Scheitern mit Ansage
Das Europaparlament verweigert dem Whistleblower Snowden die lautstark angekündigte Unterstützung. Damit setzt es seine eigene Glaubwürdigkeit aufs Spiel – und verpasst eine historische Chance. Ein Kommentar.
Snowden und die NSA-Affäre – das war eine Steilvorlage für Europa. Am Beispiel des amerikanischen Whistleblowers hätte die EU endlich einmal beweisen können, dass sie es ernst meint.
Mit den Menschenrechten, mit Meinungsfreiheit und Schutz vor Verfolgung, aber auch mit der Unabhängigkeit vom „Big Brother“ USA. Justizkommissarin Reding sah sogar die Zeit für eine europäische Unabhängigkeits-Erklärung gekommen.
Und nun? Nichts. Kein Asyl für Snowden, keine Schutzgarantien, wahrscheinlich auch keine Anhörung im Europaparlament oder im Bundestag. Nach der EU-Kommission ist auch das Europaparlament eingeknickt
Wie konnte es dazu kommen? Das Hauptproblem sind die EU-Staaten, deren Geheimdienste mit der NSA unter einer Decke stecken. Sie waren von Anfang nicht an einer Aufklärung interessiert, schon gar nicht an Sanktionen.
Kanzlerin Merkel kommt dabei eine besonders unrühmliche Rolle zu. Trotz der „Merkelphone“-Enthüllungen hat sie alle Versuche, die USA zu strafen und Snowden zu helfen, torpediert.
Aber auch das Europaparlament hat versagt. Obwohl es schon einmal an einer ähnlichen Affäre gescheitert war – dem Echelon-Abhörskandal der 90er Jahre – weckte es riesige Erwartungen, die am Ende nicht zu erfüllen waren.
Ein Besuch Snowdens in Brüssel war von vorneherein unrealistisch, ein Asyl in Europa unwahrscheinlich. Schließlich wollte kein EU-Staat den Amerikaner aufnehmen, und die EU selbst kann kein Asyl gewähren.
Das ist allerdings noch lange kein Grund, Snowden nun gar nicht mehr zu erwähnen, und ihm überhaupt nicht mehr zu helfen. Ohne ihn wäre die NSA-Affäre nie ans Tageslicht gekommen, er ist längst zum Symbol für den Freiheitskampf des 21. Jahrhunderts geworden.
Was bleibt, ist eine zutiefst abhängige, gedemütigte EU. Und ein Parlament mit Beißhemmung und beschränkter Haftung. Die europäische Unabhängigkeits-Erklärung muss wohl auf bessere Zeiten warten.
Dies ist die gekürzte Fassung eines Kommentars, den ich in der taz veröffentlicht habe. Das Original steht hier. Siehe zu diesem Thema auch “Die EU schützt uns nicht” und “Ein neues Narrativ?”
Ben Klock
13. Februar 2014 @ 14:18
Das Swift – Abkommen, welche den gesamten EU – Bankdatenverkehr (in und aus der EU raus) offiziell an die US – Geheimdienste weiterleitet, läuft immer noch. Warum? Das ist so lächerlich. Wahrscheinlich wäre das Thema auch einen eigenen Artikel wert.
Guter Artikel. Toller Blog. Ich verlinkte fast jeden Ihrer Artikel in meinem Flibboard – Magazin (> 2000 Leser): http://goo.gl/80OpOu
Peter Nemschak
13. Februar 2014 @ 14:14
Welche nachweisbaren Vorteile für die Sicherheit Europas bringt die Zusammenarbeit europäischer Geheimdienste mit den amerikanischen? Diese Frage muss Merkel beantworten und die Abwägung der Vor- und Nachteile den gewählten Parlamenten überlassen. Gibt es dazu keine parlamentarische Anfrage, nicht einmal von der Linkspartei?