Ist Frankreich noch eine Demokratie?

Die Rentenreform kommt, doch der Widerstand geht weiter. Die Mehrheit der Franzosen will sich nicht mit der Heraufsetzung des Rentenalters abfinden, Präsident Macron wird immer offener angefeindet. Ist Frankreich noch eine Demokratie?

Diese Frage wird in Paris offen diskutiert, nachdem Macron die Rentenreform am Parlament vorbei durchgeboxt hat. Viele Franzosen hatten auf den Verfassungsrat gehofft – doch auch der hat die Reform durchgewinkt.

Nun sehen viele Franzosen nur noch den Weg des Widerstands. Bei einem Besuch im Elsaß wurde der Sonnenkönig von einer aufgebrachten Menge ausgebuht, bei der Besichtigung einer Fabrik haben Gewerkschafter den Strom abgestellt.

Frankreich durchlaufe die schlimmste Krise seit dem Ende des Algerien-Konfliks, sagt der renommierte Historiker und Demokratie-Forscher Pierre Rosanvallon. Macron habe das Gespür für den “Geist der Demokratie” verloren.

Das Land erlebe eine Wiederholung der Gelbwesten-Bewegung, nur viel schlimmer, so Rosanvallon. Unter den Franzosen gebe es dasselbe Gefühl wie damals, nicht gehört zu werden. Dies heize die Wut an und gefährde die Demokratie.

In Brüssel ist diese ernste Diagnose allerdings noch nicht angekommen. Die EU-Kommission schweigt. Sie fühlt sich zwar neuerdings als Wächterin über Demokratie und Rechtsstaat in der EU, gegen Ungarn ist sie schon vorgegangen.

Doch Behördenchefin von der Leyen war von Macron persönlich in ihr Amt eingesetzt worden – da wird sie nicht so schnell meckern. Im übrigen hat die Brüsseler Behörde die umstrittene Rentenreform seit Jahren gefordert.

Von Demokratie war in diesem Zusammenhang (dem sogenannten “Europäischen Semester”) keine Rede, umso mehr von Finanz(markt)stabilität…

Mehr zu Macron hier, zur (Post-)Demokratie hier

P. S. Seine umstrittene Reform begründet Macron u.a. mit dem französischen Schuldenberg und den steigenden Zinsen. Beides könnte die Ratingagenturen zu einer negativen Bewertung bewegen, was die Schuldenlast noch erhöhen würde…