Trotz massiver Defizite: EU und Ukraine treiben Beitritt voran

Die Ukraine erfüllt kaum ein Kriterium für den EU-Beitritt. Dennoch wird die Heranführung an die EU vorangetrieben – in kleiner Runde und in Hinterzimmern.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat sich erstaunlich zuversichtlich zur europäischen Zukunft seines Landes geäußert.

Es sei schon immer unmöglich gewesen, sich ein “gemeinsames Haus Europa” ohne die Ukraine vorzustellen, behauptet er (was die Tatsachen auf den Kopf stellt, der Begriff “gemeinsames Haus” bezog sich auf Russland)

Doch nun habe Kiew erreicht, dass auch auf politischer Ebene Europa-Angelegenheiten nicht mehr ohne die Ukraine gedacht würden, sagte er nach einem Treffen mit dem spanischen Regierungschef Sanchez, der den EU-Vorsitz übernommen hat.

Was haben Selenskyj und Sanchez ausgemacht? Das ukrainische Beitrittsgesuch sei eines der wichtigsten Themen der spanischen EU-Ratspräsidentschaft bis Ende 2023, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung.

Das Ziel ist offenbar, spätestens im Dezember die offiziellen Beitrittsverhandlungen zu starten. Dabei erfüllt die Ukraine kaum ein Kriterium. Ohne EU-Hilfe wäre sie wirtschaftlich nicht lebensfähig, sondern längst bankrott.

Die meisten Grundrechte sind ausgesetzt, die Opposition ist ausgeschaltet, die russisch-orthodoxe Kirche wird geknebelt. Der Kampf gegen Korruption und Oligarchen hat zwar begonnen, ist aber nicht sehr weit gekommen.

Kungel-Runde am Rande des EU-Gipfels

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Bei einem mündlichen Zwischenbericht stellte die EU-Kommission vor zehn Tagen fest, dass nur zwei von sieben Kriterien erfüllt worden seien. Damit es trotzdem losgehen kann, will die EU nun offenbar ein wenig nachhelfen.

Beim EU-Gipfel letzte Woche haben neun Länder, darunter Deutschland, über den Ukraine-Beitritt gesprochen. “Alle haben eingesehen, dass es schneller gehen wird als gedacht”, sagte ein Diplomat nach der Kungel-Runde.

Na klar – wenn man die offiziellen Kriterien übergeht und in Hinterzimmern tagt, kann alles ganz schnell gehen…