Gipfel im Zeichen des Krieges, Orbans (un-)mögliches Veto – und noch ein Data Act

Die Watchlist EUropa vom 24. Februar 2022 –

Er hat es getan. Charles Michel, der EU-Ratspräsident, hat einen neuen Krisengipfel zur Ukraine einberufen. Damit will er Tatkraft und Entschlossenheit beweisen. „Die Anwendung von Gewalt und Zwang zur Änderung von Grenzen hat im 21. Jahrhundert keinen Platz“, betont Michel. Deshalb wolle man über eine angemessene EU-Reaktion beraten.

Nur einen Tag nach der ersten Sanktionswelle gegen Russland ist dies aber kein Zeichen der Stärke. Es ist ein Zeichen der Unsicherheit – und der Angst.

Die EU-27 sind sich offenbar nicht sicher, wie es in der Ukraine weiter geht – und ob ihre Sanktionen wirken. Deshalb wollen sie gleich über neue beraten.

Die westliche Strategie ist gescheitert

Doch was können sie gegen die befürchtete bewaffnete Invasion tun? Die bisher verfolgte Strategie – Abschreckung durch massive Sanktionen – ist krachend gescheitert.

Sie hat Kremlchef Putin nicht gestoppt, die EU aber auf Gedeih und Verderb an die USA gebunden, die nun ihrerseits den Konflikt anheizen.

Die neue, hektisch improvisierte Ersatz-Strategie – graduelle Strafen, die den russischen Aggressionen folgen – ist reaktiv. Einen Krieg wird sie nicht verhindern.

Und die ultimative Antwort – ein Sanktionshammer, mit dem Russland in den Ruin getrieben werden soll – ist zynisch und wird unweigerlich auf Europa zurückschlagen.

Ein Wirtschaftskrieg nützt niemandem

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Die EU-Chefs sollten den Gipfel daher nutzen, noch einmal gründlich über ihr Vorgehen nachzudenken. Macht es wirklich Sinn, auf einen (noch immer hypothetischen) Krieg mit einem Wirtschaftskrieg zu antworten? Und wer würde davon eigentlich profitieren?

Diese Fragen sind unbequem, sie klingen nach mangelnder Solidarität. Dabei würde auch die Ukraine unter einem Energie- und Handelskrieg mit Russland leiden. Kiew kann am wenigsten Interesse an einem Kalten Krieg 2.0 haben.

Auch Deutschland wird bei einem Wirtschaftsembargo verlieren. Es würde nicht nur die Gasversorgung gefährden, die Energiepreise in die Höhe treiben und die Inflation anheizen. Es würde auch Jobs und Wachstum kosten.

Nur die USA profitieren von Sanktionen

Nein, an der ganz großen Keule kann niemand ein Interesse haben – außer den USA. Sie profitieren schon jetzt von der steigenden Nachfrage nach Flüssiggas aus Europa. Wenn Russland als Konkurrent auf dem Energiemarkt wegfällt, lockt das ganz große Geschäft.

Die EU sollte daher aufhören, an der Sanktionsspirale zu drehen und sich an die USA zu ketten. Sie muss sich auf ihre eigenen Interessen besinnen und agieren, statt nur zu reagieren.

Der EU-Gipfel kommt dafür allerdings zur Unzeit. Am Donnerstag hat Russland den lange befürchteten Krieg in der Ukraine begonnen…

Siehe auch „Ukraine: Krieg auf allen Kanälen“

Watchlist

Was macht eigentlich Viktor Orban? Trägt er auch härtere EU-Sanktionen mit? Die erste Welle hat Ungarn am Mittwoch nach einigem Zögern abgenickt. Doch bei harten Wirtschaftssanktionen könnte Orban sein Veto einlegen. Schließlich war er gerade erst zu Gast im Kreml – und hat neue Gaslieferungen für Ungarn vereinbart. Ein Nein würde sein Land allerdings endgültig isolieren, und das kurz vor der Wahl im April…

Was fehlt

Der EU Data Act.  Er sieht vor, dass Cloud-Anbieter wie die Amazon-Tochter AWS, Microsoft oder Google Sicherheitsmaßnahmen treffen, um einem illegalen Zugriff auf Informationen einen Riegel vorzuschieben. Das Regelwerk beinhaltet Rechte und Pflichten im Umfang mit Daten von Verbrauchern und Firmen, aber auch Vertragsanforderungen und Interoperabilitätsstandards, die den Anbieterwechsel erleichtern sollen.