Handelsstreit mit den USA, Ringen mit Ungarn – und Korruption aus Katar?
Was bleibt von der Europapolitik der vergangenen Woche? Der Handelsstreit mit den USA schwelt weiter. Das Ringen mit Ungarn wird härter. Und es gibt den Verdacht auf Korruption im Europaparlament – durch Katar.
Wir bieten Russland die Stirn und kürzen Kremlchef Putin seine Kriegskasse – dies wollte die EU in dieser Woche beweisen. Doch das Ölembargo, da am Montag in Kraft trat, zeigte ebenso wenig Wirkung wie der neue Ölpreisdeckel, den Brüssel in totaler Selbstüberschätzung weltweit durchsetzen will.
Der Ölmarkt zeigte sich unbeeindruckt, die Trader hatten andere Sorgen – etwa die Wirtschaftskrise in China und ein Unglück in den USA. Auch an Putin sind die neuen Maßnahmen abgeprallt. Er mag sich zwar Sorgen um sein Ölgeschäft machen – doch eine Reaktion aus Moskau steht noch aus.
Keinen Erfolg hatte die EU auch in Washington, wo der transatlantische Trade and Technology Council (TTC) tagte. Die USA ließen die Klagen der EUropäer einfach an sich abprallen. Dass sie ihre Wirtschaft mit Milliarden-Subventionen unterstützen, sei nicht bös gemeint, hieß es lapidar in Washington.
Doch statt die USA nun vor ein Schiedsgericht der Welthandelsorganisation WTO zu zerren, wie dies das Europaparlament fordert, setzt die EU-Kommission auf Dialog. Eine WTO-Klage reichte sie dagegen gegen China ein – ganz so, wie es sich unsere amerikanischen Freunde wünschen 🙂
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Was war noch? Das Ringen mit Ungarn um Demokratie und Rechtstaat, aber auch um Ukraine-Hilfen und eine globale Mindeststeuer für Unternehmen geht weiter. Die Finanzminister konnten sich nicht dazu durchringen, Regierungchef Viktor Orban die EU-Gelder zu kürzen, sondern gaben den Schwarzen Peter an die EU-Kommission zurück.
Die Behörde bekräftigte ihre Kritik an der Korruption im Orban-Reich, ein am Freitag hektisch zusammengezimmertes zweites Gutachten zeigte keine signifikanten Fortschritte. Ergebnis: Der Streit dürfte nun den EU-Gipfel in der kommenden Woche überschatten, der Haussegen in Brüssel hängt wieder einmal schief.
Für zusätzlichen Ärger sorgt eine mutmaßliche Korruptionsaffäre im Europaparlament. Die griechische Vizepräsidentin des Parlaments, Eva Kaili, und vier weitere Verdächtige wurden auf Drängen der belgischen Justiz festgenommen – was äußerst ungewöhnlich ist (normalerweise genießen sie Immunität).
Hintergrund sind Ermittlungen zu mutmaßlicher Bestechung und Bestechlichkeit, Geldwäsche und versuchter Einflussnahme auf politische Entscheidungen durch das Emirat Katar, den Gastgeber der laufenden Fußball-WM. Bemerkenswert, dass diese Ermittlungen kurz vor dem Ende der Fußball-WM zum Eklat führen!
Dass es ausgerechnet Katar trifft, ist dagegen nicht sehr verwunderlich. Es hat nämlich schon halb EUropa eingekauft…
P.S. Die EU hat die 18 Mrd. Euro für die Ukraine doch noch freigegeben – mit 26 zu 27 Stimmen, gegen das Veto Ungarns. Ob das rechtmäßig ist, bleibt abzuwarten. Die Finanzierung soll nun über nationale Garantien laufen, nicht über das EU-Budget…
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Kleopatra
11. Dezember 2022 @ 15:20
@ebo: in vielen Medien wird ein insgesamt (allerdings bei mehreren Personen, darunter Kaili) beschlagnahmter Betrag von 600000 EUR genannt. La libre Belgique erwähnt hingegen in Bezug auf Kaili nur „sacs de billets“ und nennt einen italienischen Beschuldigten, in dessen Wohnung (in Italien) 600000 EUR gefunden worden seien. Vermutlich sind bei Übermittlungen an weitere Medien die Differenzierungen weggefallen, aber säckeweise Bargeld ist schon etwas.
KK
11. Dezember 2022 @ 13:46
Also die Ausnahme von der „Abgeordnetenimmunität“ beim Ertappen „auf frischer Tat“ (bei Europapalamentariern) habe ich so auch in einer Nachrichtensendung des ÖRR gehört – ob das jetzt tagesschau, heute oder was auf phoenix war, ist mir aber schon wieder entfallen.
Inwieweit Meloni da von der Geschäftsordnung Eil-Kompetenzen hinsichtlich ihrer Stellvertreter eingeräumt werden, ist mir nicht bekannt; Fakt ist laut dem oben genannten Bericht des ÖRR aber wohl, dass das EU-Parlament die Suspendierung noch bestätigen muss, was auch logisch erscheint.
Kleopatra
11. Dezember 2022 @ 10:19
Kaili wurde offenbar unmittelbar bei oder nach einer Bargeldübergabe festgenommen (die Rede ist von sechsstelligen Euro-Beträgen in Scheinen, was an sich schon auf illegale Geschäfte hindeutet), und die Festnahme auf frischer Tat ist eine denkbare und übliche Ausnahme von der parlamentarischen Immunität (so zum Beispiel im deutschen Grundgesetz – Art. 46 Absatz 2: „bei Begehung der Tat oder im Laufe des folgenden Tages“ -, das hier freilich nicht anwendbar ist, aber wohl ähnlich in vielen anderen Rechtsordnungen). Bemerkenswerter finde ich, dass die Präsidentin des Parlaments anscheinend ihre Stellvertreter als Notmaßnahme suspendieren kann, das war mir nicht bekannt.
ebo
11. Dezember 2022 @ 10:44
Was ist Ihre Quelle? Ich recherchiere gerade und kann das so nicht bestätigen.
KK
10. Dezember 2022 @ 17:00
Katar ist ja nicht der einzige autoritäre und wohlhabende Staat, der sich das Wohlwollen europäischer Politiker regelrecht kauft – dass Aserbaidschan da ja schon länger im Geschäft ist, ist ein offenes Geheimnis. Nur, dass da eher konservative Parteigänger u.a. der Union/EVP als Begünstigte erscheinen – und bei denen keine Justizbehörde ein Ermittlungserfordernis zu sehen scheint.
Vielleicht darf Aserbaidschan ja deshalb über den Nachbarn Armenien herfallen – und wird trotzdem von der EUCO-Präsidentin hofiert?