Planspiele für die Kriegs-Ökonomie
Bisher stand die EU für Liberalisierung und Globalisierung. Doch nun dreht der Wind. Polen fordert eine Energieunion, um die Abhängigkeit von russischem Gas zu verringern. Russland reagiert mit Planungen für eine autarke Wirtschaft. Es ist der Einstieg in eine Kriegs-Ökonomie.
Die EU-Sanktionen gegen Russland waren von Anfang an keine gute Idee. Die EU ist in der Ukraine Partei und sollte sich deshalb nicht auch noch zum Richter aufspielen.
Zudem ist Europa den Folgen harter Sanktionen nicht gewachsen. Die Eurokrise steckt uns noch in den Knochen, einen Handelskrieg können wir uns einfach nicht leisten.
Wohin das Drehen an der Sanktionsspirale führt, erleben wir dieser Tage. Polen fordert, eine von Russland unabhängige “Energieunion” zu schaffen. Nebenbei will es Kohlestrom und Fracking fördern.
Und Russland legt Pläne für eine vom Westen autarke Wirtschaft auf. Die Gasexporte sollen nach China umgeleitet werden, die Finanzwirtschaft wird renationalisiert und sogar eine eigene Ratingagentur ist vorgesehen.
Beides sind Vorboten einer Kriegs-Ökonomie. Selbst wenn die EU selbst nicht in den Handelskrieg einsteigt, bereiten ihn die USA aktiv vor. Der Finanzkrieg gegen Moskau hat ja schon längst begonnen.
Natürlich sagt uns dies in Brüssel niemand. Offiziell hängt man ja immer noch der neoliberalen Ideologie von Liberalisierung und Globalisierung an. De facto hat die De-Globalisierung begonnen.
Und das alles für die Ukraine? Natürlich nicht. Es geht hier um mehr, um viel mehr. Worum? Tja. In der Geschichte war die Kriegs-Ökonomie immer der Einstieg in den Krieg.
Wird es diesmal anders sein? Noch zögert die EU…
photo credit: Thawt Hawthje via photopin cc
Peter Nemschak
25. April 2014 @ 07:53
@zustimmender Leser Das Prinzip Wettbewerb mit der NS-Ideologie in Verbindung zu bringen, klingt originell, ist aber lächerlich.
fufu
24. April 2014 @ 08:36
Nicht Rueckschritt sondern Fortschritt. Ich leugne nicht den Wettbewerb, sondern lehne den unkontrollierten Wettbewerb ab, Prioritaet der Politik gegenueber der Finanzwirtschaft.
Apropo “mehrheitsfaehig”, hier empfehle ich eine Volksbstimmung ueber die EU.
Tim
24. April 2014 @ 09:35
@ fufu
Es gibt übrigens kaum eine Branche, die so kontrolliert und reguliert wird wie die Finanzwirtschaft. Resultat sind immer größere Finanzinstitute, da kleinere Institute kaum die Kapazitäten haben, mit dem Regulierungsdickicht zurechtzukommen.
Wer weniger Wettbewerb fordert, macht sich praktisch in allen Branchen zum Handlanger der Großunternehmen. Manchmal unbewußt, oft aber auch im Auftrag.
zustimmender leser
24. April 2014 @ 11:08
Nein, die Mono- und Oligopolbildung ist nur das natürliche Resultat genau dieser Wettbewerbsideologie und des Marktes. Am Ende setzt sich meistens einer (der größte) durch und kriegt den ganzen Kuchen. Haben wir etwa bei den Suchmaschinen im Internet erlebt, da gab es anfangs auch mehrere. Heute kontrolliert da Google alles. Es traten verschiedene soziale Netzwerke gegeneinander an. Heute haben wir – Facebook. Betriebssysteme – MS und Apple (und das unkommerzielle kooperative Linux für die Profis). Es gibt x weitere Beispiele.
Genau das bewirkt hier der Markt, und daher muss ihm dann ständig ins Handwerk gepfuscht werden und (staatliche!) Kartellbehörden müssen dann künstlich einen Pseudowettbewerb wiederherstellen, wo eigentlich keiner mehr war. Soviel auch zur “unsichtbaren Hand”, der man nur ihren Lauf lassen soll…
Und nur nebenbei: Wenn sich Großbanken sich passende Gesetze “kaufen” können, ist das doch auch Markt – oder nicht?
zustimmender leser
24. April 2014 @ 11:10
Und wenn wir uns mal die Politik der Groko vor der Finanzkrise ansehen: “Deregulierung des Bankensektors. Förderung innovativer Finanzprodukte”.
Tja.
Peter Nemschak
25. April 2014 @ 07:47
Generell gibt es zumindest in Europa eine notorische Überkapazität bei den Banken, was diese in spekulative finanzanlagen treibt. Größe ist nicht zwingend schlecht, solange der Wettbewerb funktioniert. Neben den Banken gibt es eine Unzahl von Finanzdienstleistern, die sich der Regulierung überhaupt entziehen. Mehr und mehr Dienstleistungen werden auf Grund der technologischen Möglichkeiten überhaupt von branchenfremden Anbietern wahrgenommen (Telecom-Unternehmen).
fufu
23. April 2014 @ 20:18
Das Streben nach einer weitgehend autarken Wirtschaft, d.h. Verzicht auf nutzlose oder schaedliche Importwaren wie Smartphones oder genetisch modifiziertes Saatgut oder gar westliche Finanzprodukte, insbesondere in Verbindung mit einer Entdollarisierung der Exporte wuerde der russischen Wirtschaft sicher nuetzen. Eine arbeitsteilige globalisierte Weltwirtschaft ist nicht im Interesse souverainer Nationen.
Peter Nemschak
24. April 2014 @ 07:48
Damit leugnen Sie die Funktion des Wettbewerbs als Motor des Fortschritts, auch in Bereichen, die Sie vielleicht als nützlich erachten. Ob Ihr Vorschlag einer Rückkehr ins Biedermeier mehrheitsfähig ist, wage ich zu bezweifeln. Im übrigen wird niemand gezwungen ein Smartphone zu haben.
zustimmender leser
24. April 2014 @ 10:58
Unsere Zivilisation ist durch Kooperation und Kommunikation entstanden. Wettbewerb finden wir dagegen auch überall im Tierreich. Der zeichnet den Menschen nicht speziell aus. Die Idee, das darwinistische Dogma des “Survival of the fittest” auf den Menschen zu übertragen, bedeutet nichts anderes als unmenschliche Barbarei und stammt aus dem NS-Gedankengut. Am Ende steht dann die Frage: Wen brauchen wir, wen nicht, wer nützt uns, wer nicht.
Außerdem funktioniert es ja nicht einmal so wie immer behauptet. Ansonsten müssten ja heute durch den verstärkten Wettbewerb der letzten 10, 20 Jahre überall die besten Produkte, die fähigsten und fleißigsten Menschen, und die besten Ideen ganz “vorne” sein. Wir erleben aber etwas anderes, in Wirklichkeit bestärkt dieser Wettbewerb eher Selbstvermarkter, Opportunisten, Blender und Hochstapler, oder Ramschprodukte, die mit viel Marketing an den Kunden gebracht werden. Und auch bei den Ideen tut sich nicht viel, weil der Neoliberalismus selbst den Wettbewerb mit anderen Ideen und demokratische Voten in Wirklichkeit ja scheut, und sich daher den eigenen Wettbewerbsregeln an dieser Stelle selbst immer entzieht. Alles darf und muss zur Disposition stehen – nur er selbst nicht.
Dafür gibt es nun 5 Postdienste und 9 Mobilfunkanbieter jeweils mit eigenen Zustellern, bzw. Handymasten, etc. Die Leistungen sind dabei jeweils ähnlich mittelmäßig wie zuvor, man wetteifert nur beim Lohndrücken und bei den Preisen für die Angebote. Was für eine Verschwendung von Infrastruktur und Ressourcen und menschlicher Arbeitskraft. Innovation entsteht durch Neugier und spielerisches Verhalten, und durch Kooperation, Austausch. Das haben die engstirnigen Neoliberalen nie begriffen. Die großen Erfinder, Wissenschaftler, Philosophen und Künstler der Menschheit haben ihre Innovationen nur selten gemacht, weil sie schnell reich werden wollten. Und die, die schnell reich werden, tragen meistens wenig zur Weiterentwicklung der Menschheit bei, öfter noch zu deren weiterer Verblödung.
Andres Müller
23. April 2014 @ 19:46
Interessant ist ja das in Europas Süden via Sonnenenergie genügend Strom zur Güterproduktion gegeben wäre -sofern man tatsächlich eine Union wäre. Aber das will man natürlich nicht, lieber in Polens Winter die Kohlekraftwerke anschmeissen und in Deutschland dank der oligarchengnädigen Vermittlung von Altkanzler Schröder heimlich die Pipeline zu Russland geöffnet halten. Europa ist gar keine Union, auch wenn jedes zweite Wort mit ihr propagandistisch verbunden wird. Es gibt keine wirkliche Bankenunion, keine Sozialunion (die schon gar nicht) und eine Energieunion ist wohl der letzte Schrei hin zur Verblödung unter dem im eigenen Land abgetakelten Junker.
Peter Nemschak
24. April 2014 @ 07:51
Die Frage der Sonnenenergie aus dem Süden könnte als (unbeabsichtigte) Folge der Ukrainekrise aktuell werden. Die Geschichte ist nicht vorhersehbar. Im nachhinein lässt sich vieles durch Verschwörungstheorien erklären.
Peter Nemschak
23. April 2014 @ 19:10
Auch mir gefällt es in Europa am besten, ein Punkt, wo ich mit Ihnen völlig einig bin. Tragen wir zu einer hohen Wahlbeteiligung bei, um die Legitimität der EU zu stärken.
zustimmender leser
23. April 2014 @ 17:07
Ich empfinde keinen Hass gegenüber den USA, wie soll man denn ein ganzes Land hassen, und warum sollte man das tun? Ich finde ihr politisches und wirtschaftliches System und die Weise, wie sie es dem Rest der Welt aufnötigen, sehr fragwürdig, ja. Dieses ganze Sendungsbewusstsein bei all den internen Problemen, die dieses tief gespaltene Land hat. Das bedeutet aber überhaupt nicht, dass ich deswegen zum Russland-Fan werde oder die Schwächen des dortigen Systems übersehe, ob autoritäre Strukturen, das Bündnis von Staat und Kirche, den Umgang mit Opposition. Da mögen die USA intern etwas “hellgrauer” sein, in der Außenwirkung dann allerdings nicht mehr. Am besten gefällt es mir trotz allem noch in Europa, wo ich herkomme.
Wie gut der US-Mittelstand im Vergleich so dasteht, kann man ansonsten ja heute in den Medien lesen.
rundertischdgf
23. April 2014 @ 14:54
Abhängigkeiten? Wenn wir erstmal abhängig sind von Landräubern, die sich guten landwirtschaftlichen Boden unter den Nagel reißen, erst dann merken wir an welchen Fäden wir hängen.
http://rundertischdgf.wordpress.com/2014/04/23/holt-die-europaabgeordneten-mit-offentlichen-fragen-hinter-der-fichte-hervor/
Peter Nemschak
23. April 2014 @ 14:48
@zustimmender Leser und andere sich durch den Kapitalismus verfolgt fühlende Kommentatoren
Mir scheint, Sie sind vor lauter Hass auf die USA, Konzerne und andere Gespenster auf dem russischen Auge blind, was niedergeknüppelte Demonstrationen betrifft. Was den Exportwahn betrifft, hat dieser nicht nur viele Arbeitsplätze in Deutschland sondern in anderen EU Ländern, vor allem im Osten, geschaffen. Dass die Interessen der USA aber auch Russlands nicht notwendigerweise ident mit denen Europas sind, ist eine Tatsache, ebenso, dass der Durchschnittsbürger in den USA und der EU materiell besser gestellt ist als in Russland.
thewisemansfear
23. April 2014 @ 13:35
Hat jemand nach Hintergründen der Krise gefragt? Mir kommen da spontan Gedanken bzgl. Monopolstellung des Dollar (“It’s our currency, but it’s your problem.”). Jede Regierung/jeder Machthaber, der an diesem Monopol zu kratzen gewagt hat, war danach nicht mehr lange an der Macht… Iran/Irak, Lybien, Venezuela usw. Und jetzt eben auch Russland mit der vor Jahren schon angekündigten Loslösung vom Dollar bei Öl- und Gasgeschäften.
Die Leistungsbilanzdaten der USA sind hoffentlich jedem bekannt. Haben die Handelspartner nun tiefes Vertrauen in die USA, oder ist es eventuell die Furcht vor den Konsequenzen, die sie bei der Stange hält?
Diese Interessenskonflikte auszuleuchten wäre eigentlich Aufgabe “echter” Medien, aber was will man von z.B. von Atlantik-Brücken Schreibern erwarten? Sicherlich kein Szenario, wie es hier entworfen wird: http://www.counterpunch.org/2014/04/22/putin-petrodollars-and-canadas-useful-idiot/
zustimmender leser
23. April 2014 @ 17:01
Naja, das ist immer der Versuch, das aktuelle Geschehen rund um die Ukraine auf einen einzigen Nenner zu bringen (“das Öl!”, “die Pipeline!”, “der Dollar!”), und so “die eine” Ursache zu finden, die hinter allem steckt. Ich glaube nicht, dass es sich so monokausal verhält. In meinen Augen ist es ein ganzes Bündel von Interessen, wirtschaftliche (Nuland vor Chevron-Werbeaufsteller) wie politische, auf EU-Seite wie seitens der USA, die sich hier überschnitten haben oder auch nicht (Spaltung Russland-EU liegt allein im Interesse der USA).
Aber wenn man schon so etwas wie ein Leitmotiv sucht, das vor allen anderen Interessen kam, dann würde ich mal Zbigniew Brzeziński (Präsidentenberater) und sein “Grand Chessboard” anschauen, und die Schlüsselrolle, die in seinem Denken die Ukraine bei der Schwächung Russlands als “Konkurrenzimperium” hat. Darum geht es wohl seit Ende der Sowjetunion, vgl. auch “orangene Revolution”, OTPOR etc. Also, banal gesagt, mit der Kontrolle über die Ukraine (und dann in Asien) entscheidet sich endgültig, ob es eine Pax Americana und unipolare Weltordnung gibt, oder eher etwas anderes, multipolareres. Das erklärt ja auch, warum sie da so hysterisch hinterhersind, und dabei alle Masken fallen lassen. Pure Geopolitik also.
Dazu kommen dann aber, wie gesagt, diverse wirtschaftliche Interessen, die da gut dazu passen, oder den ganzen Spaß gar mit finanzieren: “Public-private partnership”, sozusagend. Jetzt will man natürlich die Rendite der Investitionen sehen, und nun steht da “der Russe” auf der Matte. Der Bevölkerungswille der in Ukraine kommt da nur am Rand vor, wird benutzt wo opportun (Maidanbewegung), oder von sich gewiesen (Ostukraine: alles “grüne Männchen” aus Moskau ferngesteuert, eine eigene Meinung hat da wohl dann niemand zu haben).
winston
23. April 2014 @ 12:45
Die EU/EZ ist ein völlig instabiles Gebilde, während Russland, USA und China kompakte und geschlossene Staaten mit eigener Währung und Monetäre Hoheit sind, somit viel schneller und umfassender auf äussere und innere Shock’s reagieren können. Die EU bzw. die EZ bastelt mittlerweile schon 6 Jahre an der Eurokrise rum, die alles andere als gelöst ist, das ist einmalig.
Die EU und die EZ im speziellem wird von Phantasten und knallharte Geschäftsmänner regiert die über Leichen gehen.
Zudem ist die EU durch ihren Exportwahn völlig vom Ausland abhängig und dadurch erpressbar, sei es von Russland, USA oder China, selbst China will mittlerweile seine Exportabhängigkeit reduzieren indem sie den Binnenmarkt stärkt.
Die EU ist nichts anderes als ein Spielball, sei es für die USA aber auch für Russland, sehr leicht zu delegieren. Die Leidtragenden werden die 500 Mio. Europäer sein.
Tim
23. April 2014 @ 11:23
Es gibt zwei klare Sieger der Ukraine-Krise: Putin und die USA. Die europäischen Polit-Amateure haben sich wieder mal hinters Licht führen lassen und bis heute nicht gemerkt, welches Spiel die USA spielen. Dort wünscht man sich seit langem eine schöne, einfache, duale Welt wie im Kalten Krieg: hier die Guten (natürlich wir), dort die Bösen (natürlich Rußland + China). Die Rußland-Politik der USA verfolgt seit mehr als 20 Jahren genau dieses Ziel. Und da keines der europäischen Lämmchen einen eigenen Kopf hat, trotten die EU-Staaten brav hinterher.
Peter Nemschak
23. April 2014 @ 11:43
Es geht nicht um Gut oder Böse, aber um Werthaltungen, die im Westen und Russland sehr unterschiedlich sind. Dass Putin der untergegangenen Sowjetunion nachtrauert, spricht für sein Großmachtgehabe. Dass die EU als Staatenbund von 28 Mitgliedern nicht das gleiche machtpolitische Gewicht wie die USA oder Russland auf die Waage bringt, ist nicht verwunderlich. Nur sehe ich keinen Grund für agressiven Antiamerikanismus, der unter den Kommentatoren diese Blogs weit verbreitet zu sein scheint.
zustimmender leser
23. April 2014 @ 12:40
Können Sie mal im Einzelnen erläutern, wo die großen “Wertunterschiede” zwischen dem heutigen Russland und den USA bestehen soll? Hirnloser Jubel-Patriotismus – check, am wichtigsten sind die Werte auf den Bankkonten der oberen 10.000 – check, “gelenkte Demokratie” und Oligarchen – check. Niedergeknüppelte Demos – check. Sicherheitsapparate an der Grenze der Rechtsstaatlichkeit – check. “Die guten USA”. Das sind doch die Klischees von gestern. Ich habe mir mal youtube-Kommentare unter russischen Videos angesehen – sorry, kann in dem Gepöbel und den Diskussionen wertemäßig keinen besonderen Unterschied zu “unseren” Leuten erkennen. Des einen Putin ist eben des anderen Bush. So what. Und kommen Sie mir hier nicht mit “Antiamerikanismus”, wenn ich hier grottige US-Außenpolitik kritisiere. Das “Land of the free”, von dem Sie da noch träumen, gibt es spätestens seit dem 11. September nicht mehr, und die politische Kultur der USA kann heute sicher auch nur als Abschreckungsbeispiel dienen. Warum soll man sich ohne Not noch weiter an diesen taumelnden Koloß hängen, wenn es doch nie ein Verhältnis auf Augenhöhe war. Warum sich weiter von ihm manipulieren lassen? Hat die EU das nötig? Der ganze Mist begann, als Victoria Nuland die neue Regierung der Ukraine “plante”. Wir haben auf die Politik der USA keinen Einfluß und haben sie nicht gewählt, daher hat sie hier auch nichts zu melden. Die lächerlichen Imperiums-Träume gehen doch auch den Durchschnittsamis am Allerwertesten vorbei. Und genau um die geht es aber bei der Ukraine. Von wegen “Antiamerikanismus”: Die wirkliche Front verläuft hier zwischen “Bevölkerung” und “Politik, Medien, Thinktanks, Konzerne”, in allen Ländern. Und wir sind in der Mehrheit…
Tim
23. April 2014 @ 12:58
Die USA haben ihre Containment-Politik nach dem Ende der Sowjetunion nahezu unverändert an Rußland weiterexerziert. Rußland wurde nie ernsthaft eine echte Partnerschaft in Aussicht gestellt, was aber angesichts eines zutiefst verunsicherten russischen Volkes die einzig plausible Politik gewesen wäre. Auf diese Weise hat man erst das Phänomen Putin gefördert und tut nun alles, damit er mit seiner halbstarken Politik weiter in seiner Wählerschaft punkten kann.
Das hat nichts mit Antiamerikanismus zu tun (schon gar nicht mit “aggressivem”), sondern ist einfach eine Beschreibung der westlichen (d.h.: amerikanischen) Politik nach 1991.
Es bezweifelt doch niemand, daß Putin ein autoritärer Präsident und schlecht für sein Land ist. Aber er und seine Politik sind zu ganz erheblichen Teilen auf die westliche Rußland-Politik der letzten 20 Jahren zurückzuführen.
Leider wird dieser unrühmliche Teil gern unterschlagen. Pauschale Antiamerikanismus-Vorwürfe oder die modische Beschimpfung “Putin-Versteher” sind ja Zeichen dafür, daß man nicht bereit ist, sich mit den Hintergründen der Krise zu befassen.
zustimmender leser
23. April 2014 @ 16:44
Ja. Und das letzte Mal, das man medial hysterisch als “Antiamerikaner” verdächtigt und verunglimpft wurde, das war in der Zeit der Vorbereitung des Irak-Krieges. Was musste man da nicht alles lesen über die Friedensbewegung (schlechte Menschen), die Massenvernichtungswaffen (sind im Irak versteckt) und Bush (wir verstehen ihn nur nicht, er ist aber ein guter Kerl). Die US-Presse hat sich damals gleich freiwillig von selber patriotisch gleichgeschaltet.
Heute will natürlich niemand mehr was wissen von seinem Geschreibsel von damals, dafür wird nun auf die “Putinversteher” eingedroschen, und Kritik an der verantwortungslosen westlichen Ukrainepolitik ist natürlich wieder um “Antiamerikanismus”. Letztes mal war es “Antiamerikanismus”, wenn man nicht an die Massenvernichtungswaffen” glaubte, oder wenn man darauf hinwies, dass Saddam nichts mit Al Quida zu tun hat.
Als jemand mit einem CD- und DVD-Regal voller (u.a.) US-Produkte und als großer Fan der US-Verfassung (wohl inzwischen noch das beste an dem Land, neben den netteren Bewohnern) perlt der Vorwurf allerdings an mir regelmäßig ab – ich kenne nämlich auch die anderen USA und ihre Kultur, jenseits von “Republikanern”, “Demokraten”, hysterischem patriotism und Teaparty. Dort ist man übrigens auch nicht allzu angetan von der US-Politik, aber eben leider damit meistens in der Minderheit. Es ist ja auch nicht Obama, der hier maßgeblich die Strippen zieht, es sind eher die Neocon-Restbestände der Bushzeit, von denen er sich wohl nicht trennen konnte.
Viel mehr auf der Hand liegt doch, dass es derzeit ganz real einen massiven Antirussismus gibt, ganz offen in Politik und Medien. Ein Wort wie “Russlandversteher” als Schimpfwort ist ja für einen Sprachwissenschaftler eine Goldgrube, da kann man viel rauslesen über den, der es benutzt, und seine mutmaßlichen Intentionen: Distanz, Abneigung, Hass schüren. Nicht einmal den Versuch unternehmen, das Gegenüber zu verstehen, sondern diesen Versuch selbst schon diffamieren. Primitiver gehts wohl kaum, und das ist das aktuelle “westliche” Niveau, das mit den vielzitierten “westlichen Werten” nun überhaupt nichts zu tun hat. Aber es scheint ja sowieso so zu sein, dass von denen die am wenigsten verstehen, die sie am häufigsten aggressiv im Mund führen.
Peter Nemschak
23. April 2014 @ 11:12
Man kann nicht die derzeitige Abhängigkeit der EU von russischen Energielieferungen und gleichzeitig Bemühungen diese durch Diversifikation zu verringern kritisieren. Offenbar leben wir in einer Gesellschaft permanenter Aufgeregtheit, die von manchen Medien geschürt wird: zu Tode gefürchtet ist auch gestorben. Europa darf nicht den Fehler begehen sich vom Weltmarkt abzuschließen. Sollte Russland den Weg der Autarkie gehen, wird es seine wirtschaftliche und politische Rückständigkeit nicht überwinden können.
ebo
23. April 2014 @ 11:35
Wer kritisiert denn die Abhängigkeit von russischen Energielieferungen? Diejenigen, die am meisten abhängig sind – Polen und Balten. Wer ist energiepolitisch autark? Norwegen mit Öl und Gas und Frankreich mit der Atomkraft. Wer war für die Energiepolitik zuständig? Herr Oettinger, ein CDU-Politiker. Alles das sollen wir jetzt vergessen. Merkels Kandidat Juncker ist schon dabei – die Energieunion ist ihm plötzlich wichtiger als die (ungelöste) Eurokrise..
Peter Nemschak
23. April 2014 @ 12:55
Sie glauben doch nicht im Ernst, dass andere Parteien vorausschauend gehandelt hätten. Kurzfristdenken ist in unserer westlichen Demokratie systemimmanent. Auch Merkel ist davon nicht ausgenommen: der überstürzte Ausstieg aus der Atomenergie war Populismus in Reinkultur. Ohne Not und Druck von außen geht nichts weiter. So gesehen hat die Ukrainekrise durchwegs etwas Gutes.
zustimmender leser
23. April 2014 @ 12:19
Ich habe mal gelernt, dass Freihandel auch deswegen so wichtig sein soll, weil wer miteinander handelt, keinen Krieg miteinander führt. Russland ist auf unser Geld genau so angewiesen wie wir auf ihr Gas. Ein schön pragmatischer Grund, halbwegs zivilisiert miteinander umzugehen, wenn schon sonst nichts hilft. Das passt jetzt manchen wohl gar nicht mehr, und andere sehen die Chance, uns ihren Chemie-Müll anzudrehen und auch hier die Landschaften zu vergiften. Aber warum sollte das in unserem Interesse als EU-Bürger liegen? Nur wegen der “Drohkulisse” dämlicher konservativ-neoliberaler Politiker wie Tusk, die nun verzweifelt versuchen, das Feuer, mit dem sie selber in der Ukraine gezündelt haben, mal, auszutreten, mal wieder weiter anzufachen? Bohrt euch doch ein Loch ins Knie, ihr Pfeifen und Versager. Es ist unterirdisch, was ihr hier abliefert. Und ihr habt weder Mandate noch Mehrheiten für diesen Mist. Eure Plätze als Nieten der Nation sind euch in den Geschichtsbüchern schon jetzt sicher, ihr peinlichen Figuren und Hampelmänner des State Department. Ihr habt keine 30% hinter euch, und sprecht nur für euch selbst, und jeder weiß das.
Peter Nemschak
23. April 2014 @ 14:26
Dass Russland kein Vorbild für ökobewusste Bürger wie Sie, auch was den Chemie-Müll betrifft, ist, dürfte Ihnen entgangen sein. Handel treiben schützt vor Krieg nicht. Am ehesten sind Demokratien bereit, auf Krieg zu verzichten. Russland als Demokratie zu bezeichnen hieße, den Demokratiebegriff zu pervertieren.. Mit dem Neoliberalismus – was immer man darunter versteht – stehen Sie wie ebo auf dem Kriegsfuß. Wie alle Denkansätze hat er Vor- und Nachteile. Überzeugende Alternativen habe ich noch keine gesehen. Jede Ideologie ins Extreme gezogen, ist zum Scheitern verurteilt. Was Polen betrifft, habe ich nicht den Eindruck, dass sich die Mehrheit der Bevölkerung nach einer Wiederkehr des realen Sozialismus sehnt. Was Mandate und Mehrheiten angeht, habe ich nicht gewusst, dass D.Tusk und andere Regierungen in der EU, die sie ablehnen, per Staatsstreich an die Macht gekommen wären.
zustimmender leser
23. April 2014 @ 16:25
Russland drängt Deutschland immerhin keine dubiosen Investitionsabkommen oder Frackinggas auf. Russlands Regierung ist natürlich demokratisch gewählt, oder wann soll da ein Putsch gewesen sein? Da gibt es auch sogar noch paar mehr Parteien als die zwei in den USA. Dass es in beiden Ländern bei Wahlen immer wieder zu “Unstimmigkeiten” kommt, wo dann etwa Schwarze von der Wahl ausgeschlossen werden oder anderweitige Mauscheleien vorkommen, und am Ende Gerichte entscheiden, ist sicher bedauerlich, und Musterländer in Sachen Demokratie sind beide nicht.
Die banalste Alternative zum Neoliberalismus wäre ja schon der Keynesianismus, aber schon das ist ja des Teufels. Der heilige Markt muss es alles richten, weil, naja, Ideologie eben, Staat “böse”, darf nur Eigentum schützen. Vorteile hat der N. nur für eine Minderheit (Vermögensentwicklung), und er muss daher mit viel Getrickse und PR oder Heimlichtuerei über die EU unters Volk gebracht werden, so “populär” ist er. Trickle-down-theory, die “unsichtbare Hand des Marktes”, der “Home oeconomicus” – das ist schon ein reichlich bizarres Glaubenssystem, dem Sie da scheinbar anhängen. Mit Wissenschaft hat es nicht viel zu tun, übrigens auch nicht mehr allzuviel mit dem klassischen Liberalismus der Bundesrepublik – der war ja eher gemäßigt sozialliberal. Daher ja auch Neo-.
Und Sie glauben ernsthaft, dass die Polen es mehrheitlich unterstützt hätten, dass Polen rechtsradikale Maidankämpfer trainiert hat, wie eine große polnische Wochenzeitung kürzlich berichtete? Da wäre ich mir ja nicht so sicher. Vermutlich haben sie es eher gar nicht mitbekommen.
Schwester Ines
23. April 2014 @ 10:27
Diese Satansjünger brauchen einen Flächenbrand, um die Welt unter der Knute ihrer faschistischen Konzernmacht scheinbar “vereinen” zu können. Sie hämmern den Menschen mittels ihrer Medienkonzerne ein, DIE GUTEN zu sein und für Freiheit und Wohlstand einzutreten. In Wahrheit sind sie eiskalte Bestien und dienen dem Bösen.