Ein Jahr Corona: Die EU braucht einen Machtwechsel – wie die USA

Die Watchlist EUropa vom 24. Februar 2021 –

Die Flagge am Weißen Haus auf Halbmast, hunderte von Kerzen, eine Schweigeminute für die Opfer: Präsident Biden ließ es nicht an Pathos fehlen, um der 500.000 an oder mit Corona gestorbenen US-Bürger zu gedenken.

“Das sind mehr Amerikaner, die in einem Jahr der Pandemie gestorben sind, als im Ersten Weltkrieg, dem Zweiten Weltkrieg und dem Vietnamkrieg zusammengenommen”, so Biden. Das dürfe sich nie wiederholen.

Derweil in der Brüsseler EU-Kommission: Business as usual. Von der Leyens Sprecher nehmen virtuell die Fragen der Journalisten entgegen – physische Begegnungen und echte Recherchen sind seit einem Jahr nicht mehr möglich.

Von den mehr als 500.000 Menschen, die in der EU gestorben sind, spricht niemand. Stattdessen lobt die Kommission sich selbst – für Corona-Hilfen an die Slowakei und Serbien.

Auch in Berlin gibt es kein Innehalten. Zwar ist die Sterberate in Deutschland wg. Corona seit Weihnachten höher als in den USA (seit Ende Januar auch über dem EU-Schnitt, siehe Grafik unten). Doch darüber spricht man nicht.

Was sagt uns das? Nun, die banale Antwortet lautet, dass die EU kein Staat ist und es in EUropa auch kein kollektives Bewußtsein der Krise gibt. Jedes Land zählt seine eigenen Toten.

Bei näherer Betrachtung wird deutlich, dass der EU ein Machtwechsel wie in den USA fehlt. Biden gedenkt der Opfer seines Amtsvorgänger Trump. Die EU-Politiker machen in Kontinuität.

Weder die hohen Todeszahlen noch das Impfdebakel haben daran etwas geändert. Im Gegenteil: Je schlechter die Lage ist, desto mehr klammern sich die EU-Politiker an ihre Sessel – mit immer neuen Versprechungen.

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Brüssel fehlt der Wechsel

Kommissionschefin von der Leyen hat dies schon lange eingeübt. Nach jeder Pleite wird alles noch bombastischer. Auf “Europas Moment” beim Impfen folgt die Rettung der ganzen Welt durch COVAX.

In Berlin pflegt Kanzlerin Merkel einen anderen Stil. Sie redet den Bürgern ins Gewissen und senkt die Grenzwerte, um als treusorgende Mutter der Nation zu erscheinen. Über die Toten spricht sie nicht.

Wie lange kann das noch so weiter gehen? Die Deutschen können immerhin im Herbst eine neue Regierung wählen. Doch auf EU-Ebene zeichnet sich kein Wechsel ab, nicht mal das Europaparlament macht Druck.

Von der Leyen bleibt uns erhalten, dabei ist sie nicht einmal richtig gewählt

Siehe auch “Ein Jahr Corona: Die EU lässt sich nicht mehr in die Karten schauen” und “Warum das Impfdebakel folgenlos bleibt”

Watchlist

Setzt sich Deutschland mit seinen Grenzkontrollen durch – oder kommt es beim EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag zum offenen Streit? Die vehementen Äußerungen aus Berlin lassen nichts Gutes ahnen. Allerdings kommt ein Beschluß-Entwurf für den Gipfel den deutschen Wünschen weit entgegen. Demnach sollen nicht notwendige Reisen in der EU wegen der Pandemie bis auf weiteres eingeschränkt bleiben. – Mehr hier

Hotlist

  • Das Europaparlament untersucht die Grenzagentur Frontex. Im Zentrum steht die Frage, ob die Agentur systematisch Menschenrechtsverletzungen begangen habe, meldet die “Tagesschau”. Die vom Innenausschuss eingesetzte Frontex-Prüfgruppe hat vier Monate Zeit, um Zeugen und Expertinnen zu befragen. Dann müssen die 14 Abgeordneten ihren Bericht über mögliches Fehlverhalten der EU-Grenzschützer vorlegen. – Die SPD hat bereits den Rücktritt von Frontex-Chef Leggieri gefordert.
  • Neues im Fall des Wikileaks-Gründers Assange. 20 irische Parlamentarier haben einen Offenen Brief an die britische Regierung gerichtet, in dem sie fordern, per Videokonferenz direkt mit dem im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh festgehaltenen Untersuchungshäftling zu sprechen, um sich ein Bild von seiner Lage zu machen. Dies berichten die “Nachdenkseiten”.Wann wacht das Europaparlament endlich auf und tut es den irischen Abgeordneten gleich? Mehr hier
  • Die Corona-Politik verletzt den Maastricht-Vertrag. Dies sagt die Politologin U. Guérot in einem Interview mit “Nordbayern.de”. Zitat: “Unser Rechtsanspruch auf Unionsbürgerschaft ist faktisch außer Kraft gesetzt, wenn wir an den Grenzen danach unterscheiden, ob jemand Arbeitskraft ist, Güter transportiert oder privat reist. Ich habe inzwischen mit KollegInnen Klage am Europäischen Gerichtshof eingereicht, um Fälle wie diesen zu dokumentieren und aufzuarbeiten.” – Auf das Ergebnis dieser Klage bin ich gespanntSiehe auch unser Dossier zum Thema