Das Schweigen der EU, die Zerstörung der SPD – und die Ausweitung des Krieges

Was bleibt von der Europapolitik der vergangenen Woche? Die EU schweigt zum Fall Assange. Die SPD steht wegen ihrer Ostpolitik auf der Anklagebank. Und der Krieg in der Ukraine weitet sich aus.

Was sagt die Europäische Union zu Julian Assange? Was tut sie für den prominenten Wikileaks-Gründer und Investigativ-Journalisten, der schwerkrank im Londoner Hochsicherheitsknast Belmarsh einsitzt, und dem in den USA bis zu 175 Jahre Haft drohen?

Wir wissen es nicht. Denn die EU schweigt. Weder die eigentlich zuständigen EU-Kommissare Vera Jourova und Didier Reynders noch Ratspräsident Charles Michel wollen den Fall kommentieren. Auch das Europaparlament hält die Klappe.

Dabei wäre diese Woche eine gute Gelegenheit gewesen, endlich mal den Mund aufzumachen. Ein britisches Gericht hat formell die umstrittene Auslieferung in die USA genehmigt. Nur Innenministerin Priti Patel kann Assange jetzt noch retten. Der Fall ist damit endgültig zum Politikum geworden.

Die Justiz ist durch, nun muß die Politik Farbe bekennen. Und das nicht nur in Großbritannien, wo Patel eine historische Entscheidung treffen muß – hoffentlich gegen die Auslieferung. Auch die EU ist gefordert, für europäische Werte wie die Meinungs- und Pressefreiheit einzutreten und Assange vor dem absurden Vorwurf der Spionage zu retten.

Wenn sie es nicht bald tut, verspielt sie endgültig ihre Glaubwürdigkeit. Die ist leider schon jetzt angekratzt. Seit die EU-Kommission Anfang März die russischen Staatsmedien RT und Sputnik verboten hat, ist die Freiheit der Presse eingeschränkt.

Mit dem neuen “Digitale Dienste Gesetz”, auf das sich die EU am Freitag grundsätzlich verständigt hat, werden sogar noch mehr Eingriffe möglich. Unter anderem soll sichergestellt werden, dass sog. Desinformation weniger Aufmerksamkeit erhält.

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Was war sonst noch? Die Ukraine, viele deutsche Politiker und Medien arbeiten an der Zerstörung der SPD. In einer beispiellosen Kampagne wird die Ostpolitik der Sozialdemokraten auseinander genommen und die Autorität von Kanzler Scholz demontiert.

Zwar bekommt Scholz Rückendeckung vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron. “Wir haben die gleiche Strategie wie Kanzler Scholz: Wir helfen den Ukrainern auf maximale Weise. Aber sind sorgsam darauf bedacht, niemals Kriegspartei zu werden”, sagte Macron.

Doch weder Scholz noch Macron haben es verhindern können, dass die Politik in der EU immer bellizistischer wird. Sogar die EU-Spitze in Brüssel heizt die Stimmung an, indem sie die Ukraine zur Speerspitze von Demokratie und Freiheit erklärt.

Droht ein Atomkrieg?

Doch nicht nur verbal droht die Ausweitung des Krieges. Auch “on the ground” eskaliert die Lage. Während der Westen – Deutschland eingeschlossen – zunehmend schwere Waffen liefert, kündigt Russland die Einnahme des gesamten Donbass und der Südukraine an.

Dort droht eine Entscheidungsschlacht mit ungewissem Ausgang. Sollte Russland erneut in die Defenesive geraten wie in Kiew, könnte Kremlchef Putin zu taktischen Atomwaffen greifen, fürchten Scholz und Macron. Doch sie dringen kaum noch durch.

Wie es aussieht, wird nicht einmal die Chance zu einer Waffenruhe am 9. Mai genutzt. Kremlchef Putin will am “Tag des Sieges” Erfolge verkünden. Doch die EU und die USA wollen nicht klein bei geben – sie stellen sich auf einen langen Krieg ein…

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6 Comments

  1. european
    24. April 2022 @ 17:19

    Priti Patel ist ein pull-the-ladder migrant und sogar innerhalb der Tories ein rightwing MP. Wenn es gegen neue Immigranten geht, hat sie immer eine passende Idee.

    UK hat immer noch nicht seine Position in der Welt nach dem Brexit gefunden und hat ein großes Interesse an einer engen Zusammenarbeit mit den USA. Die legen sich wegen Assange kein Ei ins Nest, zumal die Engländer auch nicht kleinlich sind, wenn es um das Bombardement anderer Länder geht. Das hat schon Blair vorgemacht.

    Ich wäre extrem überrascht, wenn sie ihn nicht ausliefern würde.

    • ebo
      24. April 2022 @ 18:18

      Bei einer Assange-Rallye in Brüssel haben viele Redner an die EU appelliert, sich endlich einzuschalten und London an seine menschenrechtlichen Verpflichtungen zu erinnern. Dummerweise war nur ein irischer Europa-Abgeordneter der Linken da. Keine Kommission, kein Rat, keine EU-Korrespondenten (außer mir). Bitter.

      • european
        24. April 2022 @ 19:02

        Die irischen Linken sind sowieso sehr aktiv. Clare Daly spricht eine glasklare Sprache und die Art und Weise, wie sie den bulgarischen Nazi Angel Dzhambazki quasi aus dem Parlament verscheucht hat, bereitete mir großes Vergnügen.

        https://www.youtube.com/watch?v=2Wl5xs2EFeA

        Dass ansonsten alle durch Abwesenheit glänzen wundert mich nicht. Ginge es um Nawalny, wären sie höchstwahrscheinlich alle gekommen.

        Von der menschlichen Tragödie mal abgesehen, steht hier die westliche Pressefreiheit und der Whistleblowerschutz auf dem Spiel. Im Zusammenhang mit der zunehmenden Medienzensur sollten eigentlich alle Alarmglocken klingeln.

        Es ist furchtbar.

  2. Alexander
    24. April 2022 @ 13:52

    “Wenn sie es nicht bald tut, verspielt sie endgültig ihre Glaubwürdigkeit. Die ist leider schon jetzt angekratzt.”

    Das erinnert mich an die “immer tieferen Tiefpunkte” aus der Zeit des Nationaltrainers Rudi Völler!

    Klartext: Politiker, die offensichtlich im Dienst einer fremden Macht stehen und dabei grob gegen die Interessen ihrer Staaten handeln, sind in meinen Augen Hochverräter! (Ein mildere Bezeichnung für das Handeln dieser Leute kann ich leider nicht finden)

    “In einer beispiellosen Kampagne wird die Ostpolitik der Sozialdemokraten auseinander genommen”

    ->

    ‘Bundeskanzler Olaf Scholz sei mit seiner vergleichsweise zurückhaltenden Position gegenüber dem Ukraine-Krieg einem „Medientrommelfeuer“ ausgesetzt, „wie ich es noch nie erlebt habe“, sagte Verheugen. Auf Scholz laste ein „enormer Druck“ und sein Spielraum enge sich zusehends ein. Der konzentrierte internationale und mediale Druck, werde die Widerstandsfähigkeit des Bundeskanzler erschöpfen, „fürchte ich.“’

    https://matthias-krauss-potsdam.de/die-dame-spinnt/

    Und dann hätte ich noch etwas zum Thema “freie Bündniswahl”:

    https://blog.fefe.de/?ts=9c9ae39c

    • ebo
      24. April 2022 @ 14:02

      Tja, wir sind im Krieg (auch wenn alle so tun, als wären wir es nicht).

      • Alexander
        24. April 2022 @ 15:11

        Trotzdem kein Grund Hochverrat zu begehen, wie ich es nahezu täglich bei bestimmten “EU”-Gestalten, Politikern der früheren Friedenspartei oder dem ehemaligen Nachrichenmagazin beobachte! Ich habe wirklich zunehmend das Gefühl, mich in einem Alptraum zu befinden!

        Als jemand, der realistischerweise zugeben muss, mittlerweile in das letzte Lebensdrittel eingetreten zu sein, kann ich ein wenig vergleichen. Und ich sehe viele Anzeichen starken geistigen Verfalls [1], nicht nur beim Aushängeschild des Imperiums. Wirklich keine gute Voraussetzung, eine neue Kuba-Krise heil zu überstehen!

        Ich hätte auch noch Link zu Videos, die den psychischen Zustand des “Helden von Kiew” illustrieren und die nach meiner Einschätzung kein “Deep Fake” sind. Hat jemand Interesse?

        —

        [1] Beispiel von heute: Das Blatt für das “Bildungsbürgertum” titelt tatsächlich “Präsidentschaftswahl: Gut ein Viertel der Wählenden in Frankreich hat abgestimmt”. Die können offensichtlich keinen Meter mehr geradeaus denken! Link zur Überschrift: https://www.zeit.de/politik/deutschland/2022-04/frankreich-praesidentschaftswahl-marine-le-pen-emmanuel-macron