Macron will „Garantien für Russland“ – die Antwort aus Kiew ist explosiv
Frankreichs Präsident Macron hat sich für Sicherheitsgarantien für Russland ausgesprochen, um einen möglichen Frieden in der Ukraine abzusichern. Die Reaktionen sind ernüchternd. Erst kommen Proteste aus Kiew, danach gibt es Explosionen in Russland.
Den deutschen Medien war es kaum eine Zeile wert. Dabei hat es Macrons Vorschlag in sich: Er fordert den Westen auf, sich über eine mögliche neue Sicherheitsordnung in Europa Gedanken zu machen – und dabei auch Russlands Interessen zu berücksichtigen.
„This means that one of the essential points we must address — as President (Vladimir) Putin has always said — is the fear that NATO comes right up to its doors and the deployment of weapons that could threaten Russia,“ Macron said. „That topic will be part of the topics for peace, so we need to prepare what we are ready to do, how we protect our allies and member states, and how to give guarantees to Russia the day it returns to the negotiating table.“
Euronews
Macron fordert also nicht nur, dass die USA und die EU über eine Friedensregelung für die Ukraine nachdenken – was höchste Zeit wäre. Er scheint auch bereit, auf zentrale russische Forderungen zur Nato einzugehen und westliche Garantien zu geben.
Leider fällt dies nicht auf fruchtbaren Boden. Macrons Worte deuten zwar darauf hin, dass hinter den Kulissen schon über ein Ende des Krieges gesprochen, vielleicht sogar verhandelt wird. Sie werden in Kiew jedoch scharf zurückgewiesen.
Ukrainian presidential advisor Mykhailo Podolyak did not mince words, reacting on Twitter on Sunday by pondering whether „the civilised world needs ’security guarantees‘ from barbaric intentions of post-Putin Russia“.
Euronews
Das ist keine Absage, schon gar keine diplomatische. Das ist ein Frontalangriff auf Macron und all jene, die (wie Kanzler Scholz) überhaupt noch mit Putin reden. Denn in Kiew denkt man schon über die Zeit nach Putin nach – offenbar kann es erst dann Frieden geben!?
Wie, um das zu unterstreichen, gab es dann heute zwei Angriffe auf russische Militärstützpunkte weit von der Ukraine entfernt. Sieht ganz so aus, als lege es Kiew darauf an, den Krieg nun auch nach Russland zu tragen…
Mehr zum Ukraine-Krieg hier
Thomas Damrau
6. Dezember 2022 @ 09:02
@Roby
Natürlich kann man in der Geschichte immer zurückgehen und nach Ursachen für Ereignisse suchen. Und dann endlich die ultimative Frage beantworten „Wer ist schuld?“.
Wir haben in Europa im Augenblick ein Meinungskartell, das die Schuld sehr eindeutig verteilt:
– Ukraine: Die idyllische Schweiz Osteuropas mit lauter lupenreinen Demokraten, die nur in Frieden leben wollen.
– USA: Weltpolizist, der ohne Eigeninteresse den Bedrängten der Welt zur Hilfe kommt
– EU: fortschrittliche Friedens-Union, die anderen Völkern selbstlos Gutes tun möchte
– Russland: die Inkarnation von Tolkiens Mordor
Das ist natürlich Quatsch.
Nur hilft uns die Klärung der Schuldfrage nicht weiter – auch wenn es in unseren woken Zeiten keine wichtigeren Themen als Schuld und Sühne zu geben scheint. Das war der Sinn meiner Antwort auf Kleopatra.
Den Angehörigen der Toten kann es letztendlich egal sein, wer schuld ist. Wichtig ist, dass das Töten aufhört.
Robby
6. Dezember 2022 @ 03:22
@Thomas.
Geschichte verkürzt erzählen ist ein Mittel der Propaganda.
Der Krieg begann 2014 mit Porkys ATO in der Ostukraine.
Russland beginnt keine Kriege, Russland beendet sie.
KK
6. Dezember 2022 @ 01:36
Und was Kleopatra völlig verdrängt: Macron als französischer Präsident MACHT sich nicht wichtig, er IST tatsächlich wichtig – für Europa und für den Frieden.
Hätte man ihn und die beiden auch mit Frankreich geschlossenen Minsker Abkommen insbesondere in Kiew wichtiger genommen, wäre es 2022 wohl friedlicher geblieben am Ostzipfel Europas…
Aber Minsk wurde ja ganz bewusst von der Ukraine ohne die Absicht, es je umzusetzen, geschlossen, um Zeit für die eigene Aufrüstung zu gewinnen, wie Poroschenko ja vor ein paar Monaten erst eingeräumt hatte.
Arthur Dent
6. Dezember 2022 @ 00:20
Macron ist eben erst aus den USA zurückgekehrt, wo er mit viel Pomp zu einem bilateralen Besuch war – man kann davon ausgehen, dass Biden und Macron über den Konflikt gesprochen haben. Macron muss sich auch nicht wichtig machen, er (Frankreich) ist wichtig für Europa. Wie oft hören tagtäglich vom völkerrechtswidrigen Angriffskrieg – nur ganz selten kommt jemand auf die Idee, den Sachverhalt auch mal zu erläutern. Wird in den Nachrichten heruntergeleiert wie eine tibetanische Gebetsmühle. (Im Übrigen haben Unzählige ihr Leben gelassen, wurden Gesellschaften traumatisiert und Staaten ruiniert, weil die USA ihren Anspruch auf Ordnung der Welt durchsetzen wollen. Seit 1945 führen die USA permanent offene und verdeckte völkerrechtswidrige Kriege – nur findet das im Wertewesten kaum jemand erwähnenswert). Vor Ausbruch des Konflikts war man in der Beurteilung der politischen Zustände in der Ukraine kritischer. Z.B. Die Stiftung Wissenschaft und Politik vom 04.02.2022 – Die Ukraine unter Präsident Selenskij – Entwicklung zu populistischem Autoritarismus? Oder die Jerusalem Post vom 19.10.2021 – Western Countries training far-right extremists in ukraine. Am 19.02.2022 kündigte Präsident Selenskij auf der Münchner Sicherheitskonferenz an, aus dem Budapester Memorandum aussteigen zu wollen. Die Drohung nach Atomwaffen zu streben, sowie eine bevorstehende Bodenoffensivein den Donbass, trieben die russische Entscheidung am 21. Februar 2022 voran, die Donbass-Republiken als unabhängige Staaten anzuerkennen. (Der gesetzliche Vorreiter dafür ist die „westliche“ Anerkennung des Kosovo als unabhängiger Staat). Natürlich ist der russische Angriff völkerrechtswidrig und muss daher so schnell wie möglich eingehegt werden. Wenn aber russisches Territorium angegriffen wird, behält Russland sich vor, sich mit allen Mitteln, auch nuklear zu „verteidigen“. Und aus russischer Perspektive ist die Nato schon längst Kriegspartei. Man muss sich dann allerdings auch keine Gedanken mehr um den Klimawandelmachen
Thomas Damrau
5. Dezember 2022 @ 20:59
@Kleopatra
Es ist ja richtig, dass Putin den Krieg begonnen hat und dass sich seine Soldateska übel aufführt.
Nur nützt uns die moralische Perspektive “ihm keine entmilitaristierte Zonen zugestehen kann” nicht weiter. Die Vision der Ukraine “Russen vertrieben, Putin stürzen und vor Gericht stellen” mag Ihrem Sinn für höhere Gerechtigkeit entsprechen – ist aber nicht der wahrscheinlichste Ausgang.
Der Westen muss dafür sorgen, dass der Krieg beendet wird, bevor die ukrainische Infrastruktur in Schutt und Asche liegt. Und da sollte man auch nicht Selenskyj fragen, denn der leidet unter Realitätsverlust.
european
5. Dezember 2022 @ 20:04
Macron’s Äußerungen sind nicht neu und überhaupt kein Geheimnis, weil er diese Ansicht schon ganz lange vertreten hat. Noch bis vor Kriegsbeginn hat er von einer neuen Ordnung Europa’s gesprochen, die die Sicherheitsinteressen Russlands berücksichtigt. „Die Nato ist hirntot“ – vielleicht erinnert sich noch jemand an den Aufreger und mit der „souvereignité d’Europe“ hat er 2017 einen enormen Vorstoß gewagt und ist an der bewegungslosen Angela Merkel gescheitert.
Passt den deutschen Hegemonialanspruchsdenkern sicherlich nicht in den Kram. Es ist wohl kein Geheimnis mehr, dass die deutsch-französische Achse angeknackst ist. Aber mit den Deutschen ist aktuell kein Staat zu machen. Diese Dilettantentruppe von Regierung ist nicht mehr zu toppen.
Ansonsten bezüglich der Ukraine wedelt immer noch der Schwanz mit dem Hund. Es ist fraglich, ob vor der vollständigen Deindustrialisierung Europas noch jemand etwas dagegen sagt. Erst die Deindustrialisierung, dann der Bruch der EU. Der Rechtsdrall ist nicht mehr aufzuhalten.
Vielleicht auch beides gleichzeitig. Man wird sehen.
Kleopatra
5. Dezember 2022 @ 19:17
Wenn das, was Macron äußert, Inhalt von Verhandlungen wäre, würde er es kaum in der Öffentlichkeit vortragen. M.E. will er sich vor allem wichtig machen und sich etwas von den USA absetzen.
Was Sicherheitsgarantien betrifft, so würde in der Tat vor allem die Ukraine welche gegen die Russen benötigen, denn die Garantien des Budapester Memorandums aus den 1990er Jahren waren offenbar das Papier nicht wert, auf dem sie standen. Russland hat durch seinen Krieg und durch seine Kriegsverbrechen viele Gründe geliefert, weshalb man ihm keine entmilitarisierten Zonen zugestehen kann.
Tatsächlich versuchen die USA, auf ein Heraushalten des Kriegs aus Russland zu drängen. Aber gibt es einen Grund, weshalb Einwohner von Kyiv sich Luftangriffe gefallen lassen müssen sollten und (z.B.) Moskauer angeblich ein Recht haben, davon verschont zu werden? Im Übrigen schreiben Sie von Militärstützpunkten. Die sind nach allgemeiner Auffassung legitimer Angriffsziele, und dass sie im Gebiet Russlands, also einer der Kriegsparteien, liegen, macht sie nicht sakrosankt. Anders als die zivile Infrastruktur , auf deren Zerstörung es die Russen abgesehen haben.