Reisen wird zum Politikum

Chinesen hui, Amerikaner pfui: Die EU öffnet sich am 1. Juli wieder der Außenwelt. Das Hin und Her um die Reiseliste – die EU-Botschafter brauchten fünf Tage für eine Einigung – hinterlässt einen schalen Nachgeschmack.

Die Reisefreiheit hat sich in der Coronakrise zu einem Politikum entwickelt. Zunächst hielt es die EU nicht für nötig, einen Einreisestopp zu verhängen. Sogar Chinesen waren trotz der sich ausbreitenden Pandemie fast in allen EU-Ländern willkommen.

Mitte März verhängte US-Präsident Donald Trump dann einen Einreisebann gegen den Schengenraum – mit der Begründung, dass die Europäer nicht genug gegen die Pandemie unternähmen. Die EU beschwerte sich zunächst über die „einseitige“ Maßnahme, die ohne Rücksprache gekommen sei.

Kurz darauf verhängten die Europäer aber ihrerseits einen Einreisestopp. Es war eine Reaktion auf Trump – aber auch auf die Schließung der innereuropäischen Grenzen wegen Corona. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hoffte, so die Reisefreiheit im Schengenraum zu retten.

Dies ist ihr jedoch nicht gelungen, bis heute ist die Freizügigkeit in der EU nicht vollständig wiederhergestellt. Vor allem Schweden wird wegen seiner liberalen Corona-Maßnahmen ausgegrenzt. Aber selbst Belgier sind noch nicht in allen EU-Ländern willkommen.

Mit der neuen Liste für Drittstaaten wird nun alles noch komplizierter. Die EU öffnet sich zwar langsam wieder für die Außenwelt, geht damit aber auch ein gesundheitliches und politisches Risiko ein. So rechnet man in Brüssel mit negativen Reaktionen aus den USA und der Türkei.

US-Präsident Donald Trump behauptet, die Corona-Epidemie im Griff zu haben – und könnte nun mit Vergeltung drohen. Dem türkischen Staatschef Recep Erdogan geht es vor allem um die Reisesaison. Er drängt Berlin, wenigstens für deutsche Touristen in der Türkei eine Ausnahme zu machen.

Um die Ansteckungs-Risiken zu minimieren, hat die EU für Drittstaaten strenge Regeln erlassen. So muß die Zahl der Neuinfektionen in den vergangenen zwei Wochen „nahe an oder unter“ 16 pro 100.000 Einwohner liegen – also dem aktuellen EU-Durchschnitt.

Zudem wird der Trend berücksichtigt – er muß positiv oder stabil sein. Das sieht wissenschaftlich aus – doch die Bewertung ist eminent politisch…

Siehe auch “Amerikaner müssen draußen bleiben, Chinesen nicht”

P.S. Wie erwartet, hat Ankara hat die Aufrechterhaltung der Einreisebeschränkungen für Menschen aus der Türkei kritisiert. Man sei “enttäuscht”, hieß es im Außenministerium. Die Türkei erwarte, dass dieser “Irrtum” sobald wie möglich aufgehoben wird…