Land gegen Beitritt: Ein Nato-Berater setzt sich in die Nesseln
Der Nato-Gipfel in Vilnius hat den Beitrittswunsch der Ukraine abgeschmettert. Nun kommt die nächste kalte Dusche: Ein Nato-Berater denkt offen über einen Deal “Land gegen Beitritt” nach.
Der Stabschef von NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, Stian Jenssen, hat mögliche Gebietsabtretungen der Ukraine ins Spiel gebracht, wie n-tv meldet.
“Ich glaube, dass eine Lösung darin bestehen könnte, dass die Ukraine Territorium abgibt und im Gegenzug eine NATO-Mitgliedschaft erhält”, habe Stoltenbergs Mitarbeiter bei einer Podiumsdiskussion gesagt.
Die Nato in Brüssel hat diese Darstellung nicht dementiert. Wir dürfen also davon ausgehen, dass sie stimmt – und auch von Stoltenberg gedeckt wird.
Das ist pikant – denn die Ukraine lehnt nicht nur Gebietsabtretungen ab, sondern sogar jede Diskussion über mögliche Konzessionen. Neuerdings will Kiew sogar Verhandlungen mit Russland unterbinden.
Zudem lässt die Äußerung erkennen, dass die Nato nicht (mehr) daran glaubt, dass die Ukraine alle verlorenen Gebiete zurückerobern kann. Von einem “Sieg”, wie die EU, hat die US-geführte Militärallianz ohnehin nie gesprochen…
Mehr zur Nato hier
P. S. Nach massiven Protesten der Ukraine musste Stoltenbergs Mann zurückrudern. Ganz ähnlich war es schon EU-Chefin von der Leyen ergangen, als sie hohe ukrainische Opferzahlen nannte…
Helmut Höft
17. August 2023 @ 19:21
@Thomas Damrau
Selbst den deutschen Grünen wird früher oder vermutlich später aufgehen, dass der Preis für die moralisch korrekte Lösung nicht unendlich groß werden darf. Es ist doch einfach: Wir müssen „nur“ entscheiden, ob wir moralisch reich und ökonomisch arm sein wollen, oder umgekehrt!
Katla
17. August 2023 @ 13:17
@KK: Sie haben recht – wenn, dann das ukrainische Volk! Ich bin allerdings NICHT der Meinung, dass darüber nur die Ukraine (Staat oder Volk) entscheidet. Ein Staat, der nur noch durch westliche Milliardentransfers halbwegs am Leben gehalten wird und ein Krieg, der ebenfalls nur durch westliche Waffentransfers weitergeführt werden kann – wer nur noch durch die massive Hilfe Dritter handlungs- und lebensfähig ist, kann aus meiner Sicht nicht mehr die alleinige Entscheidungshoheit über seine Handlungen haben. Das ist übrigens auch im “richtigen Leben”, in allen Lebensbereichen so..
Monika
17. August 2023 @ 10:43
Als “Endsieg-Erfahrene Nation” sollten wir schließlich wissen, wie so etwas abläuft: The winner takes it (verdeckt natürlich, zur “Gesichtswahrung”) all!
Schaun wir mal bei uns, da gibt es bis heute geheime Geheimverträge, die sogar das GG tangieren, die die 2+4-Abkommen im “Geheimen” konterkarieren. Diesbezüglich hat uns doch Herr Schäuble schon vor etlichen Jahren bitter lachend unsere “Souveränität” bescheinigt… Deutschland und souverän, dass ich nicht lache…. Genauso wird euch, der Ukraine ergehen, auf immer ein Vasall, entweder hie oder dort.
Wer sich als maximal mittelgewichtige Nation mit Krieg zu den goßen Hunden legt, darf sich über Flöhe nicht wundern. Und wenn er die Flöhe vermeiden kann, hat er halt Läuse im Pelz.
Liebe Ukraine, das Leben besteht überwiegend aus Pflichten, das Recht auf “Souveränität” ist ein Köder. Aber das merkt ihr erst, wenn sie euch am Haken aus dem Wasser ziehen. Gebissen habt ihr schon, jetzt dürft ihr euch noch ausschwimmen und wenn ihr final erschöpft seid, zieht man euch aus dem Wasser zum Ausschlachten. Rettet jetzt was ihr noch retten könnt, Selbstamputation könnte euch das Leben vielleicht noch retten…
Karl
17. August 2023 @ 09:57
Das sind Lockerungsübungen für die vielen verbohrten Hirne der eigenen NATO-Klientel. Denn es handelt sich um das Gegenteil einer Deeskalation. Russland wird bekanntlich die NATO-Osterweiterung nicht akzeptieren und zu ihrer Verhinderung alle Mittel einsetzen.
Bestünde die NATO nicht nur aus einem Herren und seinen Vasallen, dann würde sie über die Frage nachdenken, ob ein Beitritt der Ukraine die Sicherheit der NATO-Mitglieder verbessert oder nicht? Zu diesem Ziel haben sich die Nato-Mitglieder im Vertrag verpflichtet – und diese Frage stellt Jacques Baud in seinem neuen Buch.
ebo
17. August 2023 @ 10:07
Richtig, die Ukraine muss mehr Sicherheit im “euroatlantischen Raum” bringen. Das tut sie offensichtlich nicht – seit die Tür offen steht (2008) hat sich die Sicherheitslage sowohl in der Ukraine als auch in Europa drastisch verschlechtert. Eine Rumpf-Ukraine würde noch mehr Unsicherheit bringen!
Deshalb bleibe ich dabei: Das einzig Interessante an diesem Versuchsballon ist, dass man in der Nato offenbar selbst nicht mehr glaubt, dass die territoriale Integrität der Ukraine wiederhergestellt weeden kann…
MarMo
17. August 2023 @ 09:56
@Thomas Damrau “Selbst den deutschen Grünen wird früher oder vermutlich später aufgehen, dass der Preis für die moralisch korrekte Lösung nicht unendlich groß werden darf.”
Es gab nie von den Grünen eine moralisch korrekte Lösung. Die Grünen sind meines Erachtens transatlantisch verstrahlte Kriegstreiber. Nichts, aber auch gar nichts, ist von der ehemaligen Friedenspartei übrig geblieben – allerdings schon mindestens seit Joschka Fischer Außenminister war.
Arthur Dent
17. August 2023 @ 08:49
Gestern habe ich in einem Artikel von Gilbert Doctorow gelesen, dass Russland Eisenbahntunnel in den Karpaten beschossen und schwer beschädigt haben. Die Tunnel dienten als Nachschubwege für westliches Militärgerät. Augenscheinlich beginnt Russland selbst mit einer Offensive. Weiß jemand mehr darüber?
Stef
17. August 2023 @ 08:36
Das ist ein Dokument des vollständigen Versagens der westlichen Diplomatie. Wie kann man nur einen Vorschlag ventilieren, der die roten Linien sowohl Russlands als auch der Ukraine offensichtlich und drastisch verletzt? das Maß an Dilettantismus nimmt damit noch erschreckendere Maße an.
Übrigens vermeldet die Tagesschau aktuell, dass die Ukraine unter Selenski nicht daran denkt, mit Russland über eine Verlängerung des Gastransitabkommens auch nur zu sprechen. Für diesen Fall musste Habeck vor ein paar Wochen kleinlaut zugeben, dass Deutschland aus Solidarität Gas an das europäische Ausland abgeben müsse. Und das in einer ungelösten Gasmangellage. Wäre das nichts für einen Bericht?
Annette Hauschild
17. August 2023 @ 08:24
Wenn Selelnskij im Wahlkampf dvon gesprochen hat, diesen krieg im Osten „mit allen Mitteln zu beenden“, wie Sie schreiben, hat er damit ausschließlich zivile und diplomatische Mittel gemeint? die überwältigende Mehrheit der Menschen in der Ukraine d.h. mit ausnahme der krim, und der beiden selbst ernannten Volksrepubliken haben ihn ja gewählt, weil er ihnenn Frieden versprochen hatte. Aber kann man eventuell sagen, dass er zwar Befriedung gemeint haben könnte, aber mit militärischen Mitteln? Immerhin soll es ja offenbar im Frühjahr 2021 Planungen für eine Offensive gegeben haben, um Donezk und Lugansk wieder zu erobern.
KK
16. August 2023 @ 21:07
@ Katla:
„„Die Ukraine entscheidet ganz allein,…““
Ja, und wer ist das denn überhaut, „die Ukraine“? Etwa ihr Präsident, der mit überwältigender Mehrheit gewählt worden war, weil er u.a. versprochen hatte, „…dass dieser Krieg [in der Ostukraine] unbedingt mit allen Mitteln beendet werden müsse.“
[Quelle: https://www.deutschlandfunk.de/ukraine-boeses-erwachen-nach-grossen-wahlversprechen-100.html – mit anderen Belegen der Wählertäuschung und möglicher Motivation hinter Selenskyj; 2019 konnte der Deutschlandfunk noch differenzierter!]
Oder sollte man wenn, dann nicht eher das ukrainische Volk dies- und jenseits des Frontverlaufs fragen, die das alles ausbaden müssen?
Katla
16. August 2023 @ 19:37
Leider hat Jenssen inzwischen die Aussage widerrufen. Schade – ich hätte hierzu gern kommentiert, dass endlich jemand mit einer Idee (ausser noch mehr Waffen, noch mehr Geld in den failed state Ukraine) daherkommt. Ob die Idee gut oder schlecht ist, wäre für mich erstmal gar nicht so wichtig, ich wäre aber sehr dankbar, wenn wir aus der öden, dumpfen Denkverbotsecke namens “Die Ukraine entscheidet ganz allein, wir dürfen ihr keine Vorschriften machen…” rauskommen würden. Es gibt in unserem Universum sicher noch ein Paar frei umherschwirrende Szenarien, über die man einfach mal ganz unverbindlich und laut nachdenken könnte.
KK
16. August 2023 @ 18:01
@ Thomas Damrau:
“Selbst den deutschen Grünen wird früher oder vermutlich später aufgehen, dass der Preis für die moralisch korrekte Lösung nicht unendlich groß werden darf.”
Da wäre ich mir nicht so gewiss; die GRÜNEN haben sich bereits mehrfach als bemerkenswert lernunfähig und stur erwiesen, wenn es um ihre “moralischen” Ansprüche und deren Preis, den die Gesellschaft (und die Umwelt, siehe Frackinggas aus USA) dafür zahlen muss, geht.
Thomas Damrau
16. August 2023 @ 17:02
Das war irgendwann zu erwarten. Selbst den deutschen Grünen wird früher oder vermutlich später aufgehen, dass der Preis für die moralisch korrekte Lösung nicht unendlich groß werden darf.
Daher erwarte ich in den nächsten Wochen vermehrt diese Art von Versuchsballons. Die ersten wird die ukrainische Flak schnell abschießen, aber auf die Dauer werden es zu viele Ballons werden, um sie zeitnah runter zu holen.
Ob, wie @european richtig hinterfragt, die Russen von einem Deal “Land gegen NATO-Mitgliedsschaft” begeistert sein werden, bleibt abzuwarten.
Parallel wird natürlich auch die andere Art von Versuchsballons weiter freigesetzt werden: “Neue Waffen-Typen für den Endsieg über Russland.”
european
16. August 2023 @ 14:10
Fuer Russland wuerde sich danach aber nichts aendern. Ein Natostutzpunkt in der Restukraine ist ein ebensolches Risiko wie vorher, weil Moskau dann immer noch keine Vorwarnzeit hat und dem Westen darf man nicht trauen, was immer auch fuer Versprechen abgegeben werden. Unser Wort ist nichts wert.
Warum sollten sie sich also auf einen solchen Deal einlassen?
Auch fuer den Wertewesten ist eine voellig zerstoerte Ukraine viel attraktiver. Je mehr kaputt ist, umso mehr muss gegen viel Geld wieder aufgebaut werden. Die Gefahr besteht nur, dass Russland die Restukraine ganz einfach ueberrollt. Gerade die Deutschen sollten aus der Geschichte wissen, dass Russland durchaus Offensive kann und dann auch nicht mehr zu stoppen ist, egal wieviele Verluste es bringt.
ebo
16. August 2023 @ 19:00
Natürlich wird sich Russland nicht aus diesen Deal einlassen, ebensowenig wie die Nato.
Bemerkenswert ist das Ganze nur, weil erstmals ein Nato-Offizieller andeutet, dass die Ukraine wohl Gebiete abtreten muss…