Logik des Handelskriegs

Nach der Abstimmungs-Farce auf der Krim haben USA und EU harte Reaktionen angekündigt. Doch die geplanten Wirtschaftssanktionen sind kein Stück „moderner“ oder „gerechter“ als Putins Vorgehen. Und sie bergen die Gefahr einer Kettenreaktion. Kommt der Handelskrieg? 

In Brüssel gibt man sich nach dem „Referendum“ auf der Krim unversöhnlich. Russlands Putin sei in das Denken des 19. Jahrhunderts  zurückgefallen, das könne man im 21. Jhdt. nicht durchgehen lassen.

Klingt gut, führt aber in die Irre. Denn noch hat Putin den Anschluss der Krim nicht vollzogen. Manches spricht dafür, dass er sie als Faustpfand für Verhandlungen über die Ukraine nutzen will.

Nach der Krim-Farce beginnt erst der eigentliche Poker. Putin hat sich bessere Karten gesichert, wo sein Spiel schon verloren schien. In den nächsten Tagen könnte er sie ausspielen.

Wenn dem so sein sollte, hätte die Diplomatie noch eine letzte, vielleicht sogar die erste echte Chance. Sanktionen wären dann fehl am Platze, denn sie würden die Fronten nur verhärten.

Doch genau dies scheint die Absicht des Westens zu sein. Putin soll einen „Preis“ dafür zahlen, dass er sich nicht an „unsere“ Spielregeln hält – und weil wir „modern“ sind, setzen wir auf Wirtschaftssanktionen.

Dabei sind diese noch antiquierter als Putins klassisches Großmachtdenken. Strafzölle, Seeblockaden und die Belagerung von Städten wurden schon im Mittelalter als Druckmittel eingesetzt.

Ihre Legalität ist umstritten. Vor allem die EU begibt sich auf ein Terrain, das an Selbstjustiz erinnert. Schließlich ist sie in der Ukraine Partei – und maßt sich nun auch noch an, Strafen zu verhängen.

Wirtschaftssanktionen können zudem in einen Handelskrieg mit negativen Folgen für beide Seiten abgleiten, wie bei Napoleons Kontinentalsperre 1806. Auch diesmal besteht diese Kriegsgefahr.

Denn wenn es stimmt, dass die EU Gazprom und andere russische Konzerne strafen will, so käme dies dem Zünden der Atombombe gleich. Es könnte eine nicht mehr beherrschbare Eskalation auslösen.

In der EU scheint man sich dessen bewusst zu sein. Schon prüfen die 28 EU-Staaten, wie abhängig sie von russischem Gas sind und wie verletzlich andere Industriezweige wären.

Ganz in der Logik des Handelskriegs wollen die EU-Politiker ihre Sanktionen so ausrichten, dass der Schaden für Russland maximiert, der mögliche eigene Verlust durch russische Gegenmaßnahmen minimiert wird.

Doch dieses Denken ist mindestens genauso Old School wie Putins Großmacht-Gehabe. In der interdependenten Welt des globalisierten Finanzkapitalismus schlagen alle Maßnahmen auf ihre Urheber zurück.

Kapitalflucht, Börsencrash, Währungsturbulenzen – die ersten Anzeichen haben wir schon am Freitag gesehen. Wenn sich die Sache hochschaukelt, könnte es ein neues europäisches Finanzbeben geben.

Noch sei man ja nicht bei Eskalationsstufe drei, es gehe nur um gezielte und begrenzte Nadelstiche, beruhigt man sich in Brüssel. Doch die Logik des Handelskrieges geht in eine andere Richtung…