Best of 2019: Sonneborn und die Realsatire
In der Europapolitik ist 2019 ungewöhnlich viel passiert. Brexit, Europawahl, neue EU-Kommission, Green Deal – die Zeichen stehen auf Wandel, vielleicht sogar Disruption. Sind dem nur noch Satiriker gewachsen? (Folge 10 von 10).
So richtig ernst nehmen konnte man die Europapolitik 2019 jedenfalls nicht. Das begann schon mit dem Wahlprogramm von EVP-Mann Manfred Weber, das durch absolute Beliebigkeit glänzte und in dem Versprechen mündete, den Krebs zu besiegen.
Auch die Selbstdarstellung der EU und ihrer Mitgliedsländer vor der Europawahl war fast schon Realsatire. In Deutschland wurde die EU als alternativlose Apotheose der europäischen Geschichte dargestellt, Europa wurde zur deutschen Staatsräson.
Ganz besonders tat sich dabei Außenminister Heiko Maas hervor. Der SPD-Politiker war es auch, der alles daran setzte, das Wahlrecht EU-weit so zu ändern, dass Splittergruppen und Kleinstparteien von der Wahl ausgeschlossen werden konnten.
Tatsächlich wurde das EU-Recht entsprechend angepasst – doch zu spät für die Europawahl. Und so kam es, dass der Satiriker Martin Sonneborn nicht nur wiedergewählt wurde, sondern auch noch Zuwachs bekam – in Gestalt von Nico Semsrott.
Die Hintergründe schildert Sonneborn in seinem Buch „Herr Sonneborn geht nach Brüssel – Abenteuer im Europaparlament“. Wir haben dazu einen Blogpost geschrieben („Darf Satire das, Herr Sonneborn?“), der es auf Platz 1 der meistgelesenen Beiträge schaffte.
Vor allem auf Twitter verbreitete sich der Post in Windeseile. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass Sonneborn als Europaabgeordneter mehr Beachtung in den „sozialen Medien“ findet als seine EU-Kollegen, so wurde er spätestens jetzt vollbracht.
Das freut mich sehr – schließlich beruht der Erfolg ja auf Gegenseitigkeit (Zwinker Smiley). Sonneborn zitiert mich und „Lost in EUrope“ mehrfach in seinem Buch. Vor allem in der Kritik an der Aufrüstung der EU sind wir uns einig.
Auch sonst spricht Sonneborn einige Wahrheiten über die EU aus, die man im offiziellen Diskurs nur selten hört – wenn überhaupt. In seinem jüngsten Interview („Wir holen uns neue Probleme in die EU“) klingt er fast schon bierernst…
Andreas
5. Januar 2020 @ 21:45
uuups – d.h. bei der nächsten EU-Wahl sind unter 5 % keine Sitze mehr möglich ? Ist das jetzt wirklich durch ??
zuletzt hab ich Die Piraten gewählt: hatten nen guten Job getan 2019… Davor Die Partei…immer gut die Berichte über das Kartell Europa… Diem25 war mir zuwenig überzeugend…
d.h. also: dieses sinnlose Getue, um dem ganzen nen demokratischen Anstrich zu geben, schlicht und endgültig sein lassen …
Kleopatra
1. Januar 2020 @ 10:23
Der deutsche Einsatz für ein Wahlrecht nach CDU/SPD-Geschmack zeigt, dass deutsche Politiker – auch wenn sie es nicht zugeben – die EU tatsächlich wie ein deutsches Reich behandeln, das Befehlen aus der Hauptstadt Berlin zu gehorchen hat. Bei vielen anderen EU-Mitgliedstaaten ist es völlig normal, dass das durch den Direktwahlakt geregelte Wahlrecht für das EP, weil es vom nationalen abweicht, ein sehr anderes Ergebnis erbringt als nationale Parlamentswahlen (das betrifft alle Staaten mit überwiegenden Wahlkreissystemen wie Frankreich, Ungarn etc., natürlich auch das jetzt austretende GB). Niemand findet etwas dabei, nur wenn es dazu führt, dass eine im deutschen Wahlverfahren zum Bundestag chancenlose Partei im EP vertreten ist, tun die GroKo-Parteien, als gehe die Welt unter, befehlen eine Anpassung des EP-Wahlaktes und die EU-Institutionen haben tatsächlich gekuscht.