Wo Wilders Recht hat

Den Haags Rechtsausleger macht Front gegen den Sparkurs

Der niederländische Finanzminister will trotz der Regierungskrise die Sparvorgaben der EU erfüllen. Man werde wie vereinbart bis Ende April einen Kürzungsplan vorlegen, um die Drei-Prozent-Grenze der Neuverschuldung einzuhalten, sagte Kees de Jager. Allerdings ist unklar, wie er das Ziel erreichen will. Rechtspopulist Wilders lehnt Kürzungen ab – und in mancher Hinsicht hat er durchaus Recht.

Die Niederlande sind nach dem Platzen einer Immobilienblase in die Rezession gerutscht. Deshalb wird es schwierig, die EU-Defizitziele einzuhalten. Der Grund für die Budgetprobleme liegt also – ähnlich wie in Spanien und Irland – nicht in einer unseriösen Haushaltspolitik des Staates, ganz im Gegenteil: Schuld hat im sparsamen Den Haag der Privatsektor – und die Rezession macht alles nur noch schlimmer.

In dieser Lage die Mehrwertsteuer zu erhöhen, eine Rezeptgebühr einzuführen und das Rentenalter zu erhöhen, wie dies Kees de Jager plant, würde die Krise nur noch verschärfen. Das Budgetdefizit etwas höher als drei Prozent zu halten, wäre hingegen angesichts des vergleichsweise niedrigen Schuldenstands (laut Eurostat 65,2 Prozent des BIP, gegenüber 81,2 Prozent in Deutschland) kein Problem.

Wilders überzieht natürlich, wenn er sein “Nein” wie folgt begründet:

The European ‘strangulation limit’ of 3% would cost economic growth, increase unemployment and cut spending power, particularly for pensioners, he said. ‘We are not going to let our old folks pay the bill for Greek fraudsters,’ he was quoted as saying.

Mit den griechischen Problemen hat die EU-Vorgabe nichts, aber auch gar nichts zu tun – schließlich geht sie auf die Maastricht-Kriterien zurück, die die Niederlande einst selbst vorgeschlagen (und die meiste Zeit auch eingehalten) haben. Auch Wilders’ durchsichtiger populistischer Versuch, Europa und den Euro zum Sündenbock für alle Probleme Hollands zu machen, geht an der Sache vorbei.

Richtig ist jedoch, dass die Kürzungspläne prozyklisch wirken und die Konjunktur weiter dämpfen würden. Diese Erfahrung haben bereits Griechenland, Portugal und Spanien gemacht; selbst Eurogruppen-Musterschüler Irland ist nach den von Brüsseler verordneten Sparmaßnahmen in die Rezession gerutscht.

Das Beispiel Niederlande zeigt erneut, dass die Forderung, alle Euroländer müssten die EU-Vorgaben erfüllen, und zwar ungeachtet der Wirtschaftslage, in eine Sackgasse führt. Sinnvoller wäre es, der Empfehlung des IWF zu folgen und finanzpolitische Spielräume sowie Konjunkturzyklen zu berücksichtigen. Dieser Meinung ist übrigens auch das “Wall Street Journal”.

Würde man dies tun, könnten nicht nur die Niederlande auf Kürzungen verzichten. Auch Spanien und Deutschland könnten sich neue Sparpläne sparen – und damit dringend benötigte Impulse für die Konjunktur geben. Eine andere, wachstums- und beschäftigungsfreundliche Politik wird nicht schon deswegen falsch, weil sie Rechtspopulisten wie Wilders fordern.

Das Problem liegt vielmehr darin, dass die etablierten Parteien sich weigern, die wirtschaftlichen Realitäten anzuerkennen und eine andere Politik zu konzipieren – womit sie indirekt den Aufstieg der Populisten begünstigen…

P.S Nun kritisiert auch die britische FT den Sparkurs in Den Haag. Der Kommentar hätte auch auf diesem Blog erscheinen können, hier ein Auszug:

The Dutch case is a horrific display of Europe’s self-harming. In pressurised states with no fiscal space, deficit cuts are of course imperative, but countries that can should let deficits widen to buoy aggregate demand in the eurozone until the recovery is firm. There is no reason for the Netherlands, whose 65 per cent debt to output ratio puts it among the eurozone’s most solvent, to fear moderate deficits in a recession. But Europe’s policy of austerity for all is dragging one economy after another back into recession – and the effect is not limited to the periphery.

 



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