Mit Sanktionen in die Sackgasse, mit von der Leyen in den Krieg – und Nato goes global
Was bleibt von der Europapolitik der vergangenen Woche? Die EU hat sich mit ihren Sanktionen in eine Sackgasse manövriert. Von der Leyen ist nach Kiew gereist – in den Krieg. Und die Nato erhebt einen Weltmachtanspruch.
Die EU hat schon vier Sanktionspakete gegen Russland verhängt. Angeblich waren sie massiver und präziser denn je zu vor. Doch bisher haben die „Präzisionswaffen“ ihr Ziel verfehlt.
Der Krieg in der Ukraine geht weiter – brutaler und mörderischer denn je. Die Wirtschaft in Russland hat sich erholt – der Rubel steht fast wieder auf Vorkriegsniveau. Und außer den USA, Großbritannien und Japan macht kaum jemand mit – China hat der EU gerade erst einen Korb gegeben.
Deshalb musste nun ein fünftes Sanktionspaket her. Offiziell wird es mit dem Massaker von Butscha begründet. Die Gräueltaten dürften nicht unbeantwortet bleiben, so von der Leyen.
Doch in Wahrheit war die neue Runde schon vorher vorbereitet worden. Sie folgt einem amerikanischen Drehbuch für den Wirtschaftskrieg; alles ist bis ins Detail mit Washington abgesprochen. Die USA und die EU haben nur auf eine günstige Gelegenheit gewartet, um weiter an der Sanktionsschraube zu drehen.
Diesmal soll auch das letzte Tabu fallen – die Energie. Die USA haben bereits vor Wochen ein Embargo auf Gas und Öl aus Russland verhängt, nun sollen Deutschland und die EU folgen. Doch auch die fünfte Runde steht unter keinem guten Stern.
Deutschland, Österreich und Ungarn leisten Widerstand. Einen Importstopp für Gas aus Russland wollen sie nicht mittragen, denn der würde der heimischen Wirtschaft schaden. Auch beim Öl gibt es Probleme. Am Ende konnte man sich nur auf ein Importverbot für Kohle einigen – und auch das nur scheibchenweise.
Am Krieg wird jedoch auch dieses Verbot nichts ändern. Gerade einmal vier Milliarden Euro im Jahr macht das Kohlegeschäft für Russland aus, das ist nicht kriegsentscheidend. Auch Exportverbote für Kaviar und Wodka machen den Kohl nicht fett.
Kremlchef Wladimir Putin wird das fünfte Sanktionspaket ebenso wenig zum Einlenken bewegen wie die vier Pakete zuvor.
Gleichzeitig wirkt das Energieembargo wie ein Spaltpilz in Europa, wie die zunehmend erbitterte Debatte zeigt. Die EU hat sich in eine Sackgasse manövriert.
Weiterlesen hier (Makroskop)
___STEADY_PAYWALL___
Was war noch? Kommissionschefin von der Leyen ist nach Kiew gereist – in den Krieg. Gemeinsam mit Außenvertreter Borrell besuchte sie den Ort des Massakers in Butscha.
Danach hat die ehemalige Verteidigungsministerin erneut einen Blitzbeitritt in die EU versprochen. Außerdem hat sie erklärt, dass „your fight“ auch „our fight“ sei – die EU kämpft mit!?
Nato-Generalsekretär Stoltenberg ist noch weiter gegangen – er hat gelobt, die russischen Truppen mit westlicher Hilfe zurückzudrängen. Die Nato wird Kriegspartei, auch wenn sie es nicht zugeben möchte.
Außerdem weitet sie den Kampf auf die ganze Welt aus. Zum Außenministertreffen in Brüssel waren erstmals auch Japan und Südkorea eingeladen – neben Georgien, Finnland und Schweden, die bald beitreten könnten.
Stoltenberg erklärte, die Nato müsse sich mehr denn je um China kümmern. Denn dessen (neutrale) Haltung zum Ukraine-Krieg habe bewiesen, dass es zum Problem für die westliche Sicherheit werde.
Nato goes global – hat in der Ukraine vielleicht doch der 3. Weltkrieg begonnen?
Mehr Chroniken hier. Abonnement per Mail (kostenlos) hier. Und hier noch die drei besten Blogposts der vergangenen Woche:

Ukraine: Die Gegenoffensive war ein Fehlschlag – muß nun die Nato ran?
Die ukrainische Gegenoffensive hat keine nennenswerten Erfolge gebracht, wie die „New York Times“ eindrucksvoll belegt. Muß nun die Nato ran? Ein Besuch von Generalsekretär Stoltenberg in Kiew wirft Fragen auf.
Mehr
Das Nordstream-Attentat wird wohl nie aufgeklärt
Ein Jahr nach dem Anschlag auf die Nordstream-Pipelines wird die Aufklärung weiter verschleppt. Die Bundesregierung hält ihre Erkenntnisse geheim, die EU ermittelt nicht, die NATO schweigt. Bleibt der Kriegsakt gegen eine wichtige europäische Infrastruktur ungesühnt?
Mehr
Ethnische Säuberung? Baerbock warnt Putin und tut: nichts
In Bergkarabach verdichten sich Hinweise auf eine ethnische „Säuberung“. Außenministerin Baerbock sieht aber nicht Aserbaidschan, die Türkei oder die EU in der Pflicht – sondern Russland.
Mehr
european
9. April 2022 @ 23:57
Griechenland scheint direkt ein treffendes Beispiel für kommende Kontroversen zu sein. Da war ja richtig etwas los im Parlament.
https://greekreporter.com/2022/04/07/greek-azov-fighter-zelensky-speech-greek-parliament/
Varoufakis war nicht beeindruckt
https://mobile.twitter.com/yanisvaroufakis/status/1512001659131547652
„President Zelenski just abused the Greek Parliament’s invitation by sharing its platform with members of the neoNazi Azov Battalion, thus undermining the Ukrainian people’s heroic resistance to Putin’s criminal invasion. We stand with Ukraine, not with the Azov neoNazi Battalion“
Die EUCO Präsidentin hat unterdessen in der Tagesschau verkündet, dass „Wir die Ukraine aufbauen müssen“
Gibt’s eigentlich noch kritische Stimmen in Brüssel?
european
9. April 2022 @ 19:05
„Von der Leyen in Kiew: „Ukraine gehört zur europäischen Familie““
https://www.tagesschau.de/ausland/kiew-reise-von-der-leyen-103.html
„Bei ihrem Besuch in Kiew hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine schnelle Entscheidung über eine Aufnahme des Landes in die Europäische Union versprochen.“
Ein korrupter Pleitestaat gehört zur europäischen Familie? Mit der dazugehörigen Austerität, wenn nach der wilden Sanktionitis die Staatskassen überall leer sind? Warum hat Selenskyj das Minsker Abkommen nicht erfüllt, wenn ihm das Land doch so wichtig war? Was ist mit den faschistoiden Bandera-Anhängern? Was ist mit all den anderen Kandidaten auf der Warteliste für’s Brüssel-Paradies? Ist dann demnächst die Ukraine das nächste „Schutzschild Europas“ direkt nach Griechenland.
ebo
9. April 2022 @ 19:27
Berechtigte Fragen, die darauf verweisen, dass die Ukraine eben kein gewöhnliches EU-Partnerland ist. Und das nicht erst seit dem Krieg. Schon seit derm Assoziierungsabkommen wird es privilegiert behandelt; so wurden Kredite schneller und leichter gewährt als an das EU-Mitglied Griechenland.
Allerdings sollte man VDL auch nicht allzu ernst nehmen. Sie kann den Beitritssantrag im Schnellverfahren prüfen – das letzte Wort haben die Mitlgiedsstaaten. Und die stehen bisher noch auf der Bremse.