Warum das Impfdebakel folgenlos bleibt

Wer ist schuld am europäischen Impfdebakel? Nach einer Woche des Streits und der Krisensitzungen ist diese Frage immer noch nicht beantwortet. Und es sieht auch nicht so aus, als werde sie jemals geklärt.

EU-Kommissionschefin von der Leyen hat zwar die Verantwortung für die Fehler der letzten Tage übernommen. Den Streit mit AstraZenecia, das Gezerre um die Exportbeschränkungen, den Eklat um Nordirland – sie nimmt alles auf ihre Kappe.

Doch die zugrunde liegenden Probleme bleiben ungelöst. Das fehlende Geld, die zögerliche Bestellung, der Mangel an Produktions-Kapazitäten, die späte Zulassung: Dafür hält keiner den Kopf hin, das wird auch nicht infrage gestellt.

Wie ist das möglich? Ich sehe drei Gründe.

Zum einen halten die wichtigsten Akteure – von der Leyen und Kanzlerin Merkel – wie Pech und Schwefel zusammen. Sie haben die Impfstrategie gemeinsam ausgeheckt, sie stimmen sich fast täglich ab, die „Methode Merkeleyen“ ist schwer zu knacken.

Dabei steht die europäische Beschaffung rechtlich auf wackligen Füssen. Die EU hat nämlich in diesen Fragen keine Kompetenz. Man habe die „Werkzeuge“ erst entwickeln müssen, sagt von der Leyen Sprecher. Ob sie wasserdicht sind, wird sich zeigen.

Zum zweiten fehlt es an demokratischer Kontrolle.

Im Europaparlament gibt es keine echte Opposition – und die großen Fraktionen konzentrieren sich darauf, „die EU“ gegen Kritik und Angriffe zu verteidigen. Deshalb haben sie sich am Ende auch hinter von der Leyen gestellt.

Zum dritten haben wir es mit dem üblichen europäischen Verschiebe-Bahnhof zu tun.

Eine undankbare Aufgabe – in diesem Fall die Impfstoff-Beschaffung – wird nach Brüssel abgeschoben, ohne der EU die nötigen Mittel zu geben. So geschehen unter deutschem Ratsvorsitz, nach Absprache Merkel – von der Leyen.

Wenn es gut geht, dann war es eine deutsche Idee, Merkel lässt sich feiern. Wenn es schlecht läuft, ist „die EU“ schuld. Wenn „die EU“ – wie in diesem Fall – Deutschland und die übrigen 26 Mitgliedsstaaten bedeutet: umso besser.

Dann sind alle verantwortlich, und niemand muß dafür gerade stehen. Dann haben die 27 Mitglieder gemeinsam mit der EU-Kommission entschieden – und von der Leyen kann den Schwarzen Peter in die Hauptstädte abschieben.

Kaum aufklärungsbereit

„Wenn etwas schief geht, wird die Schuld hin und hergewälzt“, fasst der „Economist“ die Lage zusammen. Europa weiche der Verantwortung für das Impfdebakel aus, werde die Krise so aber nicht lösen können.

Dem habe ich nichts hinzuzufügen. Die EU ist, was die Pandemie betrifft, nicht nur bedingt abwehrbereit. Sie ist auch kaum aufklärungsbereit. Schließlich bedeutet die europäische Beschaffung ja auch „mehr Europa“.

Und wer in Brüssel könnte schon dagegen sein?

Siehe auch „EUropas Teufelskreis“