Ein Jahr Corona: Die EU lässt sich nicht mehr in die Karten schauen

Seit fast einem Jahr wird die Arbeit von EU-Korrespondenten in Brüssel systematisch behindert. Der offizielle Grund: Corona. Doch das ist nur ein Vorwand, wie der Vergleich mit Berlin zeigt.

Keine „physischen“ Pressekonferenzen, keine Begegnungen mit Kommissaren oder Ministern, kaum noch Interviews: Seit dem Beginn der Coronakrise wird die Arbeit der rund 1000 akkreditierten EU-Korrespondenten in Brüssel massiv erschwert.

Offiziell sind dafür die strengen Hygieneregeln verantwortlich. Die EU-Kommission hat ihre Präsenz-Pressekonferenzen ebenso eingestellt wie der Ministerrat. Alles läuft nur noch virtuell – angeblich, weil es sonst zu voll und eng würde.

Doch das ist nur ein Vorwand, wie der Vergleich mit Berlin zeigt. Dort gibt es weiter „Live“-Begegnungen, sogar im Kanzleramt. Auch internationale Berichterstatter können in der deutschen Hauptstadt weitgehend ungehindert arbeiten.

Dabei gelten in Berlin derzeit strengere Coronaregeln als in Brüssel. Hier, am Hauptsitz der EU, sind Kitas, Grundschulen und Geschäfte geöffnet. Kommission und Rat haben genügend große Säle, um die AHA-Regeln einzuhalten.

Besonders empörend ist es, dass immer noch „physische“ EU-Treffen in Brüssel stattfinden – wie im Dezember mit den Staats- und Regierungschefs, oder jetzt mit den Außenministern. Doch selbst dabei werden die Korrespondenten ausgesperrt.

Nur für das Fernsehen gibt es noch ein paar schöne Bilder – und fürs Radio gelegentlich ‚mal einen O-Ton. Printjournalisten dagegen müssen zuhause bleiben und mit vorgefertigten Statements oder Agenturmeldungen vorlieb nehmen.

Keine kritischen Fragen an Merkel und von der Leyen

Das behindert sogar die Arbeit deutscher Journalisten bei deutschen EU-Besuchen. So hatte ich keinerlei Gelegenheit, Außenminister Maas bei seinem Trip nach Brüssel zu sehen oder gar Fragen zu stellen. Das darf nur ein begrenzter „Pool“.

Eine freie Berichterstattung „aus erster Hand“ ist damit nicht mehr möglich. Maas und Merkel müssen sich, wenn sie nach Brüssel kommen, kaum noch (kritischen) Fragen stellen. Auch von der Leyen entzieht sich der öffentlichen Kontrolle.

Die Fragestunde im Europaparlament zum Impfdebakel fand hinter verschlossenen Türen statt. Und wenn sich die CDU-Dame dann doch ‚mal mit Journalisten trifft, dann sind es immer dieselben – handverlesen von ihren Beratern.

Brüssel ist zum „Closed shop“ geworden – und Corona hat diesen Trend massiv verstärkt…

Siehe auch „Corona-Deals: wo bleibt die Transparenz?“, „Die Methode Merkeleyen“ und „Ein Jahr Corona: Die USA trauern, die EU duckt sich weg“