Falsche Prämissen, fehlende Strategie: EUropa verliert sich im Drei-Fronten-Krieg
Seit dem 24. Februar herrscht Krieg in Europa. An diesem Tag hat Russland die Ukraine überfallen. Am 26. April, zwei Monate später, hat die USA zu einem Kriegsgipfel in Ramstein geladen. Was hat das eine mit dem anderen zu tun – und wie kommen wir da wieder raus? Versuch einer Einordnung.
Dies ist ein Update meines Blogposts vom 18. März.
Damals hatte ich zwei Fragen aufgeworfen: Mit was für einem Krieg haben wir es überhaupt zu tun – und warum antworten EU und USA mit einem Wirtschaftskrieg? Können Bidens Sanktionen Putins Krieg stoppen? Diese Fragen lassen sich mittlerweile beantworten:
- Die Sanktionen haben den Krieg nicht beendet. Die EU plant deshalb bereits das 6. Sanktionspaket. Kanzler Scholz hat zudem erklärt, dass die Sanktionen erst dann aufgehoben würden, wenn der Krieg beendet ist und die Ukraine wieder Souveränität und territoriale Integrität erreicht hat. Die “zweite Front” – der Wirtschaftskrieg – führt also nicht zu einer Lösung, diese Prämisse war falsch.
- Der Krieg ist nicht mehr auf die Ukraine begrenzt. Spätestens seit dem Treffen in Ramstein hat er eine globale Dimension; die USA haben eine “Koalition der Willigen” mit 40 Ländern gebildet und die Führung übernommen. Insofern kann nun auch von einem Stellvertreterkrieg (“proxy war”) gesprochen werden: Auf dem Boden der Ukraine kämpfen die USA und ihre Alliierten gegen Russland.
- Beide Kriege – der “reale” in der Ukraine und der Wirtschaftskrieg – laufen nicht nach Plan. In der Ukraine ist der russische “Blitzkrieg” kläglich gescheitert. In Russland verfehlt der westliche Sanktionskrieg seine Wirkung. Der Rubel hat sich erholt, die Wirtschaft ist nicht zusammengebrochen, die erwarteten sozialen Unruhen sind ausgeblieben – Kremlchef Putin sitzt immer noch fest im Sattel.
Beunruhigend ist, dass nun auch noch eine dritte Front eröffnet wurde – der Informationskrieg. Dabei geht es nicht nur um Kriegspropaganda. Vielmehr werden die Mediensysteme umgebaut und kriegstauglich gemacht – in Russland wie im Westen.
In Moskau werden Medien unterdrückt wie im Stalinismus. In Brüssel werden “Feindsender” verboten. Und in Washington wird ein “Disinformation Governance Board” aufgebaut – im Innenministerium. Offenbar geht es um den Infokrieg an der Heimatfront.
All diese Entwicklungen deuten auf einen langen Konflikt hin. Die entscheidende Frage ist nun, wer eigentlich über die Kriegsziele entscheidet – und an welcher Front der Krieg entschieden wird. Beides ist nicht mehr so klar, wie es zu Beginn schien.
Kann Putin den Krieg noch beenden?
Zum einen ist fraglich, ob Putin den Krieg noch beenden kann – selbst wenn er wollte. Die Ukraine will sich nicht mit einem Waffenstillstand zufrieden geben, sie will die Besatzer vertreiben. Selbst der 9. Mai dürfte deshalb keinen Frieden bringen.
Zum anderen haben sich die drei Fronten verselbständigt – sie folgen einer je eigenen Eskalationslogik. Die Militärs, die Wirtschaftspolitiker, die Medienleute und ihre Einflüsterer – alle fahren immer schwerere Geschütze auf und wollen nicht aufhören.
Angeheizt wird das Ganze nicht nur von Russland, das mit wirren Atomkriegs-Drohungen schreckt. Auch die USA halten die Kriegsmaschine am Laufen – nach Ramstein mit einem 33-Milliarden-Dollar-Programm und “Lend-Lease” wie im 2. Weltkrieg.
Die EU muss ihre Ziele definieren
Wo soll das alles enden? Diese Frage wird selten gestellt, auch nicht nach der jüngsten Rüstungs-Runde. “We can’t put so much gas in the tank without knowing where we want to go”, warnt der französische Ex-Diplomat G. Araud.
Er fordert, dass sich Amerikaner und Europäer zusammensetzen, um über den Krieg und seine Ziele zu sprechen. Tatsächlich wäre es höchste Zeit, die neue Lage gemeinsam zu analysieren und eine Strategie zu definieren – auch für die Nachkriegsordnung.
Die USA machen aus ihrem Ziel kein Geheimnis. “Wir wollen, dass Russland so weit geschwächt wird, dass es das, was es beim Einmarsch in die Ukraine getan hat, nicht mehr tun kann“, sagte US-Verteidigungsminister Austin in Ramstein.
Demnach geht es gar nicht mehr um die Ukraine, sondern um Russland! Man werde „Himmel und Erde“ in Bewegung setzen, um die Ziele zu erreichen, so Austin.
Doch in der EU hat man noch nicht einmal über Ziele gesprochen. Dass der Krieg an drei Fronten tobt, hat Brüssel zwar erkannt – doch an allen Fronten wirken die Europäer wie Getriebene, die sich von den USA und der Ukraine am Gängelband führen lassen…
Siehe auch “Putin will Krieg beenden” – die USA nicht. Mehr zum Ukraine-Krieg hier
Gerhard
2. Mai 2022 @ 09:36
Braunbehrens hat dazugelernt…anders als seine damaligen Mit-Revoluzzer anno 68 in HD
Holly01
2. Mai 2022 @ 07:00
” Washington will an Russland ein Exempel statuieren und China in die Schranken weisen. ”
Die russisch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen waren von Anfang an der Punkt.
Es geht nicht einmal am Rande um China.
Bis jetzt kann China ganz gemütlich die Beine baumeln lassen.
Die EU ist die Stoßrichtung der USA und da direkt Deutschland.
Ramstein war eine klare Aussage: “Was in Deutschland gemacht wird bestimmen die USA.”
Wenn die hier einen Gipfel veranstalten wollen (ganz klar ohne deutsche Beteiligung) dann machen die das. Punkt
Wir sollten eine große Banane auf das schwarz.rot.gold nähen, für Bananenrepublik.
Burkhart Braunbehrens
1. Mai 2022 @ 10:19
Ja, es erscheint mir auch notwendig, einen großen Zusammenhang in den Blick zu nehmen, um die Möglichkeiten zu er kennen wie wir aus dem beschriebenen Dilemma herauskommen. Europa hat durch eigenes Jahrzehnte langes Schielen auf Vorteile, die mit Duldung von Putins Kurs erzielbar schienen, sich in eine Situation hinein manövriert, wo es wieder auf Gedeih und Verderb mit der imperialen US-Politik verhandelt ist.
Um da raus zu kommen, bedarf es eines radikalen Kurswechsels, den die EU-Machthaber als Vorreiter von Neoliberalismus und Neokolonialismus nicht leisten können. Denn darum ginge es, ein völlig neues und ehrliches Narrativ der EU und ihrer Ziele zu entwickeln, das die Menschen mitnehmen kann und unser Verhältnis zu insbesondere Afrika neu ordnet. Die Klimapolitik und die Armut, die der Neoliberalismus erzeugt, könnten den aktuellen Ansatz bieten, denn sie kann, wenn überhaupt nur weltweit gelingen. Was nützen unsere Milliarden hier, wenn es in Afrika keine Sonnenkollektoren gibt. Wir wollen aus der Unterstützung für einen Erfolg des Befreiungskampfes der Ukraine nicht herauskommen, aber aus dem verheerenden Bündnis mit der imperialen US-Politik. Bisher werden diese Zusammenhänge nur von einigen Fridays vertreten. Und das erfordert einen langen und schwierigen Überzeugungsweg.
Man sollte, wenn es um Ziele für Europa geht, da wenigsten in den freien Medien beginnen.
ebo
1. Mai 2022 @ 11:42
Wenn wir über Imperialismus sprechen, dann wäre zunächst zu analysieren, welche imperialen Ansprüche Putin überhaupt stellt. Geht es “nur noch” um den Donbass und die Krim (Kosovo- bzw. Nordzypern-Szenario), oder auch um Moldau und Georgien, vielleicht sogar um St. Petersburg? Was wird aus Syrien, nachdem die Türkei den Überflug für die russische Luftwaffe verbietet? Derzeit sieht es nicht nach einem größeren Imperium aus, eher nach dem Zusammenbruch.
Gleichzeitig muß aber der imperiale Konflikt zwischen den USA und China ins Auge gefasst werden. Ohne den Streit um Taiwan ist m.E. die knallharte Reaktion der USA auf den UKraine-Krieg nicht zu erklären. Washington will an Russland ein Exempel statuieren und China in die Schranken weisen. Doch auch rund um Taiwan häufen sich die Spannungen, nicht zuletzt durch amerikanische Vorstöße. Zudem deutet sich ein Konflikt auf den Solomon-Inseln an…
All dies sieht man natürlich auch in Brüssel, ist jedoch unfähig, eine eigene Strategie zu formulieren. Kein Wunder, wenn man nicht einmal einen Plan für die Ukraine und eine neue Europäische Sicherheitsordnung hat und sich von den USA und der Nato jeden Schritt vorgeben lässt. Bri der Nato steht jetzt schon die “Ausweitung der Kampfzone” auf China und den Indopazifik auf dem Programm. Selbst Frankreich ist dabei nur noch Juniorpartner…
Holly01
1. Mai 2022 @ 22:46
@ Burkhart Braunbehrens:
Der Punkt ist allerdings das wir Ressourcenkriege führen.
Russland und die Ukraine sind bei Lebensmitteln (Getreide) und sehr vielen Rohstoffen von Interesse.
Diese ganze Klima Geschichte ist etwas zwiespältig.
Wenn die USA und Russland nicht die Arktis aufheizen würden und die USA und Australien nicht die Antarktis aufheizen würden und wenn nicht dieser bescheuerten Rechenleistungen für dummes Blockchain und Kryptoschrottwährungen verballert würden, gäbe es die Problematik zwar noch, aber sie wäre beherrschbar.
Nicht beherrschbar ist der Verlust von verfügbaren Rohstoffen.
Man kann den Leuten nur eben die Veränderungen bei Wetter, Regenmengen und Hitzeereignissen besser vermitteln als den Mangel wegen Raubbau und Gier.
Als wir vor 3 oder 4 Jahren diese extreme Hitzewelle mit tausenden Toten hatten, hat keine MM darüber berichtet, das das an an Plasmafeldern in den hohen Luftschichten lag, die den Jetstream quasi zum Erliegen gebracht haben.
Als nach deepwater horizon die Amis tausende Kubikmeter von Emulgator mit Rohöl und Meerwasser zur Emulsion gemacht haben und das Kühlsystem der Erden über die Meeresströmungen verlangsamt wurde haben die MM darüber auch nix geschrieben.
Da nehme ich dann mal an das das den Interessen von zumindest Teilen der US Elite entsprochen hat.
Die durchschnittliche Temperatur der Erde liegt bei etwas über 15° Celsius.
Wenn sich da was tut, werde ich auch nervös.
Bis dahin sehe ich nur menschengemachten Wahnsinn der als geoengineering daherkommt.
Oder denken Sie die ganzen Leerflüge mit Milliarden Kosten die uns jeden frühen Morgen diese schicken Rautenmuster an den Himmel zaubern entstehen aus Langeweile?
Ne den Klimawandel sehe ich mit völlig anderen Augen als Sie.
Da ändern 3° weniger Raumtemperatur im Winter in Wohnräumen nichts dran.
Das ist alles Schwachsinn.
Holly01
30. April 2022 @ 17:04
Ich danke für diesen Beitrag.
Bei mir steht die Situation etwas auf einer etwas breiteren Basis. Ich denke man darf Covid-19 und den Ukrainekrieg nicht isoliert sehen.
Mit BSE (das war für Menschen nur marginal gefährlich, aber eine Riesen Aktion), EHEC (nach meiner Meinung eine Geheimdienst OP um die deutsche Politik zu disziplinieren), der Schweine- und Vogelgrippe haben wir ja bereits Erfahrungen gemacht.
Das Gesundheitssystem das als Resultat die Menge an Operationen nicht über Krankheit und Bedarf steuert, sondern über Vergütung muss man nicht gesondert betrachten. Wer Krankheiten verwaltet und chronisch Kranke gezielt produziert sollte Krankheitssystem heißen.
Ob wir 50% der Insekten oder 80% der Insekten “verloren” also vernichtet haben ist egal. Ohne diese Basis werden ganze Kaskaden von Ökosystemen zerstört.
Das Dollarsystem und seine Unmöglichkeit Renditen zu erwirtschaften, was bedeutet seine Unmöglichkeit Investitionen vorzunehmen streife ich hier nur.
Die Zerstörung der Meere mit Korallenbleichen selbst in den besten aller Jahreszeiten erwähne ich auch nur am Rande.
Ich denke es geht um das was wir mit dem Pariser Klimaabkommen zusammen fassen.
Die Lasten der CO² Reduktion hat Europa zu tragen.
Die Storyline ist eher egal.
Die Folgen werden herbeigeführt.
Ein gesellschaftlicher Widerstand wird erstickt.
Mit Angst, mit radikalisierter FFF Jugend und der heiligen Greta, der linken die viel möchte aber nichts kann und dem Neoneoliberalismus wird viel blockiert.
Die Waffe der Wahl ist aber die Totalüberwachung gepaart mit der Deutungshoheit der allgegenwärtigen MM.
Die Werbung ermöglicht die Propaganda über alle Kanäle.
Bleibt die Landwirtschaft, die monetarisiert und chemisch an “Anbieter” gebunden nicht versorgt, nein sie lenkt Gesundheit.
Jedes Jahr sterben wie viele Menschen an den Folgen dieser Bereiche (falsche und ungesunde Ernährung mit fehlender gesundheitlicher Versorgung und den ganzen chemischen Zusatzstoffen die Krebs und Allergien erzeugen)?
Tja, da ist Covid-19 nur ein Hintergrundrauschen.
Der Ukrainekrieg ist nur der Brandbeschleuniger.
Die EU Politik hat die Verpflichtungen zur CO² Reduktion nicht eingehalten.
Nun, das wird sich ändern.
Ich weiß nicht ob Scholz auch Stühle bei öffentlichen Auftritten brauchen wird weil er zittert oder sein Flieger der Flugbereitschaft umdrehen müssen, weil “da etwas nicht stimmt”. Aber auch der wird das tun, was ihm angewiesen wird.
Ich bin mit aber vollständig sicher, das es in ganz Europa nicht einen Politiker gibt der da mitzuentscheiden hat.
Das die USA die Gelegenheit nutzen, die “Zukunft” Europas nach ihrem Willen zu gestalten, nun das kann man kaum kritisieren.
Ist der US Plan der läuft.
Keiner wird sich dem entgegenstellen. Nicht in Europa.
China schaut sich das an.
Im Moment sinkt die US Macht global, weil die Verbündeten im Nichts versinken.
Die USA konnten in Paris keine Lösung für das China Problem finden, sie haben Europa verkauft.
Die USA könne jetzt keine Lösung für das China Problem finden.
Vielleicht geht der 4. (der 3. war der kalte Krieg) Weltkrieg an uns vorbei. Einfach weil es Europa oder Deutschland einfach nicht mehr wert sich eine Atombombe abzuwerfen.
european
30. April 2022 @ 10:08
Ein dementer US Präsident übernimmt die Führung auf dem Weg in den dritten Weltkrieg und unsere Granden haben dem nichts entgegenzusetzen.
Man sollte sie alle entlassen. Sofort. EU Kommission absetzen, Parlament auflösen.
Stef
30. April 2022 @ 07:47
Es ist ja nicht so, dass die EU keine Ziele definieren könnte. Nur sind die Willensbildungsmechanismen in der EU und den wichtigen EU Staaten blockiert durch transatlantisches Personal in Regierungsverantwortung, welches in jeder Willensbildung eine Bedrohung für das Primat der USA sieht. Das ist eine regelrechte Blockade der demokratischen Organe. Bestes Beispiel ist von der Leyen selbst, deren Handlungen eine europäische Willensbildung geradezu vorsätzlich vereiteln.
aa.wirth
30. April 2022 @ 03:00
Die beste Kurzanalyse im deutschsprachigen Medienraum zur Zeit. Nur eine eine kleine Einschränkung, ich glaube der Propaganda Krieg der westlichen Medien (russische kann ich mangels Sprachkenntnis nicht beurteilen), tobt schon seit einigen Wochen auf Hochtouren.
ebo
30. April 2022 @ 12:23
Danke, hat mich einige Zeit gekostet 🙂
Und richtig, die Propaganda läuft auch im Westen schon auf Hochtouren. Doch mit dem RT-Verbot und dem DSA geht die EU neue, bedenkliche Wege. In den USA wird es jetzt richtig ernst. Dort laufen die Republikaner schon Sturm gegen die neue Agitprop-Abteilung, Biden wird offen der Manipulation bezichtigt…