Leyen prescht schon wieder vor, Biden muß zittern – und Streit über Handelspolitik

Die Watchlist EUropa vom 08. November 2022. Heute beschäftigen wir uns mit einem Vorstoß von EU-Chefin von der Leyen für neue Milliardenhilfen an die Ukraine, den Midterm-Wahlen in den USA – und dem drohenden Handelskrieg mit Washington.

Auf die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten kommen neue Belastungen durch den Krieg in der Ukraine zu. Um die „grundlegenden Staatsfunktionen“ aufrecht zu erhalten, brauche die Regierung in Kiew mehr Geld, teilte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach einem Gespräch mit Präsident Wolodymyr Selenskyj mit.

Geplant seien monatliche Budgethilfen von bis zu 1,5 Milliarden Euro, so von der Leyen. Insgesamt gehe es um bis zu 18 Milliarden Euro für das Jahr 2023. Das Geld soll in Form von langlaufenden Krediten gezahlt werden, die Zinsen würden erlassen. Andere Länder – gemeint sind vor allem die USA – müssten ähnliche Hilfen gewähren.

Der Vorstoß der deutschen EU-Chefin kommt nicht überraschend, ist aber gleichwohl umstritten. Denn die Ukraine ist kein EU-Mitglied. Aus dem Beitrittsantrag, den Kiew im Frühjahr gestellt hat, lässt sich kein Anrecht auf monatliche Zahlungen ableiten. Zudem ist im EU-Haushalt bisher kein entsprechender Posten vorgesehen.

EU-Hilfen trotz Sparkurs?

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Die EU-Kommission muß also einige Verrenkungen machen, um die Notwendigkeit neuer Hilfen zu begründen. Sie verweist auf Pensionen und Beamten-Gehälter, die die Ukraine auch im Krieg zahlen müsse.

Allerdings tun sich einige Staaten schwer damit, Rentner in der Ukraine zu alimentieren, während sie selbst den Gürtel enger schnallen müssen. Die EU schwenkt gerade auf Sparkurs um. Die gemeinsame Antwort auf die Coronakrise habe zu einem erheblichen Anstieg der Schulden geführt, warnt Wirtschaftskommissar Valdis Dombrovskis. 2023 sei deshalb Konsolidierung angesagt.

Der Sparkurs steht auch auf dem Programm der Finanzminister, die sich am Dienstag in Brüssel treffen. Dort droht Ärger. Die meisten Finanzminister unterstützen zwar grundsätzlich neue Hilfen für die Ukraine.

Lindner segnet Hilfen ab

“Wir brauchen einen nachvollziehbaren Mechanismus, der die Liquidität und Versorgung der Ukraine planbar sichert”, sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner. Die Vorschläge der Kommission gingen in eine Richtung, der Deutschland zustimmen könne.

Doch das sehen nicht alle so. Man wolle keinen Blankoscheck ausstellen, sagen EU-Diplomaten – schon gar nicht im Alleingang, ohne feste Zusagen der USA. Außerdem könne die EU nicht so schnell ein neues Finanzprogramm aus dem Boden stampfen. Ein Start schon im Januar 2023 sei unrealistisch.

Von der Leyen muß daher mit Gegenwind rechnen. Bisher hat sich die CDU-Politikerin offenbar nur mit Berlin abgesprochen, aber noch keinen detaillierten Vorschlag für alle EU-Länder vorgelegt. „Wir arbeiten noch daran“, beteuerte eine Kommissionssprecherin.

Die Vorlage wird am Mittwoch erwartet…

Siehe auch “Sanktionen made in Washington: Wie von der Leyen den USA folgt”

Watchlist

Was bringen die Midterm-Wahlen in den USA – und welche Auswirkungen haben sie auf die EU? US-Präsident Biden droht zwei Jahre nach Amtsantritt der Verlust der Mehrheit im Kongress. Er wäre dann eine “lame duck” und könnte kaum noch etwas durchsetzen. Umfragen zufolge dürfte das Repräsentantenhaus an die Republikaner gehen. Im Senat hingegen wird ein sehr knappes Rennen erwartet. Vom Wahlausgang dürfte auch die Unterstützung für die Ukraine abhängen. – Mehr hier

Was fehlt

Der drohende Handelskrieg mit den USA. EU-Binnenmarktkommisar Thierry Breton sagte, die US-Vorgaben zur Inflationsbekämpfung bedrohten den freien Welthandel. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sprach sich dagegen für den Dialog mit Washington aus: “Wir müssen schauen, dass es nicht zu einem Handelskonflikt kommt, der würde nur Verlierer produzieren,” mahnte er. Die EU und die USA haben eine Arbeitsgruppe einberufen, bisher ohne erkennbaren Erfolg.