EU und Nato brechen Tabus, VDL pilgert nach Kiew – und Ausverkauf sensibler Daten

Die Watchlist EUropa vom 08. April 2022 –

Mehr Sanktionen gegen Russland, mehr Waffen für die Ukraine: Vor dem Hintergrund des Massakers von Butscha und der Eskalation des russischen Krieges im Osten der Ukraine haben die EU und die Nato ihre Gangart nochmals verschärft und die letzten Tabus gebrochen.

So bereitet die EU den Einstieg in das lange umstrittene Energie-Embargo gegen Russland vor. Die Botschafter der 27 EU-Staaten legten am Donnerstag in Brüssel letzte Hand an ein neues Sanktionspaket, das ein schrittweises Importverbot für russische Kohle enthält.

Der Boykott soll im Sommer greifen, sagten EU-Diplomaten. Man könne nicht sofort starten, da Deutschland eine längere Übergangszeit brauche. Nach Angaben der EU-Kommission könnte Russland durch das Kohle-Embargo Einnahmen von vier Milliarden Euro im Jahr verlieren.

Bisher hat die EU den Energiesektor von Sanktionen ausgeklammert, weil die Industrie von Lieferungen aus Russland abhängig ist. In den ersten vier Sanktionsrunden wurden Kohle, Öl und Gas ausgenommen. Damit sei es nun vorbei, erklärte EU-Ratspräsident Charles Michel.

Die 27 EU-Staaten gehen allerdings langsamer vor als erwartet. So sollte die fünfte Sanktionsrunde zunächst schon am Mittwoch verabschiedet werden. Mehrere Staaten, darunter Deutschland, traten jedoch auf die Bremse. Deshalb gelang die Einigung erst am Donnerstagabend.

Das Europaparlament forderte mehr Tempo. Eine große Mehrheit der Abgeordneten verlangte einen sofortigen Lieferstopp von Öl, Kohle und Gas aus Russland. Zudem sprachen sie sich für ein Aus bei den Ostsee-Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 aus.

Die Nato mischt sich immer mehr ein

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Das Europaparlament verfolgt seit langem eine harte Linie gegenüber Russland. Allerdings kann es Sanktionen nicht beschließen, das ist ein Vorrecht der Mitgliedsstaaten. Auch auf die Waffenlieferungen an die Ukraine haben die Abgeordneten keinen Einfluß.

Eine zunehmend wichtige Rolle spielt dagegen die Nato. Obwohl die Militärallianz offiziell keine Kriegspartei ist, übernimmt sie immer mehr Koordinierungsaufgaben im Krieg in der Ukraine. Bei einem Treffen der Nato-Außenminister in Brüssel erklärten sich mehrere Länder bereit, ab sofort auch schwere Waffen zu liefern.

Tschechien habe bereits Kampfpanzer auf den Weg in die Ukraine gebracht, sagten Nato-Diplomaten. Auch Deutschland wolle prüfen, wie man das Land intensiver und koordinierter unterstützen könne, sagte Außenministerin Annalena Baerbock.

“Invasionstruppen zurückdrängen”

Bei einem Sondergipfel vor zwei Wochen hatten sich die Alliierten noch wesentlich zurückhaltender geäußert. Damals stand die Sorge im Vordergrund, dass die Nato in den Krieg hineingezogen werden könne. Nun sprach sich Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg für mehr Einsatz aus.

Nach dem Massaker in Butscha gehe es darum, „die Invasionstruppen zurückzudrängen“, sagte er. Die bisher getroffene Unterscheidung zwischen defensiven und offensiven Waffen sei hinfällig geworden, so Stoltenberg. Die 30 Alliierten müssten sich auch auf einen längeren Einsatz einstellen.

Der Krieg könne noch „viele Monate oder sogar Jahre“ dauern…

Siehe auch “Alles für die Ukraine, alle gegen Russland”

Watchlist

Was will von der Leyen in Kiew? Die Kommissionspräsidentin reist am Freitag in die ukrainische Hauptstadt. Sie wolle ihre Solidarität bekunden, sagte sie vorab in Brüssel. Das hat allerdings auch schon Parlamentspräsidentin Metsola getan. Mitte März waren die Regierungschefs Polens, Sloweniens und Tschechiens nach Kiew gepilgert. Fast könnte man meinen, dort sei das neue Zentrum der EU…

Was fehlt

Der Ausverkauf europäischer Daten an das UK. Ausgerechnet British Telecom – also ein Konzern aus einem Nicht-EU-Staat – soll sensible Daten aus der EU-Verwaltung verarbeiten, wie “Politico” berichtet. Den Auftrag habe die EU-Kommission vergeben, der Wert wird mit 1,2 Mrd. Euro beziffert. Offiziell strebt Brüssel “Autonomie” und “Souveränität” über Daten an – die Praxis sieht anders aus!

P.S. Dies ist die letzte Watchlist vor der Osterpause. Weiter geht’s am 20. April!