Eiszeit zwischen Rom, Berlin und Brüssel
Es sollte um die Zusammenarbeit mit der neuen, EU-feindlichen Regierung in Italien gehen. Doch dann wurde das Pressegespräch der europäischen Grünen zur Abrechnung mit EU-Kommissar Oettinger und den deutschen Medien.
Italien sei schockiert von den „extremen Reaktionen“ in Deutschland, sagte M. Frassoni, die italienische Ko-Vorsitzende der Europa-Grünen. Vor allem der „Spiegel“-Titel mit dem zum Strick geknoteten Spaghetti sorge für große Empörung.
Aber auch die Bemerkungen des deutschen EU-Kommissars Oettinger schlagen weiter hohe Wellen. Der CDU-Politiker habe „extreme technokratische Arroganz“ an den Tag gelegt und der gesamten EU-Kommission geschadet, so R. Bütikofer.
Oettinger hatte gesagt, die heftigen Marktreaktionen könnten helfen, die Italiener umzustimmen – sodass sie bei einer Neuwahl nicht mehr für „linke und rechte Populisten“ stimmen. Stattdessen wenden Salvini & Co. Oettingers Worte nun gegen die EU.
Deutschen in Rom schlage offene Feindseligkeit entgegen, berichtete eine Journalistin. Oettingers Worte und die negativen deutschen Medien-Berichte würden als Angriff gewertet. „Es gibt ein Gefühl der Fremdbestimmung“, warnt Frassoni.
Keine gute Voraussetzung, um ins Gespräch zu kommen. Es klingt eher nach einer politischen Eiszeit zwischen Rom, Berlin und Brüssel. Immerhin sei Kanzlerin Merkel so klug gewesen, Italien keine Lektionen zu erteilen, so Bütikofer.
Nun müsse man versuchen, „mit Respekt und Pragmatismus“ auf die neue Regierung zuzugehen. Dabei gehe es nicht um „Hilfe“, sondern um „positive Kooperation“. In der Umweltpolitik könne man mit der Fünf-Sterne-Bewegung ganz gut reden.
Doch ob das reichen wird, um das zerbrochene Porzellan zu kitten? Ausgerechnet in der Flüchtlingspolitik, die den italienischen Populisten besonders Auftrieb gibt, zeichnet sich keine Lösung ab, im Gegenteil: die EU blockiert sich selbst.
Brüssel kann nicht liefern, Berlin ist nicht „sprechfähig“, und Rom grollt Deutschen und EUropäern – dabei hat die EU doch erst vor einem Jahr die Römischen Verträge gefeiert und eine „Renaissance“ beschworen – ausgerechnet in Rom…
Siehe auch „Die Flüchtlingskrise wird gelöst“ nur in welchem Jahr?“ und „Warum Oettinger & Co. falsch liegen“
hintermbusch
6. Juni 2018 @ 23:00
Die arroganten Cover des Spiegels und z.B. auch des Handelsblatts sind offensichtlich nicht gut für Deutschlands Interessen in Europa. Wenige in Italien dürften beispielsweise mitbekommen, wie viel Kritik der dumme Kommentar von Fleischhauer im Spiegel auch hierzulande auf sich gezogen hat. Das Cover versteht jeder Italiener dagegen auf Anhieb.
Kann es sein, dass deutsche Medien aus Dummheit oder böser Absicht das eigene Land isolieren und in eine Lage ohne Optionen bringen? So wie zum Beispiel der Spiegel in den letzten Jahren auch innenpolitisch Öl in die Konflikte gegegossen und dabei offen gegen große Teile der deutschen Bevölkerung, zum Beispiel Ostdeutsche, gehetzt hat, würde ich da gar nichts mehr ausschließen.
Wie sehr sich die deutsche Politik in alle Richtungen isoliert hat und dabei auch ihre offizielle, angeblich pro-europäische Agenda ad absurdum führt, registrieren beispielsweise auch kritische französische Beobachter ganz genau:
https://twitter.com/OBerruyer/status/1003543080002359296
Die Absurdität ist ja auch mit Händen zu greifen, wenn ein Land glaubt, super proeuropäisch zu sein, seine veröffentlichte Meinung aber permanent damit beschäftigt ist, aus unterschiedlichen Gründen auf alle Nachbarn von Dänemark über Polen, Tschechien, Slowakei, Österreich, Ungarn, Slowenien und jetzt eben auch Italien einzudreschen.
Das deutet alles auf eine ganz große Bredouille hin. Es ist allerhöchste Zeit aufzuwachen, und die äußerst aggressive Medienhetze gegen alle möglichen Opfer endlich als das zu erkennen, was sie ist: eine existenzielle Gefahr für den ganzen Kontinent und vor allem für uns selbst.
Solveig Weise
6. Juni 2018 @ 16:33
Immer wieder lustig zu sehen wie schnell diese Damen und Herren „beleidigt“, „entsetzt“ oder „schockiert“ sind. Da rate ich eindeutig zu mehr „Coolness“. So hatten z.B. die Fünf Sterne und die Protagonisten der, in großen Teilen rassistischen, Lega auf Paolo Savona als Wirtschaftsminister bestanden, der öffentlich die Meinung vertreten hat Deutschland habe seine Ziele aus der Nazizeit nie aufgegeben, man wende jetzt lediglich wirtschaftliche statt militärische Macht an.
Man fragt sich wirklich ob Frassoni, Bütikofer und Co. nicht andere Möglichkeiten sehen mal wieder „in die Presse“ zu kommen. So hat man den Eindruck da stehen Sandkastenspieler die dringend nach einem Förmchen suchen.
Es ist allerdings zu erwarten, dass die Taktik „Deutschland und Brüssel machen uns unsere schöne Agenda kaputt“ von der „Regierung des Wandels“ in Rom munter weiter gespielt wird, ist auch leichter als selbst zu liefern. Flankiert wird das ganze dann noch mit Stimmungsmache gegen Migranten ala Salvini. (Hat Bütikofer sich eigentlich auch dazu mal geäußert?)
ebo
6. Juni 2018 @ 18:08
Es geht doch hier nicht um die Grünen. Es geht um Äußerungen deutscher Politiker und Darstellungen deutscher Medien, die in Italien als Affront aufgefasst werden – und das nicht nur bei den Populisten und Nationalisten. Fahren Sie mal nach Rom und sprechen Sie mit den Leuten – es wird nicht angenehm werden, fürchte ich…
Solveig Weise
7. Juni 2018 @ 13:35
Das ist einfacher als Sie denken….ich lebe in Palermo. Zugegeben, ist jetzt nicht Rom selbst aber auch hier wohnen genug Italiener:-) Glauben Sie mir, die können sehr gut unterscheiden zwischen der Medienbericherstattung und dem „normalen“ Bürger in Deutschland. Für wie dumm halten Sie denn bitte die Menschen in Italien? Denken Sie die gehen davon aus, dass der Spiegel oder Öttinger oder Juncker eins zu eins die Stimmung in Nordeuropa dokumentieren?
In einem Punkt gebe ich Ihnen allerdings Recht. Die Arroganz deutscher Medien wird immer uneträglicher.
Peter Nemschak
6. Juni 2018 @ 16:03
Die Grünen nützen jede sich bietende Gelegenheit, sich an ihren Politgegnern zu reiben. Das ist ihr gutes Recht, wird aber an der Politik der EU und Deutschland gegenüber Italien inhaltlich nichts ändern. Auf eine Schuldenunion darf Italien nicht hoffen. Das hat Merkel gleich zu Beginn festgestellt als sie der neuen italienischen Regierung ihre Zusammenarbeit anbot. Bei der Sicherung der Außengrenze kann die EU Italien unter die Arme greifen. Das ist ein genuin europäisches Projekt.