Johnson will Europa verteidigen – ausgerechnet
Zwei Jahre nach dem Brexit hat der britische Premier Johnson überraschend seine Liebe zu Europa entdeckt. Er kündigt eine “massive” Militärintervention an, um die Ukraine gegen Russland zu verteidigen. Was soll das?
Johnson bot der Nato an, die Zahl der britischen Soldaten in der Region zu verdoppeln, um auf die angeblich zunehmende “russische Feindseligkeit” gegenüber der Ukraine zu reagieren. Außerdem will er neue, noch massivere Sanktionen vorschlagen.
Damit könnte er eigentlich zuhause in London anfangen. Denn in “Londongrad” werden Milliarden aus Russland angelegt, oft aus dubiosen Quellen. Bisher hat dies die britische Regierung kaum gestört – schließlich war es ein “gutes” Geschäft.
Ziemlich verlogen wirkt auch das Kriegsgeschrei des Tory-Führers. Es erinnert nicht nur an die fatale britsche Rolle im Irakkrieg, sondern wirft auch die Frage auf, seit wann sich Johnson für die europäische Sicherheit und Verteidigung interessiert?
Solange UK noch Mitglied der EU war, standen die Briten in der Verteidigungspolitik stets auf der Bremse. Auch in der Nato haben sie sich nicht besonders engagiert, seit dem Beginn der Ukraine-Krise 2014 hat man wenig aus London gehört.
Umso mehr ärgert man sich in Berlin und Paris nun, dass ausgerechnet der Ober-Brexiter Johnson seine “europäische” Ader entdeckt – und noch dazu die diplomatischen Bemühungen konterkariert, die gerade mit Moskau anlaufen.
Was steckt dahinter? Zwei Motive lassen sich finden – ein innen- und ein außenpolitisches. Innenpolitisch geht es Johnson offensichtlich darum, von seinem “Partygate” abzulenken und den drohenden Rücktritt abzuwenden.
Außenpolitisch will er die britische “Leadership” wiederherstellen, die London nach dem Brexit verloren hat. Zu dumm nur, dass er dies an der Seite der USA tut. Damit trägt Johnson, bewußt oder unbewußt, zur Spaltung der EU bei.
Denn er wirbt vor allem um die bellizistischen Osteuropäer – und übergeht die diplomatischeren Deutschen und Franzosen. Doch das kennen wir ja schon, im Irakkrieg war es genauso. Damals sprach man von “neuen” und “alten” Europäern…
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P.S. Der Kreml hat die angekündigte Ausweitung der britischen Sanktionen scharf verurteilt. Es gehe um einen “unverhüllten Angriff auf die Wirtschaft”, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Die Briten befeuerten damit “massiv die Spannungen auf dem europäischen Kontinent”. Manchmal hat man in der Tat den Eindruck, wir befänden uns mitten in einem Wirtschaftskrieg…
Robin
1. Februar 2022 @ 09:53
Korrekte Interpretation seiner Motive. Johnson hat sich nach dem Brexit eng an den großen Bruder USA gekuschelt und erhält von dort nun folgerichtig seine Anweisungen.
Kleopatra
1. Februar 2022 @ 08:35
Dass osteuropäische Staaten Russland eher misstrauen, dafür gibt es gute Gründe. Die Polen etwa haben nicht vergessen, wie Deutschland und Russland bzw. die Sowjetunion ihren Staat untereinander aufgeteilt haben und insofern klingt es aus polnischer Sicht merkwürdig, wenn deutsche Politiker sich gutnachbarliche Beziehungen zu Russland wünschen. Mit Bellizismus hat das nichts zu tun, da dort niemand so wahnsinnig wäre, Russland angreifen zu wollen, aber einen russischen Angriff fürchten sie und halten ihn nicht für völlig unplausibel.
european
31. Januar 2022 @ 15:16
Tja…
Wem das Wasser bis zum Halse steht, der sollte den Kopf nicht hängen lassen. 😉
Johnson approval rating:
https://yougov.co.uk/topics/politics/trackers/boris-johnson-approval-rating
Es wird ihn nicht erschüttern.
ebo
31. Januar 2022 @ 15:24
Ich fürchte, genau das macht ihn jetzt gefährlich. Bei Biden sieht es ja nicht viel besser aus…