Brüssel rettet den Tourismus – pardon: TUI
Erst Lufthansa, nun TUI: Deutschland stützt seine in der Coronakrise angeschlagenen Konzerne mit immer neuen Milliardensummen. Pünktlich zu einer TUI-Hauptversammlung hat die EU-Kommission nun grünes Licht gegeben.
Erinnert sich noch jemand an den Mai 2020? Damals gelobte die EU-Kommission, alles zu tun, um den Bürgern den verdienten Sommerurlaub zu ermöglichen. Corona-Schnelltests, Tracing-Apps und offene Grenzen sollten den Tourismus retten.
Daraus wurde bekanntlich nichts. Kaum eine der versprochenen Maßnahmen wurden umgesetzt. Schon Ende Juli setzte in Belgien und anderen EU-Ländern die zweite Corona-Welle ein, ab August verhängte Deutschland immer neue Reisewarnungen.
Damit wurden nicht nur die Tourismusgebiete in Spanien unerreichbar – auch Unternehmen wie TUI kamen in Bedrängnis. TUI sei durch die Reisebeschränkungen über Nacht zu einem Unternehmen ohne Produkt und ohne Umsatz geworden, klagt Firmenchef Joussen.
Zum Glück gibt es die Bundesregierung, die den Konzern stützt. Sie hat ein 1,8 Mrd. Euro schweres Rettungspaket aufgelegt. Insgesamt sichert der Staat mit 4,3 Milliarden Euro die Existenz von TUI, knapp drei Milliarden davon kommen als Kredit von der Staatsbank KfW.
Bei diesen Summen kann einem schwindelig werden. Ich hätte deshalb kritische Worte der EU-Kommission erwartet, die die Nothilfe absegnen muß. Schließlich ist TUI nicht systemrelevant. Doch Wettbewerbskommissarin Vestager winkt den Rettungsplan ohne Auflagen durch.
Die Staatshilfe sei gerechtfertigt, weil sie die Insolvenz von TUI abwende, “die gravierende Folgen für die Beschäftigung in Deutschland und die deutsche Wirtschaft hätte”, erklärte die Brüsseler Behörde. Was sie nicht sagte: TUI ist auch ein “europäischer Champion”.
Ohne die Deutschen würde der Tourismus in halb EUropa zusammenbrechen, wie vor zwei Jahren bei der Pleite von Thomas Cook. Es gibt also auch ein europäisches Interesse. Doch muß man deshalb auch einen massiven Einstieg des deutschen Staats schlucken?
Und warum zwingt Brüssel den Konzern nicht, einige Unternehmensteile abzugeben? Warum fordert Vestager kein Konzept für einen neuen, nachhaltigen Tourismus? Wieso gibt es kein “Level-Playing-Field” bei den Staatsbeihilfen?
Deutschland protegiert seine Firmen in der Coronakrise mehr als jedes andere EU-Land. Den Rekord hält bisher die Lufthansa. Das Rettungspaket für den deutschen Flieger hatte ein Volumen von 9 Milliarden Euro – es dürfte nicht das letzte gewesen sein…
Siehe auch “Vestager hat der Mut verlassen”
European
5. Januar 2021 @ 22:06
Ich hab eher den Eindruck, dass es etwas mit den Aktionären zu tun hat. Wenn man bei TUI nicht aufpasst, ist es ansonsten ruckzuck in russischer Hand. Bisher hat Mordashow noch keine Sperrminorität und wenn jetzt, wie zu lesen, der Staat einsteigt, wird das wohl auch so bleiben. Er hatte schon vor der Krise vorgehabt, auf 30% Anteile aufzustocken.
https://www.tuigroup.com/de-de/investoren/aktie/aktionaersstruktur
https://de.marketscreener.com/kurs/aktie/TUI-AG-470539/unternehmen/
und hier aus 2018
https://www.deraktionaer.de/artikel/aktien/tui-wann-kommt-ein-uebernahmeangebot-397730.html
„TUI-Großaktionär und Aufsichtsratsmitglied Alexey Mordashov hat es wieder getan: Seit Jahren kauft er stetig Anteile am größten europäischen Touristikkonzern zu. Nun ist er fast bei der 25-Prozent-Marke angelangt. Jetzt fragen sich zahlreiche Marktteilnehmer, ob er auch bald die 30-Prozent-Marke erreichen will. Denn sollte er 30 Prozent der TUI-Anteile halten, müsste er den restlichen Aktionären ein Übernahmeangebot unterbreiten.“
Im „Aktionär“ klingt das noch relativ positiv, aber es ist fraglich, ob die Bundesregierung angesichts der angespannten Lage mit Russland wirklich ein Interesse an dieser Entwicklung hat.
ebo
5. Januar 2021 @ 22:12
Danke für den Hinweis. Die Rolle von Mordashow war mir nicht klar. Ob sie bei der EU Entscheidung eine Rolle spielte, geht aus der Mitteilung der Kommission nicht hervor
Abcdefg
5. Januar 2021 @ 15:09
Mal darüber nachgedacht, WARUM Deutschland das tut? Sicher nicht aus Großherzigkeit oder weil irgendjemandem an den entsprechenden Stellen die Arbeitsplätze der Menschen wichtig sind. Sonst würde das auf alle Bereiche zutreffen. Und das tut es definitiv NICHT. Hat es noch nie gegeben.
Nichts IST umsonst. Und es geschieht nichts „umsonst“.
Und es beginnt das Übel immer im „Kleinen“, hinter den Kulissen. Unmerklich. Und wuchert sich dann durch alle Ebenen durch.
Bis dahin wird man den aktuellen Zustand noch aufrechterhalten. U.a. um Abhängigkeiten zu erzeugen. Ein perfider Plan. Größenwahn. Manipulation, Kontrollzwang und Unterdrückung sind die Werkzeuge zur Machtkonzentration und materiellen Bereicherung einiger weniger.
Und alle machen mit. Und finden es so toll und „ehrenwert“. Wirklich?