Der Konsens ist futsch, Spanien übernimmt – und Frankreich brennt
Was bleibt von der Europapolitik der vergangenen Woche? In zentralen Fragen der EU-Politik ist der Konsens futsch. Spanien übernimmt von Schweden den EU-Vorsitz. Und Frankreich brennt – droht ein Bürgerkrieg?
Beginnen wir mit Frankreich: Nachdem Staatschef Macron am Freitag in aller Eile den EU-Gipfel verlassen hatte, verhängte er einen De-Facto-Ausnahmezustand über das Land. Gepanzerte Wagen und Anti-Terror-Einheiten bezogen Stellung in allen großen Städten.
Dennoch kam es wieder zu massiven Ausschreitungen. Nach Polizeiangaben wurde 1350 Fahrzeuge angezündet, 234 Gebäude in Brand gesetzt und 1311 Menschen festgenommen. Zudem drohen Macron die Polizei und die Bürger von der Stange zu gehen.
Ein Hauch von Bürgerkrieg liegt in der Luft, so dass sich Macron gezwungen sah, den für nächste Woche geplanten Staatsbesuch in Deutschland abzusagen. Vor ein paar Wochen mußte er wegen Massenprotesten schon den Besuch des englischen Königs canceln…
Das Chaos ist Wasser auf die Mühlen der Nationalisten und Rechtspopulisten. Marine Le Pen sieht sich bestätigt, genau wie Meloni und Orban. Damit wird die Krise in Frankreich, die die Rechten wie üblich der Migration zuschreiben, zu einem europäischen Problem!
Doch die EU war bei ihrem Gipfel am Donnerstag nicht einmal mehr in der Lage, sich auf gemeinsame Beschlüsse zur Migration zu verständigen. Polen und Ungarn fordern eine Umkehr, den Asylkompromiss wollen sie nicht mittragen.
Doch nicht nur in der Migrationspolitik ist der Konsens futsch. Auch beim Umgang mit der Ukraine zeigen sich tiefe Risse. Die “Sicherheitsgarantien” für Kiew, die ausgerechnet Macron durchdrücken wollte, scheiterten am Widerstand der neutralen Staaten in der EU.
Ärger gibt es auch in der Budgetpolitik. Dass EU-Chefin von der Leyen nach nur drei Jahren einen Nachschlag für das siebenjährige EU-Budget fordert, empört viele, auch in Deutschland. Orban macht daraus sogar eine Anti-Brüssel-Kampagne...
Sanchez’ erste Amtshandlung: Reise nach Kiew
Wird es mit dem spanischen EU-Vorsitz besser, der am 1. Juli begonnen hat? Wohl kaum. Denn noch im Juli stehen Neuwahlen an. Wenn in Madrid die Rechten übernehmen, dürften Egoismus und Nationalismus noch stärker werden.
Auch die Prioritäten von Noch-Premier Sanchez machen wenig Hoffnung. Statt sich um die wachsenden Probleme der EU zu kümmern, ist er nach Kiew gereist – um den Beitritt der Ukraine voranzutreiben.
“Ich wollte, dass der erste Akt der spanischen Präsidentschaft des Rates der Europäischen Union in der Ukraine stattfindet”, schrieb Sánchez auf Twitter. Kiew ist sozusagen die neue EU-Hauptstadt…
Mehr Chroniken hier. Hier noch die drei besten Blogposts der vergangenen Woche:
Anmerkung: Dies ist die letzte Wochenchronik vor der Sommerpause. Im Herbst ist ein Relaunch unserer Newsletter geplant, die Wochenchronik fällt dann möglicherweise weg. Bevor wir uns entscheiden, möchte wir aber gern Ihre Meinung einholen.

Wie sehen die Friedenspläne der EU und der Ukraine aus?
Der Friedensplan von US-Präsident Trump hat Empörung ausgelöst. Von Kapitulation und Diktatfrieden ist die Rede. Doch was ist die Alternative – was schlagen die EU und die Ukraine vor? Ein Blick hinter die Kulissen.

Döpfner und Lanz im medialen Schützengraben
Die deutsche Debatte über die Ukraine und den Krieg gegen Russland wurde nie auf einem hohem Niveau geführt. Doch nun, da sich eine bittere Friedenslösung abzeichnet, ist ein neuer Tiefpunkt erreicht.

London verschiebt brisante Friedensgespräche
Streit lag in der Luft. Zudem gab es brisante Enthüllungen über russische und amerikanische Pläne für einen Waffenstillstand in der Ukraine. Und dann sagte auch noch US-Außenminister Rubio ab.
Helmut Höft
2. Juli 2023 @ 21:39
Zur Frage Wo-Chronik fehlt: „Halte ich für überflüssig!“ (nmM)
Zum Thema: Wenn die Sonne scheint ist alles gut (und es werden die schönsten „Schönwettergesetze“ gemacht), wenn’s Wetter schlechter ist sitzen Alle zu Hause, Fenster und Türen zu. Kommentar: So ist das im Leben!
Hekla
1. Juli 2023 @ 19:39
Statt einer Politik mit Antworten auf die geradezu täglich wachsenden Probleme der EU und ihrer Bürger bekommen wir am laufenden Band eine Symbolpolitik (die auch noch äusserst kostspielig ist) präsentiert, zugunsten eines Nicht-Mitgliedstaates. Sollte es die EU mittelfristig auseinanderrreissen, werden sie dann – wie bei den Wahlsiegen rechter Parteien – da stehen und sich ganz gross wundern. Und wieder so tun, als ob sie nicht begriffen, warum die Bürger ihnen ihr Vertrauen entziehen und sich abwenden.
Kaktus
1. Juli 2023 @ 19:31
Das Problem in Frankreich ist m.E. die Folge der Kolonialzeit, die jungen Menschen, die jetzt randalierend in der Öffentlichkeit auftreten, sind die Nachkommen der vormals in den Kolonien ausgebeuteten Menschen. Diese junge Generation ist großteils in prekären Verhältnissen aufgewachsen und hat so gut wie keine Chance für ihre Zukunft. Das Problem ist seit Jahrzehnten virulent und setzt sich von einer Generation zur nächsten fort. Wenn der Staat dann noch bewußt brutal gegen diese Menschen vorgeht, sind diese Eskalationen nicht überraschend, die dann mit noch mehr Brutalität niedergeschlagen werden…
KK
1. Juli 2023 @ 17:31
Was in über 65 Jahren seit dem Beginn der EWG aufgebaut worden ist, hat hauptsächlich von der Leyen mit tatkräftiger Unterstützung von Charles Michel und den meissten aktuellen EUropäischen Regierungen (und mit viel Rückenwind aus Washington) innerhalb von nur drei Jahren vor die Wand gefahren.
Und nicht vergessen dürfen wir dabei, dass den Sargnagel von der Leyen Macron eingeschlagen hat, dessen selbstherrlicher Regierungsstil, unnachgiebiger Rentenkurs (von wegen, kein Geld: fürs Militär hat ers ja!) und Militarisierung der Polzei wohl auch die fünfte Republik Frankreichs zerreissen könnte!
RIP geeintes EUropa, RIP friedlicher Kontinent!