Orban blockiert Ukraine-Gespräche – FDP sinnt auf Rache
Der Streit um den EU-Beitritt der Ukraine spitzt sich zu. Orban probt den Aufstand, die FDP will die Regeln ändern.
Es ist eine Blockade mit Ansage: Schon vor zwei Wochen hat Ungarns Regierungschef Orban eine Strategie für den Umgang mit der Ukraine gefordert und mit einem Veto gegen Beitrittsgespräche gedroht.
Nun macht er ernst – und bekräftigt seine Forderungen in einem Brief an den EU-Ratspräsidenten Michel. Die Versuche, ihn mit Milliardenzahlungen aus Brüssel zu besänftigen, sind gescheitert.
Eine mögliche Lösung wäre, den Ukraine-Beitritt von der Tagesordnung des EU-Gipfels zu nehmen. Kiew hat ohnehin noch nicht alle Bedingungen erfüllt, die EU-Kommission will erst im März berichten.
Eine andere Möglichkeit wäre, abstimmen zu lassen. Für den Start einer Beitrittskonferenz braucht es Einstimmigkeit. Wenn Orban allein “Nein” sagt, kann er zwar alles blockieren, sich aber auch gehörig blamieren.
Gipfelchef Michel hat sich offenbar noch nicht für eine Option entschieden. Umso eifriger ist der FDP-Außenpolitiker Lechte: Er will “Foulspieler wie Orban” vom Feld stellen.
“Für offene Foulspieler wie Orban braucht es im Zweifel einen Mechanismus zum vorübergehenden Ausschluss aus der EU”, so Lechte. Dabei macht Orban nur von den gültigen EU-Regeln Gebrauch.
Dass ein Regierungschef fordert, ein Thema von der Tagesordnung zu nehmen, ist nichts Ungewöhnliches. Das hat auch Kanzler Scholz schon gemacht – im Verbrennerstreit.
Im übrigen ist Orbans Forderung nach einer Ukraine-Strategie überfällig. Welchen Sinn macht es, mit einem Land über den Beitritt zu verhandeln, das im Begriff ist, einen Krieg zu verlieren?
Siehe auch “Das fehlende Assessment: Die Ukraine kann nicht siegen”
KK
7. Dezember 2023 @ 11:36
Ich muss konstatieren, dass das Demokratieverständnis generell unter Deutschlands Politikern (die anderer EU-Länder habe ich auch mangels Sprachkenntnissen nicht so im Blick) in den letzten Jahren doch arg erodiert ist: Regeln gelten oft nur noch, wenn sie die eigenen Ziele befördern, und andere Meinungen werden entweder diskreditiert oder gleich gecancelt, aber nicht mehr diskutiert, wie das in einer Demokratie alltäglich sein sollte. Und während manch EU-Parlamentarierer wegen ein paar Millionen wo auch immer her monatelang in U-Haft sitzt, werden Milliarden eines Pfizer-Deals per SMS unter den Teppich gekehrt und die Verantwortliche noch nicht mal von Ermittlungsbehörden peinlich befragt (wo ist zB OLAF?)!
Arthur Dent
7. Dezember 2023 @ 09:44
FDP wandelt sich gerade von liberal- autoritär zu liberal-totalitär. Ein Rausschmiss Ungarns aus der EU ist nicht möglich, es kann allenfalls ein Suspendierungsverfahren eingeleitet werden. Lechte, ist der eigentlich Eu-Politiker?, will offenbar nur „Stimmung machen“.
(In den FDP-Ministerien Finanzen & Justiz stehen gerade jede Menge Beförderungen an – trotz Haushaltssperre – mal sehen, ob das in der Presse kommentiert wird. Zudem ist der 8. Dezember Stichtag, dann haben neue Minister ihre Pensionsansprüche gesichert. Vielleicht ist das ja schon die „Aktion Abendsonne“, bevor die Nacht an- und die Koalition zerbricht?
Karl
7. Dezember 2023 @ 09:20
Wo sind die Stimmen, die damals den Beitritt der Türkei abgelehnt haben?
Zufällig finde ich gerade das folgende kleine Pamphlet. Sein Grund 1 erwähnt die Ukraine und wäre etwas zu ändern. Grund 9 wäre neu zu formulieren mit der Überschrift „Missbrauch der EU“. Die anderen Gründe bis 10 könnten unverändert auch für die Ukraine gelten – oder? — https://www.welt.de/print-welt/article342468/Zehn-Gruende-gegen-den-EU-Beitritt-der-Tuerkei.html
european
7. Dezember 2023 @ 08:05
Inzwischen regt sich in den USA der Unmut: „It’s a European problem“
https://youtu.be/An_QUib1JBU?feature=shared
Tja, was haben wohl die Amerikaner damit zu tun? Laut diesem Republikaner nichts. Die Europäer sollen selbst für ihre Sicherheit sorgen, die USA haben andere Prioritäten und zumindest dieser Senator wird nicht mehr für Ukraine-Unterstützungen stimmen.
Ein Afghanistan-reloaded wird immer wahrscheinlicher, je näher die Wahl kommt. Vergessen oder ignoriert wird, dass die USA die treibende Kraft hinter diesem Krieg waren und sind. Sie verfolgten ja ihre ureigene Strategie, wie in The Grand Chessboard niedergeschrieben. Die Europäer haben sich nur zum devoten Erfüllungsgehilfen gemacht und werden das Nachsehen haben.
Und auch hier wird nicht gefragt, was die persönlichen Interessen des US Präsidenten Biden an der Ukraine sind.
renz
11. Dezember 2023 @ 23:29
Wenn die USA diesen krieg zu einem europäischen(EU) erklären, dann werden etliche EU-Staaten sich nationale Nuklearstreitkräfte anschaffen. Kooperationspartner gibt es ja – nicht reichlich aber ausreichend; alle Atommächte und Länder wie Iran, Israel, Süd-Afrika fallen mir da ein. Die Büchse der Proliferation wäre dann sperrangelweit auf.
MarMo
6. Dezember 2023 @ 22:38
Hoffen wir, dass der Beitritt noch abgewendet werden kann.
renz
11. Dezember 2023 @ 23:33
Wenn die Ukraine reinkommt, dann haben wir die Türken drin, Georgien, eigentlich alle Länder bis zum Ural. Nur Russland nicht. Wenigstens vorerst. Aber Russland würde dann auch einen Antrag stellen. Welcome to Eurasia – the New Worldpower and game-changer
european
6. Dezember 2023 @ 20:36
Ich hätte mir im Leben niemals träumen lassen, dass ich Orban mal für seine Quertreiberei dankbar sein könnte. Gut ist, dass er nicht allein damit ist. Die Slowaken sind auch auf seiner Seite und selbst Polen ist nicht mehr sonderlich glücklich über das, was mit einem EU – Beitritt der Ukraine droht.