Falsches Framing

Die Europawahl sollte einen großen Sprung nach vorn für die Demokratie bringen – und entpuppte sich als großer Schwindel. Wie konnte es dazu kommen? – Teil 3 der Sommer-Serie: Falsches Framing.

Teil 2 der Serie steht hier

Wer mit leeren Händen in eine Wahl geht, muß sich etwas ausdenken. Und so waren Heerscharen von Experten, Thinktanks und PR-Strategen damit beschäftigt, der EU eine neue „große Erzählung“ anzudichten. Doch das Ergebnis war enttäuschend. Außer dem „Europa, das schützt“, das sowohl Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron als auch Kommissionschef Jean-Claude Juncker verwenden, fiel den Pro-Europäern nicht viel ein.

Umso eifriger waren die Medien. Sie schufen ein ganz eigenes „Framing“ (einen kommunikativen „Rahmen“) für die Europawahl 2019. Angesichts „innerer und äußerer Bedrohungen“ wurde die EU-weite Abstimmung, bei der es ganz banal um die Wahl eines neuen Europaparlaments ging, zur „Schicksalswahl“ (v)erklärt.

Mit den inneren Bedrohungen waren „Nationalisten und Populisten“ vom Schlage Le Pens und Salvinis gemeint, mit den äußeren Putin, Erdogan und Trump. Als Begleitmelodie wurde noch die Angst vor ausländischer (sprich: russischer) Einmischung und „Desinformation“ geschürt.

In gewisser Weise war dieses Framing, das von der EU-Kommission bereitwillig genährt wurde, erfolgreich. Die Öffentlichkeit diskutierte kaum mehr über die Frage, wie es mit der EU weitergehen soll. Im Mittelpunkt stand die Angst vor dem Untergang und ein trotziges „Jetzt erst recht“.

Dies trug zur Mobilisierung der Wähler bei – die Wahlbeteiligung lag 2019 so hoch wie seit 20 Jahren nicht mehr. Es dürfte (zusammen mit dem „perfekt“ getimten Ibiza-Skandal in Österreich) auch geholfen haben, die Wahlerfolge der Rechten und Rechtsradikalen in Grenzen zu halten.

Gleichzeitig hat das angsteinflößende Framing aber all jene behindert, die einen echten Neustart der EU wollten. Im Vordergrund stand, die EU zu „retten“ – Kritik am aktuellen Kurs war unerwünscht, vor allem in Deutschland.

Dabei hätte gerade im größten EU-Land eine (selbst)kritische Debatte Not getan. Warum steht Berlin bei allen großen Reformen auf der Bremse, warum wurde der Neustart der EU verhindert?

Diese Fragen wurden kaum gestellt. Stattdessen tat die Bundesregierung so, als seinen deutsche und europäische Interessen deckungsgleich. Das falsche Framing machte es fast unmöglich, das zu hinterfragen.

Als falsch hat sich auch das Narrativ der russischen Einmischung und der gezielten Desinformation erwiesen. Die EU-Kommission konnte keine einzige große Desinformations-Kampagne aus Moskau nachweisen.

Die Wähler wurden falsch informiert

Dabei wurden die Wähler durchaus falsch informiert. Allerdings nicht aus Moskau, sondern aus Brüssel und Straßburg. Das Europaparlament und die Spitzenkandidaten versprachen ihnen, sie könnten den nächsten Präsidenten der EU-Kommission wählen.

Doch das war ein großer Schwindel, wie wir im nächsten Teil dieser Serie sehen werden. Und keiner der pro-europäischen Spindoktoren hat versucht, ihn aufzudecken…

FAZIT: Die Europawahl 2019 wurde mit einem irreführenden „Framing“ zur „Schicksalswahl“ erklärt. Dies hat eine rationale demokratische Debatte über den künftigen Kurs der EU (und mögliche Alternativen) erschwert.

Siehe auch „Dies ist keine Schicksalswahl“ und „Der Kampf um die Desinformation“. Teil 4 der Serie steht hier