Ein Jahr “Inflation Reduction Act” – die USA stechen die EU aus
Vor einem Jahr haben die USA ihren “Inflation Reduction Act” IRA in Kraft gesetzt, ein massives Subventionsprogramm zugunsten der (heimischen) Industrie. Bis heute hat die EU keine adäquate Antwort gefunden – politisch und ökonomisch fällt sie zurück.
Auf die schärfste Waffe – eine Klage vor der Welthandelsorganisation WTO wegen Wettbeberbsverzerung – haben die EUropäer verzichtet – vor allem Berlin war dagegen. Wirtschaftsminister Habeck ist nunmal Transatlantiker, genau wie Kanzler Scholz!
Eine französiche Alternative – die Einrichtung eines milliardenschweren “Souveräntitätsfonds” – fand keine Mehrheit. Wieder stand Berlin auf der Bremse. Dabei hätten daraus EU-Hilfen finanziert werden können, um mit den USA gleichzuziehen.
So wird nun die drittbeste, ordnungspolitisch fragwürdigste Lösung umgesetzt: Die EU-Kommission hat ihre Beihilferegeln gelockert, so dass die EU-Staaten die Industrie direkt fördern können. Den größten Gebrauch davon macht ausgerechnet Deutschland!
Doch das Ergebnis kann bisher nicht überzeugen. Das größte EU-Land ist in die Krise gerutscht, die deutsche Autoindustrie wird von E-Autos made in China abgehängt, immer mehr Firmen drohen mit Abwanderung in die USA oder nach China.
Ein toxischer Mix
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Dass sich EU-Chefin von der Leyen von US-Präsident Biden auch noch das “De-Risking” von China aufschwatzen lief, macht die Sache nicht besser. Im Gegenteil: IRA und De-Risking erweisen sich als toxischer Mix, wiederum vor allem für die deutsche Industrie.
Und so schrillen nun die Alarmglocken. Nicht nur in Deutschland, das schon als “kranker Mann” apostrophiert wird, sondern in ganz Europa. Im Jahr 2008 war die Wirtschaft der EU noch etwas größer als die der Vereinigten Staaten.
Mittlerweile ist die amerikanische Wirtschaft um fast ein Drittel größer. Rechnet man Großbritannien heraus, sind es sogar mehr als 50 Prozent! Die EU fällt zurück – nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich…
Mehr zum IRA hier
P.S. Während die USA ihre “Green Tech” systematisch fördern, fehlt für den “Green Deal” der EU das Geld. Dies hat die EU-Kommission kurz vor der Sommerpause eingeräumt – mehr dazu hier
european
17. August 2023 @ 07:11
Die wirtschaftlichen Nachteile für die Europäer sind nur die eine Seite der Medaille. Die andere ist, dass uns weltweit niemand mehr ernst nimmt. Wenn man sich and das Bild erinnert, als die EUCO-Präsidentin von Erdogan an den Katzentisch verwiesen wurde, dann scheint das mittlerweile mehr als symbolträchtig gewesen zu sein. Die europäische, insbesondere die deutsche, Politik katapultiert uns in den wirtschaftlichen und politischen Orbit. Völlig losgelöst….
Michael Lüders hat das in seinem letzten Podcast auf sehr eindrückliche Weise zusammengefasst. Die Fähigkeit, das Geschehen wertneutral aus den unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten, führt nicht nur zu erstaunlichen Denkergebnissen, sondern auch zu nützlichen Erkenntnissen für die internationale Diplomatie. Sie setzt allerdings intellektuelle Kapazitäten voraus, die aktuell in Europa nicht zu finden sind. Und das ist die eigentliche Katastrophe, weil man nicht mehr auf Besserung hoffen kann.
https://youtu.be/BiNCXZgQSz4
Sehr hörenswert, weil er nicht nur kurzweilig und voller Informationen ist, sondern auch durchaus mitreißend vorgetragen wird. Man hofft ja immer wieder auf solche Stimmen.
european
16. August 2023 @ 16:14
@Thomas Damrau
Sie haben voellig Recht mit Ihrem Einwand bezueglich Buerokratie. Ein aehnliches Beispiel ist die Ehe, die ja nicht nur ein Versprechen ist, sondern auch einen gesicherten Rechtsrahmen fuer Eheleute und Familien bot. Dann kamen viele Leute auf die Idee, fuer ihre Liebe keinen Schein zu brauchen, um dann festzustellen, dass es fuer sie keinen Rechtsrahmen gibt. Wie ungerecht ist das denn und wie “privilegiert” die Ehe.
Seit dem mueht sich der Staat ab, jede Menge zusaetzliche Gesetze zu schaffen, die den ehelos lebenden gleiche Rechte verschafft, wie den Eheleuten.
Schei…,buerokratie 😀 😀 😀
KK
16. August 2023 @ 15:56
@ european:
„Seit dem mueht sich der Staat ab, jede Menge zusaetzliche Gesetze zu schaffen, die den ehelos lebenden gleiche Rechte verschafft, wie den Eheleuten.“
Wobei es ja in der Ehe nicht nur um Rechte, sondern auch um Pflichten (Unterhalt zB) geht. Pflichten, die den Staat bzw. die Allgemeinheit idR entlasten – insofern hat der Staat da auch ein nicht ganz uneigennütziges Interesse daran, möglichst viele in das Pflichten-Boot zu holen… aber das gibts halt nicht umsonst.
Das fing schon vor Jahrzehnten im Sozialhilferecht und noch vor den Hartz-Reformen mit der regelmässig unterstellten „Bedarfgsgemeinschaft“ an, wenn Mann und Frau in einer Wohngemeinschaft lebten.
KK
16. August 2023 @ 11:25
Der irischstämmige US-Präsident benennt jetzt also das Instrument im Kampf um die wertvollsten EUropäischen Firmen und Ideen ausgerechnet mit dem Akronym IRA, das an dasjenige der „(Provisional) Irish Republican Army“ gemahnt.
Von den – wie Biden – katholischen Iren als miltante „Befreiungsarmee“, von den Briten als „Terrororganisation“ eingestuft, die viele Opfer – nicht nur in UK und Irland, sondern eben auch auf dem EUropäischen Kontinent – zu verantworten hat.
Sollte das nicht zu denken geben?
Towanda
16. August 2023 @ 10:54
Georg Schramm
Die vollends aufgeklärte Welt erstrahlt im Zeichen triumphalen Unheils
Thomas Damrau
16. August 2023 @ 08:18
Insbesondere Deutschland leidet an einer krassen Fehleinschätzung der wirtschaftspolitischen Lage:
– Die europäische Wirtschaft ist über ein Jahrzehnt-lang durch billiges Geld gepäppelt worden. Das ist inzwischen vorbei.
– Die Energiewende lässt sich nicht ohne „Risiken und Nebenwirkungen“ so nebenbei durchziehen. Dieser Erkenntnis verweigert sich die Bundesregierung beharrlich.
– Deutschland hat lange von offenen Märkten profitiert und dadurch reichlich Exportüberschüsse erzielt. Im Augenblick stehen die Zeichen auf Wirtschaftssanktionen und Protektionismus. Damit wird dem deutschen Wohlstandsmodell der Boden entzogen.
– Die Exportüberschüsse des exportierenden Landes müssen durch das importierende Land bezahlt werden. Wenn das importierende Land seinerseits Exportüberschüsse hat (wie China), stellt das kein Problem dar. Wenn nicht, muss das importierende Land Schulden machen. Das ist für die USA kein Problem: Die USA drucken halt neue $. Für andere Länder ist das ein Problem – vor allem wenn Deutschland innerhalb der EU auf Austeritätspolitik drängt. Diese eigentlich recht einfachen Zusammenhänge scheinen die deutschen Politiker intellektuell zu überfordern.
Vollends grotesk wird es, wenn nun DIE DEUTSCHE BÜROKRATIE als Ursache der Malaise ausgeguckt wird. Die Lust an kleinteiligen Regelungen begleitet die BRD seit ihrer Gründung. Und die Bürokratie wächst nicht aus Böswilligkeit der Bürokraten, sondern nach dem Schema:
– Vorschlag: Wir vereinfachen etwas für Kleingartenanlagen.
– Einwand: Und was wird mit den Leuten, die nicht Kleingartenanlagen organisiert sind? Ich kenne jede Menge Menschen außerhalb von Kleingartenanlagen, die auch von dieser Vereinfachung profitieren würden.
– Verbesserter Vorschlag: Wir fördern Kleingärtner unabhängig davon, wie sie organisiert sind.
– Nachfrage: Und wie definieren wir „Kleingärtner“?
– Lösung: Wir setzen ein Komitee ein, dass die Kriterien ausarbeitet, nach welchen jemand als Kleingärtner gilt. Dann entwerfen wir ein Formular, das die Kleingärtner ausfüllen und mit Anhängen ergänzen müssen, um nachzuweisen, dass sie Kleingärtner sind.
– Einwand Monate später: Die Kriterien, die das Komitee herausgearbeitet hat, decken einige Sonderfälle nicht ab. Wir brauchen ein neues Komitee, dass die Regelung überarbeitet.
(Und so ist auch das deutsche Steuerrecht entstanden.)
Das kriegt man aus den Deutschen nicht raus – aber das killt die deutsche Wirtschaft nicht.