EU rührt keinen Finger für Assange
Ein Gericht in London hat die Auslieferung von Wikileaks-Gründer Julian Assange an die USA abgelehnt. Das sollte auch die EU freuen – schließlich tritt sie für Demokratie, Rechtsstaat und Meinungsfreiheit ein. Doch die EU-Verantwortlichen schweigen, Brüssel rührt keinen Finger.
Wenn es um Bürgerblogger in China, Demonstranten in Belarus oder Oppositionelle in Russland geht, dann ist die EU sofort zur Stelle. Der Außenbeauftragte Borrell oder Justizkommissarin Jourova erheben ihre Stimme, Sanktionen folgen auf dem Fuße.
Doch im Fall Assange – nichts! Nicht einmal das Europaparlament hält es für nötig, sich mit dem Wikileaks-Gründer solidarisch zu erklären oder das Gerichtsurteil aus London zu kommentieren. Nur der Pirat P. Breyer wagt sich aus der Deckung:
“Eine Auslieferung von Julian Assange an die USA hätte weitreichende Folgen für Journalisten, die Missstände und selbst Kriegsverbrechen von Staaten aufdecken wollen. Vertreter des US-Justizministeriums erklärten mir vergangenes Jahr offen, Journalisten würden ebenso belangt werden wie Assange. Pressevertreter und Blogger verdienen unseren besonderen Schutz statt wie Kriminelle verfolgt zu werden. Die Öffentlichkeit muss Staatsverbrechen der Machthaber kennen, um sie unterbinden zu können.”
P. Breyer, Piratenpartei
Breyer legt hier den Finger in die Wunde: Die USA dulden keine Whistleblower, sie drohen unverhohlen der freien Presse, wenn sie es wagen sollte, “Staatsgeheimnisse” bzw. Kriegsverbrechen offenzulegen. Spätestens das sollte die EU auf den Plan rufen.
Zudem sollten die EU-Verantwortlichen dafür sorgen, dass Assange im nun zu erwartenden Berufungsverfahren nicht im britischen Hochsicherheitsgefängnis zu Schaden kommt. Der Australier ist schon jetzt in einem miserablen gesundheitlichen Zustand.
Doch die EU rührt keinen Finger. Das sei ein schwerer Fehler, meint die ehemalige Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin. Schließlich gehe es auch um die Werte der Europäer, „die auf diese Weise des Nichtstuns auch verletzt werden“.
Vermutlich ist man in Brüssel vollends damit beschäftigt, den Empfang für den neuen US-Präsidenten Joe Biden vorzubereiten und die Scherben zusammenzukehren, die das Last-Minute-Investitionsabkommen mit China in den USA hinterlassen hat!?
Siehe auch “Schweigen zu Assange”
Alexander
4. Januar 2021 @ 20:45
“Wenn das Aufdecken von Verbrechen wie ein Verbrechen behandelt wird, dann werden wir von Verbrechern regiert!”
(Edward Snowden)
European
4. Januar 2021 @ 16:13
Das hier erschien am 30. Dezember 2020 auf den Seiten des Auswärtigen Amtes
https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/kofler-assange/2431344
Da fehlen einem doch die Worte. Warum so früh?
Ich kann mich noch gut an die moralinsaure Kommentarwelle von nördlich der Alpen erinnern, als es um Carola Rackete’s Aktion in Italien ging. Man konnte so schnell gar nicht mitzählen, wie sich Politiker aller Couleur darüber ereiferten, dass sie sich ggf. einem Gerichtsverfahren stellen muss.
Ginge es hier um Russland, hätten wir schon längst wieder den Sanktionskatalog auf den Tisch des Hauses gedonnert und unseren Moralanspruch gesichert.
Naja und unsere Kommissionspräsidentin… Was will man da schon erwarten?
ebo
4. Januar 2021 @ 16:20
Immerhin, das AA hat sich geäußert. Nur einen Tag vor dem Ende des deutschen EU-Vorsitzes – so dass es Brüssel nicht mehr rechtzeitig erreicht hat 🙂
Werner Thies
4. Januar 2021 @ 16:00
Das ist aber – unterm Strich – ein ganz übles Urteil. Denn inhaltlich hat die Richterin den USA Recht gegeben. Zu 100 Prozent.
Und nur weil Assange krank und suizidal ist, soll er nicht ausgeliefert werden. Mit anderen Worten: Ein gesunder Assange hätte alles verloren.
Eine Verteidigung der Presse- und Meinungsfreiheit ist das Urteil von heute nicht. Im Gegenteil !!!
ebo
4. Januar 2021 @ 16:12
Ja, das sehe ich ähnlich. Umso wichtiger wäre es, dass Deutschland und die EU für seine Rechte eintreten!