Ratlos gegen Rechts

Die beiden verstehen sich besser, als man glaubt…

Die EU-Kommission verklagt Ungarn, macht aber gleichzeitig den Weg für neue Finanzhilfen an Budapest frei. Die Klagen betreffen Datenschutz und Justiz, jedoch nicht die akut bedrohte Meinungsfreiheit. Dieses konfuse Vorgehen ist typisch für die EU: Angesichts des Aufstiegs der Rechtspopulisten in vielen Ländern ist man in Brüssel immer noch ratlos, im Zweifel versucht man es mit Umarmungstaktik.

In Ungarn sind die Rechtspopulisten an der Macht, in den Niederlanden waren sie bis vor kurzem daran beteiligt, in Finnland haben sie ein Wörtchen mitzureden. In Österreich haben sie lange die Politik beeinflusst, auch in Frankreich könnte dies bald geschehen. Schon jetzt geht der schwer angeschlagene Noch-Präsident Sarkozy auf viele Forderungen des rechtsextremen Front National ein, um seine Wiederwahl doch noch zu sichern. Und in Griechenland formieren sich vor der Wahl in zehn Tagen sogar die Neonazis (siehe dazu auch die aktuelle Übersicht auf Cicero online).

Grund genug, die Ursachen für den Vormarsch der Rechten zu erkunden und eine Gegenstrategie zu erarbeiten, sollte man meinen. Ich hätte da ein paar Ideen: Wie wäre es zum Beispiel, endlich einzugestehen, dass es ein Fehler war, das “Nein” der Franzosen und Niederländer zur EU-Verfassung 2005 zu übergehen? Wie wäre es, die einseitige Sparpolitik zulasten der Bürger zu überdenken? Wie wäre es, endlich ein soziales und demokratisches Europa zu schaffen?

Doch in Brüssel ist davon nichts zu sehen. Kommissionschef Barroso warnte nach dem ersten Wahlgang in Frankreich ganz allgemein vor Populismus und Nationalismus, ohne Roß und Reiter zu nennen. An seiner umstrittenen Wirtschafts- und Finanzpolitik will er nichts ändern. Und Ratspräsident Van Rompuy sorgte sich heute um die Reisefreiheit, die durch den “Wind des Populismus” gefährdet werde.  

Dabei sind es nicht Orban, Wilders, Le Pen & Co., die die Schengen-Regeln in Frage stellen, sondern Bundesinnenminister Friedrich und sein französischer Amtskollege Guéant. Berlin und Paris kommen den Rechten entgegen, um die Wiederwahl von Merkels konservativem Juniorpartner Sarkozys zu sichern – genau, wie Berlin die ganze Zeit mit Den Haag paktiert hat, obwohl dort Wilders offen gegen Immigranten hetzte.

Besonders verlogen ist die Politik gegenüber Ungarn. Als es vor einem Jahr den EU-Vorsitz hatte, wagten Barroso & Co. überhaupt keine Kritik an Orban. Vielmehr arbeitete man aktiv und angeblich sogar erfolgreich mit Budapest zusammen. Als die Ungarn dann lautstark gegen die Gleichschaltung der Medien protestierten, hörte man in Brüssel weg. Stattdessen nimmt man nun das Pensionsalter der Richter und die Entlassung eines Datenschutzbeauftragten zum Vorwand, das Land vor den EuGH in Luxemburg zu zerren.

Überraschend ist dieser Schlingerkurs nicht. Schließlich wollte sich Barroso zu Beginn seiner ersten Amtszeit 2004 sogar mit den Stimmen der Rechtspopulisten im Europaparlament bestätigen lassen. Van Rompuy kommt aus Flandern, wo man auch einige Probleme mit Rechtsextremen hat. Und Währungskommissar Rehn, ein Finne, hat sich zumindest in Brüssel noch nie offen gegen die „Wahren Finnen“ gestellt, die mit populistischen Forderungen immer wieder die Euro-Rettung erschweren…

 

Siehe zu Ungarn auch “Hungern statt Handeln” sowie zu den Populisten meinen gestrigen Beitrag “Wo Wilders recht hat”


 

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