Beschütze uns, EUropa?
Nach den Terrorattacken von Brüssel treffen sich mal wieder die EU-Innenminister zur Krisensitzung. Genau wie vor einem Jahr, nach Charlie Hebdo, und im Herbst, nach den Angriffen auf Paris.
[dropcap]A[/dropcap]uch von diesem Treffen ist nicht viel zu erwarten – man wird sich an längst gefasste, aber immer noch nicht umgesetzte Beschlüsse erinnern und engere Zusammenarbeit geloben.
Dass die EU tatsächlich für mehr Sicherheit sorgt, glaubt in Brüssel kaum noch jemand. In Berlin hingegen darf man noch träumen – wie mein Ex-Kollege M. Steinbeis im “Verfassungsblog”.
Unter dem Titel “Beschütze uns, Europa” liefert er ein Plädoyer für eine “richtige europäische Sicherheits- und Grenzkontrollunion”, auch ein Schengen 2.0 schwebt ihm vor.
Doch was, bitteschön, soll das heißen? Auch Frankreichs Premier Valls fordert eine Sicherheitsunion, sein italienischer Amtskollege Renzi sogar einen EU-Geheimdienst.
Doch bisher hat es die EU nicht einmal geschafft, ihre eigene Währung vor Angriffen zu schützen – siehe Eurokrise. Sie hat kein einziges der vielen Attentate seit 2001 verhindert oder aufgeklärt.
Zudem ist sie nicht demokratisch legitimiert und verfügt nicht annähernd über die nötigen “Checks and Balances”, um eigene Sicherheitskräfte oder gar Agenten einzustellen.
Budgetregeln stehen der Sicherheit im Wege
Wer mehr Sicherheit fordert, sollte daher nicht versuchen, Brüssel noch mehr Macht zuzuschustern. Er sollte lieber die Brüsseler Regeln ändern, die der Sicherheit im Wege stehen!
In Belgien wäre dies z.B. der unsinnige Stabilitätspakt samt Annexen (Six Pack etc.), der die Regierung derzeit zwingt, Milliarden einzusparen, obwohl Polizei und Dienste chronisch unterbesetzt sind.
In Frankreich und Italien hindert das Budget-Korsett die Regierungen daran, mehr für die Verteidigung zu tun. Paris und Rom wollen die Rüstungsausgaben aus den EU-Kriterien herausrechnen, Berlin ist dagegen.
Lieber Max Steinbeis, Du solltest Dich erst einmal mit der tristen Realität auseinandersetzen, bevor Du nach “mehr Europa” rufst – noch dazu in einem so hochbrisanten Feld…
kaush
25. März 2016 @ 11:39
Ich möchte das auch nicht als Beleidigung verstanden haben! Ich beschreibe wie ich das Geschriebene von peter nemschak verstehe. Aber es ist natürlich ein schmaler Grad auf dem ich mich hier bewege. Das ist mir klar. Ich glaube, dass ist eine unauflösbare Problematik von Diskussionen in Internetforen.
Der Wunsch, alle Böse Menschen auf eine ferne Insel (ersatzweise auf den Mond) zu verbannen, ist so verständlich, wie kindlich naiv.
Die tatsächliche Umsetzung kann nur Faschistisch / Rassistisch “gelingen”.
kaush
25. März 2016 @ 10:17
@Peter Nemschak
Was sie hier schrieben ist feinste faschistische und rassistische Ideologie.
Wer soll denn entscheiden, wer ins KZ kommt und wer nicht?
Wer entscheidet, wer ein anständiger Bürger ist und wer nicht?
Konsequenterweise sollte man auch gleich noch wertes und unwertes Leben definieren.
Mit jedem Terroranschlag scheint die Stunde der Dumm-Dumpfen näher zu rücken und es werden schnelle und radikale Lösungen gefordert – und damit ist man den Terroristen und Fundamentalisten im Geiste sehr nahe.
Anstatt “Hängt ihn höher” zu schreien, ist es viel vernünftiger, sich mit den Ursachen auseinanderzusetzen.
ebo
25. März 2016 @ 10:47
Bitte sachlich bleiben, keine Beleidigungen! Danke, ebo
Peter Nemschak
25. März 2016 @ 12:28
@kaush Nach österreichischem Staatsbürgerschaftsrecht verlieren Personen, die in das Militär eines fremden Staates eintreten, ihre österreichische Staatsbürgerschaft. Heimkehrer vom Dschihad könnten als ausländische feindliche Kämpfer qualifiziert und bis zum Ende des Kriegs gegen den IS interniert werden. Das hat mit Rassismus nichts zu tun, bloß mit einem konsequenten und harten Vorgehen gegen islamistische Kämpfer. Es stellt sich die Frage, wo die Grenzen zwischen Frieden und Krieg verlaufen. Im Krieg gilt das Kriegsrecht, in Frieden das zivile Recht. In Zukunft werden angesichts der Vielzahl der Akteure die Grenzen noch mehr als heute verschwimmen. Der Kampf um die individuelle Freiheit und Verantwortlichkeit der Staatsorgane gegenüber dem Bürger wird sich in Zukunft verstärkt stellen. Absolute individuelle Freiheit (was ist schon absolut und wo wird die Beeinträchtigung der persönlichen Freiheit zur Last?) und Sicherheit gleichzeitig ist nicht zu haben. Es wird immer einen trade-off geben.
ebo
25. März 2016 @ 14:03
Lieber Herr Nemschak, nehmen Sie es mir nicht übel, aber ich mache jetzt mal eine Pause mit Ihren Kommentaren. Sie reden jetzt über Krieg und Deportation, das ist nicht das Thema. Außerdem schicken Sie Ihre Kommentare im Minuten-Takt. Das wird einfach zu viel…
winston
24. März 2016 @ 18:28
Und in Frankreich gehen die Proteste gegen die “loi travaile” (die französische Agenda 2010) unvermindert weiter. Wünsche Monsieur Holland gutes gelingen. All zu lange wird Frankreich diese enorme Handelsbilanzdefizite nicht mehr durchhalten können. Irgend wann muss die Korrektur anfangen, dann geht’s an die Substanz und es wird richtig schmerzlich. Aber wie sagte schon Padoan (Ital. Finanzminister) “man muss die Völker Europas wieder an die härte des Daseins gewöhnen”. Vermute das sein französische Kollege hier nicht gross widersprechen wird.
https://twitter.com/syndicalisms/status/712993947103195136
Die EU und die Euro-Zone gehören abgewickelt, nur so kann Europa wieder zurück zu Prosperität, Wachstum und Wohlstand kommen.
Peter Nemschak
24. März 2016 @ 19:16
Was haben Sie gegen einen föderalen Bundesstaat Europa? Der wäre ein Kaliber auf Augenhöhe zu den anderen Großmächten.
Peter Nemschak
24. März 2016 @ 13:21
@ebo Wo steht, dass bei der Sicherheit gespart werden muss?
ebo
24. März 2016 @ 14:02
Bei der Sicherheit wird schon seit Jahren gespart, übrigens auch in Deutschland. Die EU hatte dagegen nichts einzuwenden, obwohl sie die nationalen Haushalte genau unter die Lupe nimmt…
Peter Nemschak
24. März 2016 @ 11:35
Was heißt weiter kürzen? Doch nicht bei der Sicherheit. Ich frage mich, warum es nicht schon längst Anhaltelager für Heimkehrer vom Dschihad und erwiesene Sympathisanten gibt. Während der Weltkriege wurden Bürger von Feindstaaten in Anhaltelagern festgehalten, wobei der “feindliche Personenkreis” damals relativ weit gefasst war. Es werden sich wohl Inseln vor den Küsten Europas, vorzugsweise weit im Norden, finden lassen, von wo diese Personen nicht so leicht davon laufen können. Die anständigen Bürger zu schützen heißt die unanständigen zu entfernen. Der Kampf gegen den IS lässt sich durchaus als Kriegszustand definieren mit all den Regeln, die in einem solchen Zustand zur Anwendung kommen.
ebo
24. März 2016 @ 11:38
Helgoland böte sich an… 😉
Peter Nemschak
24. März 2016 @ 11:51
Zu nahe und klimatisch zu einladend, daher ungeeignet als Verbrecherinsel. Jedenfalls hat man unter dem Ausnahmezustand mehr Möglichkeiten gegen bestimmte Personengruppen vorzugehen. Der Ausnahmezustand in Frankreich hat den Behörden geholfen Attentate zu verhindern und dem Durchschnittsbürger nicht geschadet. Es gibt einen trade-off zwischen persönlicher Freiheit und Sicherheit, Zeiten, in denen die Sicherheit Vorrang hat, derzeit zumindest bis der IS ausgelöscht ist.
Max Steinbeis
24. März 2016 @ 10:32
Eric, wir kennen uns schon lange. Aber jetzt bleibst Du unter Deinem Niveau, finde ich ehrlich gesagt.
Dass die EU nicht in der Lage ist, für unsere Sicherheit zu sorgen, ist die “triste Realität”, die Du meinst, vermute ich mal – I couldn’t agree more. Trist wird die Realität dadurch, dass Leute, die als Djihadisten polizeibekannt sind, mal hier auftauchen und mal dort im Schengen-Raum, und die Polizei, die sie hier kontrolliert, hat keine Ahnung davon, was man dort über diese Leute schon längst weiß, und am Ende gelingt es einer Bande abgebrannter Gestalten aus Molenbeek, nicht nur einmal, nein ZWEIMAL eine europäische Kapitale buchstäblich in die Luft zu sprengen.
Die EU kann uns davor nicht schützen? Sie konnte noch nicht einmal “ein einziges der Attentate seit 2001 aufklären”? Eric, ernsthaft jetzt? Die Beobachtung ist völlig korrekt, aber wenn daraus irgendwas folgt, dann doch nur, dass wir dafür sorgen sollten, dass sie es künftig kann. So wie Du argumentierst, müsstest Du auch jemandem, dem die Beine abgefahren worden sind, die Operation verweigern: den operieren, pah, der kann ja noch nicht mal auf seinen zwei Beinen zum OP-Tisch laufen…
Als langjähriger Brüsselkorrespondent bist Du zweifellos vertraut mit dem seit Jahrzehnten geübten Spiel der mitgliedsstaatlichen Regierungen, für jeden eigenen Fuck-up anklagend nach Brüssel zu zeigen und dort die Verantwortung dafür abzuladen. Du weißt natürlich auch, dass die EU in diesem Bereich überhaupt keine nennenswerten Zuständigkeiten hat. Sie hat eben kein FBI und keinen Geheimdienst, den haben nur die Mitgliedsstaaten. Die müssten halt miteinander reden, aber das müssen sie seit Jahren und tun es einfach nicht. Das ist die triste Realität, Eric, und die bringt mich und Juncker und Renzi und einen Haufen andere auf die nicht besonders originelle Idee, dass, wenn bloße Kooperation und Koordination so offensichtlich nicht funktioniert, man vielleicht mal etwas anderes probieren sollte.
Und was dein Argument betrifft, die Sixpackverordnung habe Belgien gezwungen, ihre Polizei kaputtzusparen: Glaubst Du wirklich, das ärgste Problem der belgischen Exekutive sei ihre Armut?
ebo
24. März 2016 @ 11:08
@Max Nein, ich bin auf EU-Niveau. Ich beobachte sehr genau, wie die Innenminister Probleme vor sich hinschieben, De Maizère ist ein Meister darin. Er wurde ja in den letzten Wochen sogar offiziell von seiner Kanzlerin entmachtet, Stichwort Flüchtlingskrise. Ich beobachte auch sehr genau, was in Brüssel und Paris passiert. In Frankreich ist das Problem, dass die Behörden die Daten, die sie bei ihren Terror-Ermittlungen erfassen, schlicht und einfach nicht mehr verarbeiten können, es gibt auch immer noch nicht genug Personal zur Überwachung. In Belgien haben wir es mit innerstaatlichen strukturellen Problemen zu tun, aber auch mit einer krassen Unterfinanzierung der Sicherheitskräfte. Die “bessere Zusammenarbeit der Geheimdienste in der EU2, die auch DU wohl forderst, hätte bei Abdeslam & co, nichts gebracht: Belgien war von Frankreich, den USA und Israel gewarnt, von den Geheimdiensten. Die Belgier sind schlicht überfordert. Aber auf Druck der EU müssen sie weiter kürzen…
S.B.
24. März 2016 @ 11:36
Wir brauchen kein Europa (gemeint ist die EU), das uns beschützt. Die EU ist ein Staatenbündnis, dass nur soweit funktioniert, wie die Interessen der daran teilnehmenden Nationen übereinstimmen. Dagegen ist die EU ist kein (Bundes-) Staat. Ihr fehlen dementsprechend die essenziellen Merkmale eines Staates (Staatsgebiet, Staatsvolk, Staatsgewalt). Mit Blick auf Merkmal eins und drei, ist sie gar nicht dazu in der Lage, staatliche Aufgaben – hier die Gewährleistung der Sicherheit – wahrzunehmen. Dies Aufgabe verbleibt somit in der nationalen Zuständigkeit. Dort werden die erforderlichen Schutzvorkehrungen (insbesondere die nationale Grenzsicherung und damit einhergehenden Kontrolle der Zuwanderung) aber trotz der organisatorischen Möglichkeiten und der diesbezüglichen rechtlichen Verpflichtung ebenfalls nicht umgesetzt. Grund dafür ist, dass der linksgrün-internationalistisch ausgerichtete Polit-Mainstream unbeirrt und um jeden Preis (bis hin zum Terror), weiter an seinem wirklichkeitsfremden Mantra der “offenen Gesellschaft” festhält. Und zwar trotz der immer offensichtlicheren Fehlentwicklungen. Zur Erreichung dieses Zieles, verletzen die verantwortlichen Politiker in den Nationalstaaten ihren Amtseid und begehen damit Hochverrat gegenüber ihrem Volk. Es fehlt nicht an einem Europa (= EU), das uns schützt, sondern an nationalen Regierungen, die ihre Völker beschützen.
winston
24. März 2016 @ 12:47
Excellenter Post.
Peter Nemschak
24. März 2016 @ 12:47
@max steinbeis Für ebo ist der Neoliberalismus und seine Folgen an allem Unglück dieser Welt schuld. Daher sein ewiges ceterum censeo…
ebo
24. März 2016 @ 13:08
Komisch, das Wort Neoliberalismus taucht in meinem Post gar nicht auf… Habe gerade die belgische Zeitung “Le Soir” gelesen, das Land muss in den nächsten drei Jahren schlappe 7 Mrd. Euro einsparen, um die EU-Vorgaben zu erreichen. So, und nun kommen sie mal auf eine belgische Polizeistation, dann werden Sie sehen…