Nun spielen sie “Schwarzer Peter”
Ohne Drama geht es nicht beim Brexit, das wissen wir seit Jahren. Doch nun haben die Verhandlungen zwischen Brüssel und London einen neuen Tiefpunkt erreicht. Im Grunde spielt man nur noch “Schwarzer Peter” – wer ist Schuld, wenn es schief geht?
Den Auftakt machte der EU-Gipfel. Statt den britischen Premier Johnson nach Brüssel zu laden, verbarrikadierten sich die EU-Chefs im streng abgeschirmten Ratsgebäude – nicht ‘mal Handys waren zugelassen – , um intern ihre Position abzustimmen.
London müsse sich bewegen, hieß es hinterher. Keine Selbstkritik, kein neues Angebot an London, keine neue Strategie – nichts. Es war der Versuch, Johnsons Ultimatum (15. Oktober) zu übergehen und London den Schwarzen Peter zuzuschieben.
Doch Johnson ist auch nicht besser. Statt sich das Scheitern einzugestehen, wich er einer Entscheidung aus und verkündete, die Briten müssten sich auf den “No Deal” einstellen. Auch er wollte nicht derjenige sein, der das Licht ausknipst.
“Kommt hierher, kommt zu uns – wenn es fundamentale Änderungen an eurer Position gibt“, erklärte der britische Premier. Auch die EU müsse sich bewegen, erklärte ein Regierungssprecher in London. Nächste Woche soll es weitergehen.
Damit drehen wir uns im Kreis. Johnson versucht, die EU zu erpressen – und die EU versucht, Großbritannien neun Monate nach dem Austritt neue Fesseln anzulegen – nämlich die eigenen Spielregeln. Die nächsten Wochen können heiter werden…
Siehe auch “Brexit: Das Ultimatum endet, die Deadline kommt”
Holly01
18. Oktober 2020 @ 21:22
@ ebo:
Im Moment geht es darum, das bei der WTO für die Warengruppen Kontingente fest gelegt wurden.
Die Länder handeln innerhalb „ihrer“ Kontingente.
Das UK hat aber keine Mengen, denn die wurden im Rahmen der EU als EU-Mengen ausgehandelt.
Um das ganz hart zu sagen:
Nach dem 31.12.2020 ist der Außenhandel vom UK vorbei.
Ja. Natürlich werden die 5 Eyes und Israel das ignorieren. Die EU wird das auch nicht thematisieren.
Die EU Mengen verlieren nämlich ebenfalls ihre Gültigkeit. Das UK ist ja raus.
Eine Neuordnung ist auch nicht ohne weiteres möglich.
Die WTO ist durch die USA ziemlich blockiert.
Es wäre ja zum Lachen, wenn es nicht auch so ernst wäre. Die „WTO-Regeln“ lösen sich gerade in Luft auf …..
vlg
European
17. Oktober 2020 @ 16:47
Johnson steht massiv unter Druck. Sein Pandemie-Management ist katastrophal. Nichts funktioniert mehr im Land. Dazu die interne Zerreißprobe. Die letzten Umfragen in Schottland ergaben 58% zu 42% für Independence. Tendenz weiter steigend, ganz besonders bei no deal. Er gibt den Macker. Die Brexiters haben viel versprochen. “The easiest deal ever” “Have the cake and eat it” etc.
Die EU ist kritikwürdig, aber wenn sie jetzt zulässt, dass man ohne membership die gleichen Rechte bekommt, wie mit membership, dann hat sie endgültig verspielt. Aber das ist das, was Johnson, Gove, Davis und Co. den Briten versprochen haben. Wir bekommen das gleiche und müssen nichts dafür bezahlen.
Labour und die Tories liegen mittlerweile in Umfragen gleichauf. Keir Starmer macht einen guten Job, insbesondere wenn man den kurzen Zeitraum seiner Amtszeit betrachtet.
Das wird noch ordentlich wackeln hier auf der Insel.
ebo
17. Oktober 2020 @ 17:16
Welche Rechte soll Johnson denn bekommen? Einen Sitz im Rat, ein Vetorecht bei der Außenpolitik, EU-Gelder?
Nein, es geht nur um den Handel. Wenn er da Einschränkungen will, dann gibt es eben keinen Freihandel – doch den will die EU.
That’s the problem – oder?
European
17. Oktober 2020 @ 17:21
Während des Brexit-Referendums haben die Brexiters damit geworben, dass man durch einen roll-over genau den gleichen Zugang zum Binnenmarkt mit den entsprechenden Vorteilen bekommen kann, ohne dass man den Beitrag bezahlen muss. (Can have the cake and eat it).
Das meinte ich mit Rechten.
ebo
17. Oktober 2020 @ 18:01
Ok, das war natürlich eine Lüge.
Aktuell geht es aber darum, ob UK den vollen Zugang zum Binnenmarkt behält, oder ob man für bestimmte Sektoren P Referenzen, Quoten o.ä. einführt – den Zugang also beschränkt.
Aus meiner Sicht wäre dies eine pragmatische Lösung, allemal besser als ein “No Deal”.
Dafür müsste die EU allerdings ihr Freihandels-Dogma relativieren.
Zu gut deutsch: Deutschland könnte nicht ungehindert Autos produzieren oder exportieren, Frankreich nicht ohne Weiteres in britischen Gewässern fischen…
Art Vanderley
16. Oktober 2020 @ 21:07
Erinnert ein bißchen an die parteipolitische Kindertagesstätte in den USA, wo sich Demokraten und Republikaner gegenseitig übertrumpfen dabei, wer dem Anderen die längere Zunge rausstrecken kann.
ebo
16. Oktober 2020 @ 21:09
Aber nicht doch, wir sind doch in EUropa, hier sind ALLE vernünftig 🙂
Art Vanderley
17. Oktober 2020 @ 21:00
Aber sowas von…