Ethnische Säuberung? Baerbock warnt Putin und tut: nichts
In Bergkarabach verdichten sich Hinweise auf eine ethnische “Säuberung”. Außenministerin Baerbock sieht aber nicht Aserbaidschan, die Türkei oder die EU in der Pflicht – sondern Russland.
Die Bundesregierung sieht die russischen Truppen in Bergkarabach “in der Pflicht für den Schutz der armenischen Zivilbevölkerung zu sorgen”. Dafür seien sie ja da, sagt das Auswärtige Amt – meldet T. Jung, der in Berlin nachgefragt hat.
Das ist eine merkwürdige Sicht der Dinge. Denn erstens geht es nicht um Schutz, sondern um Vertreibung bzw. ethnische Säuberung – so stellt es jedenfalls Armenien dar. Und zweitens sollte Baerbock doch zuerst mal die Täter in die Pflicht nehmen.
Dies sind der aserbaidschanische Präsident Alijew und sein engster Verbündeter, der türkische Sultan Erdogan. Er wollte am Montag nach Nachitschewan reisen, um dort mit Aliyew die Situation in Bergkarabach zu erörtern.
Baerbock müsste ihren Appell also zuerst an Alijew und Erdogan richten – und nicht an Kremlchef Putin. Sie wäre auch gut beraten, die EU einzuschalten, die immerhin Beobachter in der Region hat und seit Monaten zu schlichten versucht.
Doch Berlin und Brüssel geben den Schwarzen Peter lieber an Moskau weiter – und tun: nichts. Damit machen sie sich mitschuldig, wenn es tatsächlich zu einer großangelegten ethnischen “Säuberung” kommt…
Siehe auch “Ruf nach Sanktionen gegen Aserbaidschan” sowie unseren Update hier
P.S. Erdogan hat den militärischen “Erfolg” Aserbaidschans in Bergkarabach gelobt. Dies erfülle ihn mit “Stolz”, sagte er laut dem “Gurdian“
Stepanakert now. There is an almost 100km line of cars from Nagorno-Karabakh to Armenia as the entire population flees. 120,000 people are leaving their homes. pic.twitter.com/p6rNDz37tl
— Neil Hauer (@NeilPHauer) September 25, 2023
Helmut Höft
27. September 2023 @ 10:03
Annalena aus Borbeck warnt und tut nix! *kopfkratz* Ja was soll denn Annalena tun? Am Besten: Nix!!
Meine persönliche Meinung: So lange sich Länder in andere Länder, Gesellschaften in andere Gesellschaften, Familien in andere Familien, Nachbarschaft in andere Nachbarschaft einmischen regiert das “Recht” des jeweils Stärkeren, dessen, der mit dem Knüppel dazwischen hauen kann (und will!), regiert Mord und Totschlag. Die Devise kann nur sein: Raushalten!!
Okay, wenn man sich raushält regiert auch Mord und Totschlag … aber wenn in der Nachbarschaft die Teller fliegen kann ich wenigstens die Polizei rufen.
Moment mal, dess isses: Tipp für Annalena: Ruf’ doch die Polizei!
Arthur Dent
26. September 2023 @ 09:17
Wofür sind nochmal die UNO, der Weltsicherheitsrat, die Blauhelme zuständig? Deutschland ist einer der größten Geldgeber der Vereinten Nationen – wozu eigentlich?
Sowohl Armenien als auch Aserbaidschan sind meines Wissens Mitglieder der Vereinten Nationen
Gregor
26. September 2023 @ 12:26
Unsere Medien verschwiegen weitgehend, dass die Regierung Armeniens – unter Ministerpräsidnet Nikol Paschinjan – das Militärbündnis gewchselt hat. Paschinjan setzte sich in einer „samtenen Revolution“ (2018) und einer umstrittenen Wahl mit kaum glaubhaften Ergebnissen (2021) in Armenien gegen den Ostflügel (von Karabach bestimmt) durch.
In der letzten Woche fand, gleichzeitig mit der Kapitulation und Flucht in Berg-Karabach, ein gemeinsames Manöver der US-Armee in Armenien mit der armenischen Armee statt. Die Medien berichteten – zum Beispiel hier mit dem prowestlichen Verteidigungsminister Armeniens – Bericht vom 19.9. „Aserbaidschanischer Großangriff, während US-Soldaten in Armenien üben?“
https://esut.de/2023/09/meldungen/44577/aserbaidschanischer-grossangriff-waehrend-us-soldaten-in-armenien-ueben/
„Das aserbaidschanische Verteidigungsministerium ließ am Nachmittag (19. September) verlauten, dass auf der Straße Richtung Armenien humanitäre Korridore und Auffangstationen eingerichtet wurden, um eine Evakuierung zu gewährleisten. Fraglich ist, ob die Armenier in Bergkarabach bereit sind, ihre Heimat zu verlassen.“ (ZDF 19.09.2023)
ebo
26. September 2023 @ 12:31
Mich würde auch mal interessieren, was es mit diesem US-Manöver auf sich hat. Haben die Amerikaner einfach zugeschaut, was in Bergkarabach passiert? Oder sollte das Manöver irgendwie abschrecken? Die einzig erkennbare wirkung ist, dass Russland sich von Armenien abwendet bzw. sogar mit einem Bruch droht (so die westliche Lesart). Vielleicht ist das ja auch der erwünschte Effekt?
KK
26. September 2023 @ 12:57
@ ebo:
“Mich würde auch mal interessieren, was es mit diesem US-Manöver auf sich hat.”
Vielleicht diente es und die Präsenz der US-Streitkräfte auch nur dazu, die armenische Armee am Eingreifen – und damit auch einem Putsch – zu hindern, damit Alijev in Ruhe Fakten schaffen konnte und sich den ewigen Zankapfel Berg-Karabach einverleiben konnte. Zwecks Beruhigung der Region, die ja vielleicht im Interesse auch der neuen armenischen Regierung ist.
Gregor
26. September 2023 @ 14:22
@ ebo: Ihre Fragen sind mit ‘ja’ zu beantworten.
Das Manöver USA-Armenien hat vor allem symbolische Bedeutung: “Unter den US-Soldaten [insgesamt 85] seien auch Mitglieder der Nationalgarde des Bundesstaates Kansas, die seit 20 Jahren eine Ausbildungspartnerschaft mit Armenien unterhalte. Sie seien lediglich mit Gewehren bewaffnet und würden keine schweren Waffen einsetzen. Trotz des geringen Umfangs der Übung äußerte sich Russland besorgt.” (Reuters 6.9.2023)
Das Verhältnis zwischen Armenien und Russland ist schon seit einiger Zeit von Verstimmungen geprägt. Die genaue Antwort Ihrer Fragen könnte in Brüssel zu finden sein:
“Am Ende [2022] gab Paschinjan mit der Anerkennung der aserbaidschanischen Oberherrschaft über Karabach den russischen Plan zur Lösung des Konflikts auf.”
“In Belgien fand auch das letzte persönliche Treffen zwischen Paschinjan und seinem Kontrahenten Ilham Aliyev aus Aserbaidschan statt.”
(Ruslan Suleimanov, Türkei-Korrespondent, russischsprachig, am 17.9.23 in Telepolis)
“Der armenische Ministerpräsident Nikol Paschinjan hatte am Wochenende in einem Interview mit der italienischen Zeitung “La Repubblica” die Sicherheitspartnerschaft mit Russland als strategischen Fehler bezeichnet.” (Reuters 6.9.2023)
“Die Militärübungen mit den USA werden als Anzeichen dafür gesehen, dass die Regierung in Eriwan zunehmend auf Distanz zu Russland geht, das Armenien im jahrzehntelangen Konflikt mit dem Nachbarstaat Aserbaidschan unterstützt hatte. Der Kreml hatte die Militärübungen “Besorgnis erregend” genannt und erklärt, er werde diese “genau im Blick behalten”. In der vergangenen Woche wurde der armenische Botschafter in Moskau einbestellt, um ihm das Missfallen über “unfreundliche Schritte” seines Landes mitzuteilen. … Der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller, wies den Protest des Kremls zurück.” (AFP 11.9.23)
Quellen:
https://de.nachrichten.yahoo.com/sport/gemeinsames-milit%C3%A4rman%C3%B6ver-armeniens-usa-begonnen-193421083.html
https://www.msn.com/de-de/nachrichten/politik/gemeinsames-man%C3%B6ver-von-armenien-und-den-usa-ver%C3%A4rgert-russland/ar-AA1gjZp9#image=1
https://www.telepolis.de/features/Armenien-wendet-sich-von-Russland-ab-9307607.html
ebo
26. September 2023 @ 14:29
Danke für die gut dokumentierte Antwort!
Helmut Höft
27. September 2023 @ 17:22
Die von Gregor zitierten Quellen und alles was hier zur causa Armenien/Bergkarabach/Aserbaidschan gesagt wird, legt auch dar – jenseits des „Ukraine-Dings“ (natürlich ist Russland dort „beschäftigt“) – wie ernsthaft Putin um die Wiederauferstehung der UdSSR, des „soffjetischen Imperiums“ bemüht ist. „Seht doch zu, wie ihr mit euren neuen Freunden aus dem Wertewesten® klar kommt“! (fehlt noch „Ätsch“)
WBD
25. September 2023 @ 18:02
Ich finde es interessant, daß in unseren Haupt-medien die Rolle Russlands teils neutral. teils aber auch hämisch kommentiert wird. Hämisch im Sinne von ‘weil sie mit der Ukraine beschäftigt sind, können sie andere Verbündete nicht schützen’.
Was aber garnicht geschieht, ist, daß man auf die Parallelen achtet: der plötzliche und ungeordnete Zerfall der Sowjetunion hat eben in vielen Fällen eher belanglose Provinz- und Bezirks- Grenzen zu internationalen Staatsgrenzen gemacht, und wenn man dann nicht im Land seiner Ethnie wohnt, ist man plötzlich eine unerwünschte und/oder unterdrückte Minderheit. Die Russen in der Ukraine und die Armenier in Aserbaidschan sind da nämlich in einer spiegelbildlichen Situation. Das möchte wohl die internationale Politik nicht allzu gerne so sehen, scheint mir…
KK
25. September 2023 @ 15:00
Wohl ganz in der Tradition von Heiner Geissler, der seinerzeit dem Pazifismus die Verantwortung für Ausschwitz in die Schuhe schieben wollte… so kommt mir Baerbocks neuerliche Ungeheuerlichkeit jedenfalls vor.