätsüberlegungen verteilt, verliert zunehmend an Glaubwürdigkeit außerhalb des engsten Freundeskreises. Oder würden Sie einen Klassenbucheintrag „stört den Unterricht“ akzeptieren, wenn die Lieblinge des Lehrer permanent stören dürfen, ohne deshalb getadelt zu werden.
Zum innenpolitischen Demokratieverständnis der USA: Die USA werden meist als „unvollständige Demokratie“ klassifiziert (z.B. https://de.wikipedia.org/wiki/Demokratieindex_(The_Economist)).
Aus meiner Sicht völlig zurecht:
– Um ein politisches Amt zu erringen, benötigt man in den USA zunächst einmal Unsummen von Geld für den Wahlkampf, die in der Regel nur von reichen Sponsoren kommen können – es sei denn, der/die KandidatIn ist selbst SEHR reich.
– Entsprechend erwarten die Wahlkampf-Spender, dass Gesetze in ihrem Sinn gestaltet werden. Also eher „One Dollar – one vote“ als „One man – one vote“.
– Durch Neuzuschneiden von Wahlkreisen und immer neue Hindernisse, die bestimmten Wählergruppen bewusst in den Weg gelegt werden, wird die Chancen-Gleichheit bei Wahlen massiv untergraben.
– Das überall angewendete Mehrheitswahlrecht sorgt dafür, dass auch ohne das Optimieren von Wahlkreisgrenzen, sehr viele BürgerInnen vergeblich zur Wahl gehen, weil ihr(e) Kandidatin verliert und damit ihre Stimmen einfach weggeworfen werden. (Deshalb sind bei Präsidentschaftswahlen auch nur die Swing-States für die KandidatInnen von Interesse.)
– Die jeweilige aktuelle Mehrheit hat die Möglichkeit, politische genehme Oberste RichterInnen beim Ableben eines Amtsinhabers auf Lebenszeit zu ernennen. Dadurch ist Gevatter Tod ein großer Checker vor dem Herrn.
– Die nun seit Jahren immer wieder auftretenden Total-Blockaden zwischen Präsidenten und den beiden Parlamentskammern (in unterschiedlichen Konstellationen) zeigen, dass es auch mit den Balances nicht weit her ist.
In der Summe kein reifes politisches System.
Vor allem sehe ich keinen Vorteil gegenüber dem deutschen politischen System.
Deutschland krankt im Augenblick an Repräsentations-Defiziten: In den Parlamenten sitzen viel zu viele Berufspolitiker, die, bevor sie irgendwelchen Kontakt mit dem realen Leben hatten, beschlossen haben, „Politiker zu werden“ (oft, weil die Alternative mangels beruflicher Qualifikation ein Leben in prekären Verhältnissen gewesen wäre: „Kein Abschluss – kann aber gut schwätzen“). Schauen sie sich z.B. die Biographien von Lindner, Amthor, Baerbock, Merz und Habeck an: Die Ausbildung geht nahtlos ins Politiker-Leben über – Lindner hat wenigstens einige Firmen in den Sand gesetzt.
Erwarten Sie unter solchen Umständen, dass Robert Habeck den Hauch einer Vorstellung hat, was für Auswirkungen seine Ideen auf die verschiedenen sozialen Milieus hat? Viele Politiker sind mangels eigener Lebenserfahrung auf die Einflüsterungen diverser Think-Tanks angewiesen – und haben mangels eigener Ideen ein offenes Ohr für die Einflüsterungen von Lobbyisten.
Dazu kommt eine Akademisierung der Politik: Ein Parlament voller Akademiker (vor allem Juristen) herrscht über ein Volk, in dem Akademiker in der Minderheit sind. Unterrepräsentiert sind Frauen und Minderheiten aller Art. Und wer nicht repräsentiert ist, wird von der Politik gerne vergessen.
Dazu kommt, dass die meisten Parteien eine zutiefst bürgerliche Politik machen: bei den Grünen progressiv bürgerlich, bei der CDU/CSU konservativ bürgerlich, bei der FDP reiche Bürger, bei der SPD ein bisschen konfus. Im Blickpunkt steht der Selbstständige oder der finanziell abgesicherte Angestellte/Facharbeiter (absichtlich von mir nicht ge-gendert) mit Familie und Eigenheim, dem man immer neue Vergünstigungen zuschieben möchte. Und wenn dieses Zielpublikum (laut Umfragen) murrt, wird die Politik geändert – wenn andere Gruppen meckern, wird „Kurs gehalten“.
Aber all dies sind keine deutschen Spezialitäten, sondern sorgen in vielen Ländern für Politikverdrossenheit (und Erfolge rechter Parteien).
KK
8. November 2023 @ 23:33
“– Das überall angewendete Mehrheitswahlrecht sorgt dafür, dass auch ohne das Optimieren von Wahlkreisgrenzen, sehr viele BürgerInnen vergeblich zur Wahl gehen, weil ihr(e) Kandidatin verliert und damit ihre Stimmen einfach weggeworfen werden.”
Bis vor – na, sagen wir mal zwei, drei Jahren – hätte ich noch hinzugefügt, dass es in einem Mehrheitswahlrecht daher auch sehr wenige Parteien geben kann, die sich Chancen auf Mitsprache ausrechnen können – und in den USA ist das seit langem auf zwei Parteien eingedampft, während in UK wenigstens noch eine dritte um einige wenige Parlamentssitze mitfiebern kann.
Nun ist es aber auch hier so, dass das Geld, die Lobbies (iVm den beschriebenen “Berufspolitikerbiografien”) die Politik der über die letzten Jahrzehnte immerhin rund halbdutzend zur Auswahl stehenden Parteien bis zur Ununterscheidbarkeit in den wesentlichen Feldern angeglichen haben*. Die 5%-Hürde gewährleistet, dass sich das auch nicht so schnell ändern kann, weil damit kleineren Parteien die Sichtbarkeit und Möglichkleiten der Profilierung genommen wird.
Fazit: Wir haben zwar mehr als zwei Parteien, aber fast noch weniger Möglichkeiten, eine zu uns passende zu finden.
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* Und sage mir keiner, die sogenannte “AfD” unterscheide sich da – das ist mitnichten der Fall, und das wird allen klar werden, sobald die erst mal in den ersten Regierungen sitzen. Die sogenannte “AfD” passt wunderbar zur neoliberalen Agenda der anderen (mit allerdings maximal ausgeprägter sozialdarwinistischer Ausprägung ähnlich der der modernen FDP – sozialliberal war nämlich einmal) – mit Ausnahme vielleicht noch der LINKE, die dafür aber auf allen anderen wesentlichen Feldern in den letzten Jahren ihre einstigen Prinzipien aufgegeben hat.
Monika
8. November 2023 @ 13:32
Es ist offensichtlich, dass es um das Gedeihen der EU in keiner Weise geht. Es geht in der Tat ausschließlich um den brachial von den USA via NATO getriebenen geopolitischen Vorstoß in Richtung Russland. Von Beginn an mit der Maßgabe, Russland als strategischen „Gegenspieler“ zu ruinieren. Zur Regionalmacht, deren Bodenschätze für lau abgegriffen werden können, schrumpfen. (wäre was für Hollywood: Liebling, ich habe Russland geschrumpft …) Daher rührt auch die irrational-schäumende Wut auf Putin, als dem Inbegriff des bösen „Spielverderbers“.
Die EU hat sich bereits kräftig an Polen, Balten, Bulgarien, Rumänien, Ungarn, Tschecheslowakei und erst recht am völkerrechtswidrig zerlegten Ex-Jugoslawien überdehnt. Jetzt scheint es nicht mehr darauf anzukommen, der Rest soll, auf „Biegen und Brechen“, auch noch gestemmt werden.
Und: Je mehr Die EU mit den daraus resultierenden inneren Krisen beschäftigt sind, umso weniger können sie die wirtschaftlichen Raubzüge der USA behindern, win-win-win für unsere transatlantischen „Freunde“ und „Partner“!
Ich bin gespannt, wann die östlichen EU-Erweiterungen realisieren, dass sie nun in den inneren Kreis der EU gepusht werden, und plötzlich „geben“ statt „nehmen“ angesagt ist. Polen scheint „den Braten“ schon zu riechen.
Das alles wird zwar recht wahrscheinlich zum Brechen führen, aber was „scheren uns denn unsere Wähler“, die sollen wählen und das Mundwerk und die Füße stillhalten. Abkotzen tun sie ja schon länger, aber „Demokratie ist kein Ponyhof! We never promised you a rosegarden…!
Arthur Dent
8. November 2023 @ 09:53
@Thomas Damrau
Was ist so falsch an der amerikanischen Auffassung von Demokratie? Man sollte hier nicht den Fokus auf die amerikanische Außenpolitik richten. Den amerikanischen Bürger interessiert eher die Innenpolitik. Und da gibt es schon checks & balances.
In deutschen Medien ist Innenpolitik eher nur eine Randnotiz. Aufmacher sind meist Ereignisse im Ausland, um die internationale Wichtigkeit Deutschlands herauszustellen.
Statt den “Willen des Bürgers” zu repräsentieren, haben Politiker die Tendenz, diesen so zu beeinflussen, dass sie wiedergewählt werden. Und dazu haben sie es im deutschen Verhältniswahlrecht einfacher. Es findet nämlich eine Vorauswahl statt, auf die der Wähler keinerlei Einfluss hat. Im Grunde genommen ist sie eigentliche Wahl nur noch ein inhaltsleerer plebiszitärer Akt.
KK
8. November 2023 @ 18:39
„Was ist so falsch an der amerikanischen Auffassung von Demokratie?“
Dass die Demokratie zu einer bezahlbaren Ware verkommen ist, wo diejenigen ihren Willen durchsetzen können, die die meisste Kohle haben: um damit die ihnen willfährigen Leute in die entsprechenden Ämter zu hieven, indem sie deren Wahlkämpfe finanzieren. Und die sich dann erkenntlich zeigen müssen, um damit ihren nächsten Wahlkampf finanziell abzusichern.
In den USA ist nicht das Volk der Souverän, sondern das Geld!
Karl
8. November 2023 @ 09:18
Jeder kennt Pablo Picassos Bild Guernica.
Stellen Sie sich vor, 9 Jahre nach der Bombardierung von Guernica hätte jemand vorgeschlagen, Franco-Spanien in die EU-Vorläufer aufzunehmen.
Das, was von der Ukraine bleibt, ist absolut vergleichbar mit Franco-Spanien: Ein militarisiertes, nationalistisch aufgeheiztes, im Kern faschistisches, hoch korruptes und rückständiges Land, das aus einem “Bürgerkrieg” hervorging – mit einem Nationalhelden Bandera, der die Nachbarvölker massakriert hat.
Das Guernica von 1937 wird vom Donbass 2014 noch übertroffen (14.000 Tote, 2 Millionen Vertriebene) – verharmlosend “Bürgerkrieg” genannt, meist ganz verschiegen.
Thomas Damrau
8. November 2023 @ 07:51
Wenn es um Demokratie und Menschenrechte geht, hat die EU inzwischen vollständig die US-amerikanische Sicht adoptiert: Bei der Verteidigung und Erweiterung der eigenen Einflusssphäre zweitrangig. Den Protest gegen Demokratie-Defizite hebt man sich für Autokraten auf, die die Geschäfte stören – und da kann auch mal ein demokratischer Staat auf die Schwarze Liste kommen, wenn seine Bevölkerung die Falschen wählt (siehe Iran, Chile, …).
Umgekehrt fühlen sich Selenskyj und Sandu durch das permanente Schulterklopfen („Ihr seid die Speerspitzen der Demokratie.“) motiviert, die eigene Bevölkerung vor falschen Wahlentscheidungen zu schützen – nannte man früher Autokratie, aber …
Und die EU-Kommission selbst ist ja immer froh, wenn sie die Wahl des Parlaments (Ergebnis ist eigentlich wurscht) hinter sich hat und dann wieder in Ruhe vor sich hin dekretieren kann – und nicht mehr Interesse am Willen der Bevölkerung simulieren muss.
KK
8. November 2023 @ 18:43
Naja, der Iran, wo die Mullahs bestimmen, wer überhaupt gewählt werden darf, ist nicht unbedingt das beste Beispiel für einen „demokratischen Staat“, oder?
Margrit Mooraj
8. November 2023 @ 21:01
Nein, ich schätze, das Regime der Mullahs ist nicht gemeint. Sondern der Putsch der Briten und der USA gegen Mohammad Mosaddegh, den demokratisch gewählte Premier Irans, von 1953. Er war nicht bereit zu dulden, dass die Briten die Ölquellen des Iran als ihre persönliche Tankstelle (und nur durch sie kontrolliert) nutzten.
Thomas Damrau
9. November 2023 @ 11:28
@Margrit Mooraj @KK
Ich hatte schon Mosaddegh gemeint. Die Liste kann weiter in die Zukunft verlängert werden (z.B. diverse Militärputsche in Latein-Amerika), aber da sind die Fälle meist noch stark umstritten – siehe die Dauer-Diskussion in diesem Forum über den Euro-Maidan.
KK
8. November 2023 @ 23:41
@ Margrit Mooraj:
” Sondern der Putsch der Briten und der USA gegen Mohammad Mosaddegh, den demokratisch gewählte Premier Irans, von 1953.”
Dewr Putsch ist mir durchaus bekannt und auch noch als einer der prominenten ersten Einmischungstaten der USA präsent – allerdings war der Ausgangspost von Thomas Damrau so sehr auf die Gegenwart fokussiert formuliert, dass ich diesen Bezug zu 1953 ausgeschlossen hatte. In Chile (und allgemein Süd- und Mittelamerika) mischen sie sich ja auch aktuell ein, seit dort ein Sozialist wieder Wahlerfolge feiern kann, allerdings etwas diskreter und mehr hintenrum als noch bei Allende.
Robby
8. November 2023 @ 03:07
Man muss auch dazu sagen, dass ohne die Korruption in den Ländern die EU, der Westen, nie einen Fuß in die Tür dort bekommen hätte.
Da geht es nicht um Demokratie, da geht es um knallharte Geopolitik.
Und der wird mit aller Härte geführt, siehe Ukraine.
Aber Russland hat das wuchern dieses malignen Geschwürs gestoppt.
Hätten unsere Eliten nur auf Putins Rede bei der MSC 2007 gehört, Hunderttausende Ukrainer würden noch leben.
Aber was schert das den Toni?
Kleopatra
8. November 2023 @ 01:13
Wahlen während eines Krieges auszusetzen, ist gängige Praxis und wird/wurde in vielen Demokratien so praktiziert.
KK
8. November 2023 @ 18:49
Während eines Krieges ruht die Demokratie, das ist richtig; wie will vdL und die EUCO dann aber den Zustand bzw. Fortschritt der Demokratie in der Ukraine unter diesen Voraussetzungen denn überhaupt beurteilen, wo er doch bis zum Krieg nach herrschender Meinung für Beitrittsgespräche noch völlig unzureichend war?
Arthur Dent
7. November 2023 @ 21:54
Postdemokratie eben
ebo
7. November 2023 @ 22:10
Nein, beide Länder waren noch nie Demokratien im westlichen Sinn!